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Baulösung wird nachher in der Großebene das bevorzugte Vorbild eines Pilgramschen Systems
mit Querschiff, Mittelkuppel und verlängertem Sanktuarium. Mit den Kirchen der Elisa-
betherinnen und der Stiftskirche des Ordens vom Roten Kreuz in Preßburg wird diese Richtung
in Ungarn eingeleitet, die sich auch in der ursprünglich von Pilgram begonnenen Kirche zu
Tata und in ihrer vollen Großartigkeit in der Handhabung durch Canevale bei der Kathedrale
von Väc (Waitzen) verspüren läßt. Zwar kann - trotz kürzlich zum Vorschein gekommener
Pilgramscher Entwürfe für Waitzen - auch weiterhin Jäszo als sein Lebenswerk betrachtet
werden, immerhin bezeugen aber die Pläne für Waitzen den Abschluß einer Kunstepoche
und den Beginn einer neuen. Zweifellos verkörpert sich in der Baugesinnung des römisch-
klassizisierenden Barocks der Wille des Bischofs Käroly Esterhazy, der bekanntlich für den
klassischen römischen Baugedanken eingetreten ist. Die gegen die quadratische Baumasse
des bischöflichen Schlosses gewendete, an Berninis Kolonnaden erinnernde Riesenhalle war
so geplant, daß sie sogar auf österreichisch-deutschem Boden völlig neuartig und unausge-
goren gewirkt hätte. Bischof Esterhäzy duldete keinen Widerspruch und war überhaupt sehr
entschlossen, deshalb verlangte er von den Architekten die nach seiner Auffassung gerade
klassischen Formen und den Geist des römischen Barocks, der in den Anschauungen der The-
oretiker andauernd fortlebte. So wurde die Baustelle der Kathedrale neu gewählt und die zur
Anschüttung des Geländes nötigen Erdarbeiten bei Tag und Nacht durchgeführt. Die Anlage
einer mächtigen, viereckigen Esplanade mit ihren in gerader Linie gegen die Donau gerich-
teten Peihenwohnungen für die Domherren und der Piaristenresidenz und dem Seminar auf
den beiden Seiten deutet den hervorbrechenden koordinierenden Grundsatz des klassizistischen
Städtbaus an. Das Problem ist neuartig und entspricht unserer Meinung nach nur halbwegs
Pilgrams Kunstgesinnung. Die imposante Planung der Innenausstattung der Kathedrale mit
dem Hochaltar und der ruhigen Pracht des Chores geht leicht verständlich aus dem künstleri-
schen Werdegang des zunftmäßigen Klostererbauers hervor. Neben Grundsätzen Hildebrandts
in der Fassade und dem schwungvollen Arragement kündigen sich - im Widerspruch zur ein-
heitlichen Gestaltung Pilgrams - in den Türmen klassizistisie rende Motive Borrominis an,
so als sollte hier vielleicht eine durch Pfeiler gegliederte und umgestaltete Halle mit Ko-
lonnaden abschließen. Dazu laufen noch auf den geräumig bemessenen Platz, an dem sich
der Dom so großartig weit hinstreckt, offene Hallen flügelartig bis an den Platzrand hin,
mit den Wänden an die seitwärts stehenden Gebäude lehnend; alles dies steht in einem
sonderbaren Widerspruch zum klassizistischen Prinzip und zu der unleugbar barocken Bau-
lösung. Pilgrams Zunftgeschmack schlug da einen ganz anderen Weg ein, als die akademisch
gebildeten Architekten. Den ersten großangelegten Versuch eines raumbildenden klassizisie-
renden Spätbarock erleben wir in Waitzen durch Pilgram, während später das bischöfliche
Schloß in Ungarn von dem österreichischen Meister Melchior Hefele fast restlos verwirklicht
ist. Was in Waitzen von Pilgrams Plänen noch weiter fortlebt, ist vielmehr Esterhazys künst-
lerischer Gedanke und beweist dessen Willenskraft und Entschlossenheit: die Turmgestalt der
Pfarrkirche in Papa erhält später durch Fellner diese als klassisch erkannte Fassung, die dann
Großmann und Zillach (für denselben Bauherrn Esterhazy) in ihren Plänen für die Kathedrale
in Eger (Erlau) einheitlich anwenden. Der Kathedralbau in Waitzen geht in einer anderen
Richtung weiter: Migazzi, der aus Wien kommende Nachfolger Esterhäzys läßt die Arbeiten
durch Canevale fortsetzen. Der bei Hofe beliebte und stilistisch französisch eingestellte
Canevale, ein Vorläufer des französischen klassizistischen Eklektizismus errichtet unter dem
Einfluß von Saint-Sulpice ein Kunstwerk fast zeitlosen Charakters aus großen, flachen Kuben,
dessen Inneres mit seinem säulengetragenen, deutlich begrenzten Raum als die französischste
und vielleicht allermodernste Schöpfung des ungarländischen Spätbarocks, ja sogar auf öster-
reichisch-böhmisch-ungarischem Boden zu verzeichnen ist. Der Akademiker Canevale ver-
steht eseher, seine Epoche zu verleugnen als sein Zunftmeister-Vorgänger Pilgram.
