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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 4.1911

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ist man selten vom weißen Schimmern der Haut entzückt. Ist dem aber so, hat
Tizian die junge Caterina Cornaro gemalt, so kann auch er sein Porträt unmöglich
vo r dem Modell geschaffen haben, und Ridolfi irrt, wie ja des öfteren, wenn er das
Bildnis der Königin für ein Frühwerk Tizians erklärt. Dank der Chronistentreue
Gentile Bellinis kennen wir ja die äußere Erscheinung Caterinas im Jahre 1500,
und da Tizian, der anno 1477 oder vielleicht noch später Geborene die Königin
kaum vor dem Jahre 1495 porträtiert haben dürfte und andererseits die Caterina
Cornaro des Bildes auf Neu-Schwanenburg sich innerhalb fünf kurzer Jahre un-
möglich in die Matrone des bellinesken Gemäldes verwandeln konnte, bleibt eben
als einziger Weg aus diesen Möglich- oder Unmöglichkeiten nur die Annahme
übrig, daß Tizian sein Bildnis Caterinas nach einer Vorlage geschaffen hat. Schwerlich
wohl zu Lebzeiten der Fürstin oder gar in ihrem Auftrage: der Stern Tizians war
ja erst seit Giorgiones Hinscheiden in der Aszendenz, und mochten damals die
venezianischen Kenner den Könner auch bereits respektieren, in Asolo hatte sein
Name gewiß noch keinen tönenden Klang. Aber Königinnen, auch die entthronten,
ließen zu allen Zeiten allerhöchst ihr Porträt nicht von „hoffnungsvollen" jungen
Talenten, sondern von offiziellen Größen malen, und zu diesen zählte Tizian erst,
als er, lange nach Caterinas Tode, mit ihrem berühmten Bruder Giorgio, dem
nämlichen, den wir an ihrer Seite auf dem Bilde von Neu-Schwanenburg und
dessen Pendant gewahren, freundschaftliche Verbindungen unterhielt. Der Maler
aus Cadore hat den Sieger von Cadore mehr als einmal porträtiert1); liegt es da
nicht nahe anzunehmen, daß der Prokurator, vielleicht gar als Gegenstück zu seinem
eigenen Bildnis2) auch das der Schwester von Tizians Hand begehrte und der
große Künstler sie schildern sollte, nicht als kränkelnde, zu Jahren gekommene
Wittib, sondern in prangender Jugend, umsonnt vom Glanz ihrer berühmten Schön-
heit? So mag Tizians Werk entstanden sein. Über Caterinas Gewandung mochte
ihm Giorgio Cornaro das Nötige mitteilen oder, wenn ein Provveditore der Republik
sich solcher Nebensächlichkeiten nicht mehr entsann, konnte Tizian bei Marino

(1) Nach Sansovino (op. cit.) p. 334 befand sich auf dem wahrscheinlich im Jahre 1522 gemalten
Fresko Tizians im großen Saale des Dogenpalastes „Barbarossa und sein Sohn Otto schreiten zur
Markuskirche" ein Bildnis Giorgio Cornaros „in veste d' oro"; das Fresko ging bei dem Brande 1577
zugrunde, zusammen mit jenem anderen die Schlacht von Cadore schilderndem, das Tizian 1537 schuf
und worin Giorgio Cornaro dargestellt war, wie er sich den Panzer anschnallen läßt. Vgl. den Stich
Giulio Fontanas und die alte Teilkopie des Freskos in den Uffizien, beide abgebildet bei Fischel
„Tizian" in den „Klassikern der Kunst", III. Auflage, S. 72 u. 73.

(2) Das berühmte Bildnis des „Mannes mit dem Falken" der Smlg. Eduard Simon in Berlin, hier
abgebildet, eines der herrlichsten, die Tizian je geschaffen, galt, wie eine alte Inschrift auf der Rückseite des
Gemäldes bekundete, als Porträt Giorgio Cornaros. Gronau hat zuerst („Tizian", Berlin igoo, S. 84 f.) in
dem Modell den Herzog Federigo Gonzaga von Mantua erkennen wollen, und ganz gewiß besteht
auch eine ziemlich weitgehende Ähnlichkeit zwischen dem „Mann mit dem Falken" und dem Gonzaga,
wie die Bildnisse Tizians und Costas „Triumph des Federigo Gonzaga" in Teplitz beweisen. Ver-
gleichen wir aber den Ritter des Berliner Bildes mit dem Giorgio Cornaro des Gemäldes auf Neu-
Schwanenburg, so ergeben sich, obschon der Mann mit dem Falken um etwa zehn Jahre jünger deucht,
doch so auffallende Ähnlichkeiten zwischen den beiden Modellen, daß man versucht ist, die alte
Tradition respektierend, den Mann mit dem Falken für Giorgio Cornaro zu halten. Dann müßte Tizian
freilich auch dieses Porträt nach einer älteren Vorlage gemalt haben; denn Giorgio Cornaro wurde im
Jahre 1456 geboren, starb anno 1524, und das Bildnis der Sammlung Simon stellt doch einen Mann
dar, der kaum älter als vierzig Jahre sein kann. Nicht unerwähnt darf schließlich bleiben, daß auch
der Giorgio Cornaro, den wir auf Francesco Bassanos Gemälde „Die Schlacht bei Cadore" im Dogen-
palast erblicken, ungemein an das Modell des Porträts der Sammlung Simon erinnert.

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