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Die Lutherkirche in Karlsruhe
gefriedigt werden dürfen, welche praktische Vorteile
für die Hausbesitzer mit ästhetischen verbinden.
Die Bauanlagen erlangen mehr Geschlossenheit und
können grösser und interessanter erscheinen.“ So
haben die Architekten die Durchführung des künst-
lerischen Baugedankens nicht in Einzelheiten aus-
klingen lassen, sondern sie ordneten auch das letzte
Bauglied der grossen Einheit unter, dem praktischen
Bedürfnis unseres Zeitalters. Die Baumittel waren
ziemlich knapp, trotzdem aber gelang es noch
ca. 29000 Mark unter dem Voranschlag zu bleiben,
gleichfalls eine sehr nachahmenswerte Tat. Die
Baukosten für die Kirche betrugen ca. 380000 Mark,
für das Pfarrhaus ca. 70000 Mark. Es musste des-
halb eine grosse Einfachheit im Detail Platz greifen.
In geradezu vorbildlicher Weise wussten die Künst-
ler den Schmuck auf wenige ausgezeichnete Punkte
zu konzentrieren, diese aber in eigenartige Gesta!-
tung zu kleiden. Nur die Vorhalle erhält ein
reicheres Gewand, gleichsam als Grenze zwischen
Profanem und Heiligen. Leise tönt das Säulen-
motiv bei der Unterfahrt nach, zieht sich in steilen
schmalen Lisenen den Turm hinan, um dort in
zierlicher Schlankheit im Glockengeschoss aufs
stärkste auszuklingen. Geschmackvoll angebrachte
Vergoldung erhöht den farbigen Eindruck, der schon
durch das prachtvoll aufgeführte Quadermauerwerk
ein reiches reizvolles Lichtspiel enthält. Den Haupt-
schmuckaber bildet das gross aufgefasste Kolossal-
relief von Bildhauer Kiefer aus Ettlingen, welches
den Turmfuss ziert und mahnend und erhebend
Luthers Gestalt in gleichsam predigender Pose uns
vorführt. In grosszügigen Formen ist die Gestalt
gesehen, einfach und würdig umschliesst sie der
sparsam ornamentierte Rahmen, organisch verwächst
das plastische Kunstwerk mit dem architektonischen.
V Wie das Aeussere so ergibt sich auch das Innere
in seiner natürlichen Notwendigkeit. Von dem
16Meter breiten Mittelraum öffnen sich die 4Kreuz-
arme mit den Emporen. Man hat das Gefühl der
Weihe und trotzdem der Freiheit. Es ist ein inniges
Zusammenrücken, ja fast ein Zusammenwohnen mit
der Gottheit. Dieser Gedanke kommt noch deut-
licher zum Ausdruck durch den bildnerischen
Schmuck der Hauptwand, der Kanzelwand. Altar,
Kanzel und Orgel liegen in der Mittelachse hinter-
einander. Der Blick wird also sofort mit aller Kraft
auf den geistigen Mittelpunkt des Raumes gelenkt,
in dem sich dasganze kirchliche Leben abspielt. Die
dunkleOrgelnische lässtdiesilberglänzenden Pfeifen
der Orgel in angenehmem Gegensatz erscheinen,
verstärkt somit noch mehr den Eindruck des gross-
zügigen Hochreliefs der Kanzelwand. Die Berg-
predigt ist dargestellt, Bildhauer Binz aus Karls-
ruhe ist der Künstler. Die Wirkung dieses vor-
nehm abgewogenen Schmuckes ist ganz eigenartig
und dürfte wohl zu dem Schönsten gehören, was
unsere moderne Kirchenbaukunst aufzuweisen hat.
