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DIE ARCHITEKTUR DER „KUNSTSCHAU“

Ein neuer Kunstfrühling ist über Wien gekom-
men. Hier hatdie Klimtgruppe eine Ausstellung
eröffnet, die als Glanzleistung der modernen Kunst
einzig dasteht und eine kiinstlerische Kraftprobe
dieser Gruppe bedeutet, die das schöpferische
Prinzip der Modernen in Wien am entscheidendsten
verkündet und bestätigt hat,“ sagt Joseph Aug. Lux
in seiner „Hohen Warte“, und in unübertreffbaren
Worten weiss er wie keiner Gustav Klimt zu feiern.
Uns ist es leider hier nicht gegönnt, ein umfassen-
des Bild der Ausstellung zu entrollen, die Grenzen
dieser Publikation sind eng gezogen, wir müssen
uns damit begnügen, einen Teil zu geben, gewisser-
massen den Rahmen des Ganzen, die Architektur.
V Josef Hoffmann errichtete das Haus. Einfach
und spielend, als wäre es nichts, als wäre es immer
so gewesen und jeder müsste es so machen, und
doch war es nie so und niemand noch hat es so
gemacht. Losgelöst vom „erprobten“ System, frei,
lediglich diktiert vom Zweck, geboren durch eine
feinsinnige Künstlerseele in Freude und Selbst-
bewusstsein mit nie versiegender Kraft. Der Weg
durch die Ausstellung führt uns nicht durch eine
Flucht von Sälen mit Bildern und Statuen, wo wir
noch frisch mit Nummer 1 beginnen und schon
bei Nummer 30 abgespannt und müde die letzte
Nummer zu sehen wünschten. Nein, jeder Raum
ist ein Ganzes für sich, eine eigene Schöpfung.
Geschlossene Räume wechseln mit offenen Höfen
und Gärten und ein zwischen weissen Mauern ge-
fangener blauer Himmelsfleck, Sonnenschein und
Grün durch disziplinierten Geist baulich gefügt,
heben die Sinnesfreude. V

V Hoffmann errichtete es, ihm danken wir den
neuen Weg, den er gezeigt, er war die treibende
Kraft, in seine Hände liefen allemal die tausend

Fäden des Gewebes zusammen. Er wusste die
einzelnen Kräfte zu finden, sie für die Aufgaben
zu begeistern, durch seine bezaubernde Art empor-
zuheben und das Beste aus ihnen zu schöpfen. Ich
glaube, wenn einer gar nichts will und nur ein
Tropfen Künstlerblut in seinen Adern wäre, allein
dem Hoffmann zuliebe müsste er es machen. Hoff-
mann ist begeisterter Lehrer, dessen Interesse an
seinen Schülern weit iiber die engen Grenzen einer
Schulzeit hinaus ins Leben reicht, dessen unein-
geschränkte Selbstlosigkeit im Bewusstsein seiner
eigenen Kraft nur den Wunsch hegt, aus dem
Besten das Beste zu holen. So hat Hoffmann auch
an den Arbeiten seiner einstigen Schüler nicht
geringen Anteil. V

V Den Glanzpunkt seiner eigenen Leistungen, ab-
gesehen von der leitenden Grundidee und dem
unvergleichlich anziehenden Landhause der Firma
Kohn, als räumliche Detailschöpfung möchte ich
den Saal der „Wiener Werkstätte“ bezeichnen. Ein
Raum, welcher in seiner einfachen Geschlossenheit
den grössten Reichtum an Vornehmheit und edler
Künstlerarbeit bietet. Eine unklar erträumte Schön-
heit wurde hier zur Wirklichkeit. Wie Klimt in
allen seinen Schaffenszeiten (bei ihm sind es tat-
sächlich deutlich trennbare) immer fertig und voll-
kommen war, und man nie im entferntesten ahnen
konnte und kann, was jetzt? so steht es auch bei
Hoffmann,er findet immer noch „den Schritt weiter“.
Weiss Wien den Schatz zu heben? O einfältige
Toren, die Ihr Eure Besten nicht zu flnden wisset!

V Otto Wagner hat sein Projekt für das neue
Kriegsministerium ausgestellt. An dieses Werk
knüpft sich eine für den Kunstsinn Wiens wenig
rühmliche Begebenheit. Es wurde, ungeachtetseiner
künstlerischen Qualitäten, aus rein formalen Grün-

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