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und so lebenformenden Tendenz und Eignung heraus aufgefaßt und durchgeführt
wird. Durchgeführt von Menschen, deren Lebenseinstellung ein jedes Individuum
in seiner auf das Ganze sich beziehenden Arbeit zur höchsten Produktivität ge*
langen läßt, weil man ihm Zeit und Raum gibt, sich selbst auch in seinem Per*
sönlichsten auszuwirken. Damit lernt der Mensch wieder auf die geringsten
Regungen seines eigenen Seins ebenso wie auf die Gesetze der Materie reagieren.

Auf der Basis einer Gestaltungslehre, welche die Gestaltung eines Werkes nur
aus den ihm eigenen Mitteln und eigenen Kräften verkündet, ist die nächste
Konsequenz, daß eine architektonische Gestaltung als Synthese aus den funktio*
nellen, der Architektur eigenen Elementen, — also auch MateriaLFarbe — ent*
stehe, d. h. aus dem auf die Funktion aufgebauten Zusammenspiel gleichgeord*
neter Kräfte. Eine solche Gestaltung müßte die zu erzielende Farbigkeit der
Räume und Gebäudekomplexe ohne Mitwirkung des Malers im heutigen Sinne
ermöglichen, da die funktionelle Verwendung des Baumaterials: Beton, Stahl,
Nickel, künstliche Stoffe usw., die Farbigkeit des Raumes und der ganzen Archi*
tektur eindeutig schaffen kann. Auf einer idealen Ebene, wo biologische und
technische Funktion einander decken, ist dies tatsächlich der Fall. Aber die
Praxis zeigt, daß es möglich, sogar selbst für spätere Zeiten höchst wahrschein*
lieh notwendig ist, den „Maler“ als Sachverständigen zu der farbigen Ausge*
staltung der Räume heranzuziehen. Er wird dort allerdings nur in der von
den baulichen Forderungen aus entstehenden Determination arbeiten können.
Von einer suveränen farbigen Gestaltung kann demnach dort kaum die Rede
sein. Schon aus dem Grunde nicht, weil man die Farbe von heute ab in der
Außenarchitektur voraussichtlich nur als Organisationsbehelf und in der Innen«
architektur als Unterstützung der atmosfärischen, der „wohnlichen“ Wirkung
verwenden wird.*)

•) Sie hilft in der Architektur eine dem Raum und dem Einwohner entsprechende Wohnlich*
keit schaffen. Damit wird sie zu einem gleichwertigen Bestimmungsmittel der Raumgestaltung,
die noch mit Möbeln und Stoffen ergänzt werden kann.

Die heutigen Versuche, die Wände eines Raumes verschiedenfarbig zu streichen, haben ihren
Ursprung in folgendem:

Homogen gestrichene Räume wirken hart. Sie sind in ihrer Einfarbigkeit übermäßig selbst*
betont. In einem solchen Raum ist uns das Vorhandensein der betreffenden einen Farbe un*
aufhörlich gegenwärtig. Wenn dagegen die verschiedenen Wände in abgestimmten Farben ver*
schieden angestrichen sind, wirken nur die Beziehungen der Farben. Es entsteht Klang,
der die Farbe als selbstbetonte Materie verdrängt zugunsten einer Wirkung, bei der nur die

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