Wie so viele große Bauwerke aus Übergangszeiten, so fällt auch das in Waitzen gewissermaßen
aus der Richtung der Weiterentwicklung heraus und verständigt sich erst im späteren Verlauf
damit, wird dann aber der bedeutendste Anreger für den ungarländischen klassizistischen
Kirchenbau. Es kommt aber darin nicht nur französisches Vorbild zum Ausdruck, sondern,
Baulösung wird nachher in der Großebene das bevorzugte Vorbild eines Pilgramschen Systems
mit Querschiff, Mittelkuppel und verlängertem Sanktuarium. Mit den Kirchen der Elisa-
betherinnen und der Stiftskirche des Ordens vom Roten Kreuz in Preßburg wird diese Richtung
in Ungarn eingeleitet, die sich auch in der ursprünglich von Pilgram begonnenen Kirche zu
Tata und in ihrer vollen Großartigkeit in der Handhabung durch Canevale bei der Kathedrale
von Väc (Waitzen) verspüren läßt. Zwar kann - trotz kürzlich zum Vorschein gekommener
Pilgramscher Entwürfe für Waitzen - auch weiterhin Jäszo als sein Lebenswerk betrachtet
werden, immerhin bezeugen aber die Pläne für Waitzen den Abschluß einer Kunstepoche
und den Beginn einer neuen. Zweifellos verkörpert sich in der Baugesinnung des römisch-
klassizisierenden Barocks der Wille des Bischofs Käroly Esterhazy, der bekanntlich für den
klassischen römischen Baugedanken eingetreten ist. Die gegen die quadratische Baumasse
des bischöflichen Schlosses gewendete, an Berninis Kolonnaden erinnernde Riesenhalle war
so geplant, daß sie sogar auf österreichisch-deutschem Boden völlig neuartig und unausge-
goren gewirkt hätte. Bischof Esterhäzy duldete keinen Widerspruch und war überhaupt sehr
entschlossen, deshalb verlangte er von den Architekten die nach seiner Auffassung gerade
klassischen Formen und den Geist des römischen Barocks, der in den Anschauungen der The-
oretiker andauernd fortlebte. So wurde die Baustelle der Kathedrale neu gewählt und die zur
Anschüttung des Geländes nötigen Erdarbeiten bei Tag und Nacht durchgeführt. Die Anlage
einer mächtigen, viereckigen Esplanade mit ihren in gerader Linie gegen die Donau gerich-
teten Peihenwohnungen für die Domherren und der Piaristenresidenz und dem Seminar auf
den beiden Seiten deutet den hervorbrechenden koordinierenden Grundsatz des klassizistischen
Städtbaus an. Das Problem ist neuartig und entspricht unserer Meinung nach nur halbwegs
Pilgrams Kunstgesinnung. Die imposante Planung der Innenausstattung der Kathedrale mit
dem Hochaltar und der ruhigen Pracht des Chores geht leicht verständlich aus dem künstleri-
schen Werdegang des zunftmäßigen Klostererbauers hervor. Neben Grundsätzen Hildebrandts
in der Fassade und dem schwungvollen Arragement kündigen sich - im Widerspruch zur ein-
heitlichen Gestaltung Pilgrams - in den Türmen klassizistisie rende Motive Borrominis an,
so als sollte hier vielleicht eine durch Pfeiler gegliederte und umgestaltete Halle mit Ko-
lonnaden abschließen. Dazu laufen noch auf den geräumig bemessenen Platz, an dem sich
der Dom so großartig weit hinstreckt, offene Hallen flügelartig bis an den Platzrand hin,
mit den Wänden an die seitwärts stehenden Gebäude lehnend; alles dies steht in einem
sonderbaren Widerspruch zum klassizistischen Prinzip und zu der unleugbar barocken Bau-
lösung. Pilgrams Zunftgeschmack schlug da einen ganz anderen Weg ein, als die akademisch
gebildeten Architekten. Den ersten großangelegten Versuch eines raumbildenden klassizisie-
renden Spätbarock erleben wir in Waitzen durch Pilgram, während später das bischöfliche
Schloß in Ungarn von dem österreichischen Meister Melchior Hefele fast restlos verwirklicht
ist. Was in Waitzen von Pilgrams Plänen noch weiter fortlebt, ist vielmehr Esterhazys künst-
lerischer Gedanke und beweist dessen Willenskraft und Entschlossenheit: die Turmgestalt der
Pfarrkirche in Papa erhält später durch Fellner diese als klassisch erkannte Fassung, die dann
Großmann und Zillach (für denselben Bauherrn Esterhazy) in ihren Plänen für die Kathedrale
in Eger (Erlau) einheitlich anwenden. Der Kathedralbau in Waitzen geht in einer anderen
Richtung weiter: Migazzi, der aus Wien kommende Nachfolger Esterhäzys läßt die Arbeiten
durch Canevale fortsetzen. Der bei Hofe beliebte und stilistisch französisch eingestellte
Canevale, ein Vorläufer des französischen klassizistischen Eklektizismus errichtet unter dem
Einfluß von Saint-Sulpice ein Kunstwerk fast zeitlosen Charakters aus großen, flachen Kuben,
dessen Inneres mit seinem säulengetragenen, deutlich begrenzten Raum als die französischste
und vielleicht allermodernste Schöpfung des ungarländischen Spätbarocks, ja sogar auf öster-
reichisch-böhmisch-ungarischem Boden zu verzeichnen ist. Der Akademiker Canevale ver-
steht eseher, seine Epoche zu verleugnen als sein Zunftmeister-Vorgänger Pilgram.
Wie so viele große Bauwerke aus Übergangszeiten, so fällt auch das in Waitzen gewissermaßen
aus der Richtung der Weiterentwicklung heraus und verständigt sich erst im späteren Verlauf
damit, wird dann aber der bedeutendste Anreger für den ungarländischen klassizistischen
Kirchenbau. Es kommt aber darin nicht nur französisches Vorbild zum Ausdruck, sondern,