Als ob Christus unter uns selbst erscheinen würde,
als ob er aus seinen Himmelshöhen wie von der
Kanzel zu uns sprechen wollte, so empfinden wir
beim Anblick dieses Werkes. Die senkrecht auf-
steigenden, schmalen Ornamente heben das Ganze
nochmals in seiner Wirkung empor zu reinem in-
nigem Genuss. Als eigenartiger reicher Flächen-
schmuck wirken vor allem auch die flimmernden
Glasfenster in den Kreuzarmen und in der Orgel-
empore, deren Entwürfe von Professor Läuger-
Karlsruhe stammen. Die Fenster erscheinen als
eine flächige, farbige Steigerung und Belebung in
der Umgebung, ebenso wie die Kanzelwand und
Orgel eine Steigerung der Werte im körperlichen
Sinne bedeuten. Die Verteilung der Farbenfläche
ist vornehm und sicher abgewogen. Ueberhaupt
zeigt die Farbengebung des ganzen Raumes im
Gegensatz zu der erdrückenden Wirkung der alten
Dome ein ausserordentlich bewusstes Schaffen auf
eine Feierlichkeit, in der sich frohe Stimmung und
Weihe glücklich vereinigt. Alle Materialien sind
diesem Stimmungsprogramm untergeordnet; der
Eindruck ist ein sehr nachhaltiger. V
V Neue gesunde Kirchenbaukunst nannte ich die
Schöpfung der bekannten Karlsruher Architekten.
Alles was wir heute von der baulichen Stellung der
Kirche im Stadtbilde verlangen, alles was wir vom
ritualen Standpunkte aus im protestantischen Kirchen-
leben für erstrebenswert erachten, alles was wir an
ästhetischen Formeln uns in Sätze prägten, scheint
hier erfüllt zu sein. Bescheiden und unaufdring-
lich, aber doch mit Bewusstsein, sicher zur Höhe
entwickelt, lagert sich vor unseren Blicken die
Kirche und derhohe Glockenturm, der die Gläubigen
des Stadtviertels zum Gebet zusammenruft. Präzis
und organisch löst sich das Innere der Kirche, die
der Predigt den Mittelpunkt einräumt; deutlich
spricht sich in der vielgestaltigen und doch so
ruhigen Baugliederung der innere Zweck der ver-
schiedenen Nebenräume aus, so sind Gemeinde-
und Konfirmandensaal, Räume für die Schwestern,
Kirchendiener und Gemeindevereine und die Woh-
nung für den Pfarrer. Man glaubt aus dem
Aeusseren, aus der Wertung der Fenster, aus der
Höhe und Gestaltung der Dachflächen jeden Raum
sofort bestimmen zu können. Und endlich der
Schmuck: Kein gesuchtes Ornament, keine will-
kürlichen Phantasiegestalten, keine ornamen-
talen Rätsel oder Spielereien beschäftigen den
Blick. Das Material in seiner besten Erscheinung
Die Lutherkirche in Karlsruhe
gefriedigt werden dürfen, welche praktische Vorteile
für die Hausbesitzer mit ästhetischen verbinden.
Die Bauanlagen erlangen mehr Geschlossenheit und
können grösser und interessanter erscheinen.“ So
haben die Architekten die Durchführung des künst-
lerischen Baugedankens nicht in Einzelheiten aus-
klingen lassen, sondern sie ordneten auch das letzte
Bauglied der grossen Einheit unter, dem praktischen
Bedürfnis unseres Zeitalters. Die Baumittel waren
ziemlich knapp, trotzdem aber gelang es noch
ca. 29000 Mark unter dem Voranschlag zu bleiben,
gleichfalls eine sehr nachahmenswerte Tat. Die
Baukosten für die Kirche betrugen ca. 380000 Mark,
für das Pfarrhaus ca. 70000 Mark. Es musste des-
halb eine grosse Einfachheit im Detail Platz greifen.
In geradezu vorbildlicher Weise wussten die Künst-
ler den Schmuck auf wenige ausgezeichnete Punkte
zu konzentrieren, diese aber in eigenartige Gesta!-
tung zu kleiden. Nur die Vorhalle erhält ein
reicheres Gewand, gleichsam als Grenze zwischen
Profanem und Heiligen. Leise tönt das Säulen-
motiv bei der Unterfahrt nach, zieht sich in steilen
schmalen Lisenen den Turm hinan, um dort in
zierlicher Schlankheit im Glockengeschoss aufs
stärkste auszuklingen. Geschmackvoll angebrachte
Vergoldung erhöht den farbigen Eindruck, der schon
durch das prachtvoll aufgeführte Quadermauerwerk
ein reiches reizvolles Lichtspiel enthält. Den Haupt-
schmuckaber bildet das gross aufgefasste Kolossal-
relief von Bildhauer Kiefer aus Ettlingen, welches
den Turmfuss ziert und mahnend und erhebend
Luthers Gestalt in gleichsam predigender Pose uns
vorführt. In grosszügigen Formen ist die Gestalt
gesehen, einfach und würdig umschliesst sie der
sparsam ornamentierte Rahmen, organisch verwächst
das plastische Kunstwerk mit dem architektonischen.
