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Mojzer, Miklós
Werke deutscher Künstler in Ungarn — Studien zur deutschen Kunstgeschichte, Band 329: Baden-Baden: Heitz, 1962

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https://doi.org/10.11588/diglit.73091#0033
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zu Steinamanger repräsentiert. Die einfache Gliederung, die feingeformte Baumenge der
Residenz berücksichtigt die Fassade des bereits errichteten Komitatshauses mit dem Tympanon
(die bischöfliche Residenz besitzt kein Tympanon, während das Seminar am Platzrand ein
dem Komitatshaus ähnliches hat). Der Dombau wird zwischen Residenz und Seminar einge-
setzt, und zwar in einer oblongen Raumbildung. Da die Kathedrale aber unverhältnismäßig
breit gebaut ist, kann das Plätzchen die Baumenge kaum ertragen. Hefele bemißt daher die
Domfront im Vergleich zu den beiden schon bestehenden Palästen etwas enger und plant
ein kulissenmäßiges, Schloßrisaliten ähnelndes Element mit schulmäßiger, aber gedrungener
Massenbildung*. In dieser Fassadenpartie verschwindet sogar die Notwendigkeit der Türme,
deren Hauben (nach der unausgeführten ursprünglichen Baulösung) von den gewohnten Formen
abweichen; die auf Kugeln gestellten Pyramiden wirken als Frühboten einer "denkmals-
artigen" Architektur. Das Dominnere ist wahrhaft das denkwürdigste und monumentalste
sämtlicher ungarischen Kirchen und bildet gleichzeitig das letzte Glied jener Reihe, die
sich an die Cajetankirche in München anschließt (Jänos Kapossy), und das Münchner Vorbild
zum Klassizismus weiterentwickelnd variiert. Auffallend ist die für Hefele bezeichnende
klassizisierende Anwendung des Spätbarocks bei besonderen Bauelementen wie Pfeilern,
Säulen und Gesimsen. In Hefeles Baukomplexen finden sich vertikale und horizontale Ele-
mente; zwar noch Elemente der großen, schwungvollen Barockeinheit, aber nicht aus dieser
ausgeschnitten und abmodeliert, sondern sich sozusagen als Fürsprecher derselben darstellend,
da diese Einheit doch aus ihnen zusammengestellt und konstruiert ist. Wie hübsch geschnitzte
Bauwürfel fügen sich Bögen, große glatte Flächen, Tonnengewölbe, Verzierungen aneinander,
und in ihrer sorgfältig gedrechselten Gestaltung schlägt immerzu das Meisterhafte durch, das
Bestreben nach glatter Formierung. Abgesehen von den theoretischen Erwägungen und dem
an Meisterbüchern (hauptsächlich Palladio) geschulten eklektischen Schönheitssinn beweist
das oben behandelte hochgeschätzte Kunstwerk Hefeles auch seine Meisterschaft in der Tisch-
le rkunst.
Hefele kommt schon als Planer von großen Baukomplexen nach Ungarn. Wegen seiner frü-
heren österreichischen Arbeiten (Hochaltäre in Sonntagsberg und Neulerchenfeld, Peregrini-
Kapelle der Wiener Servitenkirche) und der Ausstattung der Kathedrale zu Györ (Raab) wird
er bald zum anerkannten Innenarchitekten. Die ungarische Architektur dieser Epoche be-
reichert sich so durch zwei hervorragende Figuren des Spätbarocks und wird einerseits durch
den einheimischen Jacob Fellner, andererseits durch den österreichisch-deutschen Hefele
neuer Bedeutung teilhaftig. Voneinander verschieden, aber immerhin sinnverwandt drängt
in Fellners und Hefeles Werken allen das architektonische Prinzip empor, womit sie es in
ihrer Kunstart verstanden, die aus autochthonen und exklusiven Elementen konstruierte
Architektur zu verselbständigen. In diesem Sinne erweisen sich die Altäre der Kathedrale
von Raab als kräftige Verkünder jenes Baugedankens, der in seiner vollen Reinheit bald
nachher in Steinamanger verkörpert ist. Einzelne Elemente verwandeln sich in ästhetische
Werte, und die Baukunst wird in Ungarn - in dieser Hinsicht auch von Fellner abweichend -
zuallererst in Hefeles Handhabung zum Selbstzweck, fast zur Selbstsucht (die Domfassade
in Steinamanger abermals als lehrreiches Beispiel), welche nur auf Grund ihres inneren
Maßes und der Proportion sich zu richten wünscht und keine äußeren Ziele bezweckt, auch
keiner anderen Idee sich anschließt, sondern selbst Endzweck ihres Daseins ist.
Derartige Bestrebungen machen sich im Kircheninneren in den puristisch geformten "heroi-
schen" Säulen Hefeles bemerkbar, die dem klassischen Beispiel folgen, während sie mit
Schwellungen und Dramatisierung in der Barockrepräsentation die Bauelemente gliederten
und trugen. Ähnliches Streben ist noch an der bischöflichen Palaisfassade in den Riesenpfeilern
und dem allzubreiten Giebelgesims zu beobachten. Sein letztes Bauwerk, das Wohnhaus für
den Domherren Eölbey am Platzrand schließt alles Nichtarchitektonische mit Formensicherheit
aus, es ist abstrakt, schlicht berechnet und erdacht. Spätere Schöpfungen von ihm, Altäre

* Vgl. Antal Kärolyis einschlägige Beobachtungen.
 
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