V Wie das Aeussere so ergibt sich auch das Innere
in seiner natürlichen Notwendigkeit. Von dem
16Meter breiten Mittelraum öffnen sich die 4Kreuz-
arme mit den Emporen. Man hat das Gefühl der
Weihe und trotzdem der Freiheit. Es ist ein inniges
Zusammenrücken, ja fast ein Zusammenwohnen mit
der Gottheit. Dieser Gedanke kommt noch deut-
licher zum Ausdruck durch den bildnerischen
Schmuck der Hauptwand, der Kanzelwand. Altar,
Kanzel und Orgel liegen in der Mittelachse hinter-
einander. Der Blick wird also sofort mit aller Kraft
auf den geistigen Mittelpunkt des Raumes gelenkt,
in dem sich dasganze kirchliche Leben abspielt. Die
dunkleOrgelnische lässtdiesilberglänzenden Pfeifen
der Orgel in angenehmem Gegensatz erscheinen,
verstärkt somit noch mehr den Eindruck des gross-
zügigen Hochreliefs der Kanzelwand. Die Berg-
predigt ist dargestellt, Bildhauer Binz aus Karls-
ruhe ist der Künstler. Die Wirkung dieses vor-
nehm abgewogenen Schmuckes ist ganz eigenartig
und dürfte wohl zu dem Schönsten gehören, was
unsere moderne Kirchenbaukunst aufzuweisen hat.
Als ob Christus unter uns selbst erscheinen würde,
als ob er aus seinen Himmelshöhen wie von der
Kanzel zu uns sprechen wollte, so empfinden wir
beim Anblick dieses Werkes. Die senkrecht auf-
steigenden, schmalen Ornamente heben das Ganze
nochmals in seiner Wirkung empor zu reinem in-
nigem Genuss. Als eigenartiger reicher Flächen-
schmuck wirken vor allem auch die flimmernden
Glasfenster in den Kreuzarmen und in der Orgel-
empore, deren Entwürfe von Professor Läuger-
Karlsruhe stammen. Die Fenster erscheinen als
eine flächige, farbige Steigerung und Belebung in
der Umgebung, ebenso wie die Kanzelwand und
Orgel eine Steigerung der Werte im körperlichen
Sinne bedeuten. Die Verteilung der Farbenfläche
ist vornehm und sicher abgewogen. Ueberhaupt
zeigt die Farbengebung des ganzen Raumes im
Gegensatz zu der erdrückenden Wirkung der alten
Dome ein ausserordentlich bewusstes Schaffen auf
eine Feierlichkeit, in der sich frohe Stimmung und
Weihe glücklich vereinigt. Alle Materialien sind
diesem Stimmungsprogramm untergeordnet; der
Eindruck ist ein sehr nachhaltiger. V
V Neue gesunde Kirchenbaukunst nannte ich die
Schöpfung der bekannten Karlsruher Architekten.
Alles was wir heute von der baulichen Stellung der
Kirche im Stadtbilde verlangen, alles was wir vom
ritualen Standpunkte aus im protestantischen Kirchen-
leben für erstrebenswert erachten, alles was wir an
ästhetischen Formeln uns in Sätze prägten, scheint
hier erfüllt zu sein. Bescheiden und unaufdring-
lich, aber doch mit Bewusstsein, sicher zur Höhe
entwickelt, lagert sich vor unseren Blicken die
Kirche und derhohe Glockenturm, der die Gläubigen
des Stadtviertels zum Gebet zusammenruft. Präzis
und organisch löst sich das Innere der Kirche, die
der Predigt den Mittelpunkt einräumt; deutlich
spricht sich in der vielgestaltigen und doch so
ruhigen Baugliederung der innere Zweck der ver-
schiedenen Nebenräume aus, so sind Gemeinde-
und Konfirmandensaal, Räume für die Schwestern,
Kirchendiener und Gemeindevereine und die Woh-
nung für den Pfarrer. Man glaubt aus dem
Aeusseren, aus der Wertung der Fenster, aus der
Höhe und Gestaltung der Dachflächen jeden Raum
sofort bestimmen zu können. Und endlich der
Schmuck: Kein gesuchtes Ornament, keine will-
kürlichen Phantasiegestalten, keine ornamen-
talen Rätsel oder Spielereien beschäftigen den
Blick. Das Material in seiner besten Erscheinung