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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 4.1911

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das Florbändchen, die Flügel und die rechte Hand weglassen, so bleiben die antiken
Bestandteile übrig.
Eins nur können wir nicht mit Sicherheit entscheiden: ob der Marmor schon im
Altertum als Brunnenfigur diente oder nicht. In engem Zusammenhang damit steht
die wichtigere Frage, wie der Knabe mit der Gans, nachdem er wieder aufgefunden
war, zu seiner Funktion als Brunnenfigur gekommen ist, mit anderen Worten, ob
sie ihm erst von Teniers zugeteilt worden ist oder ob das Original in Italien schon
ähnlichen Zwecken diente. Da ist das letzte bei weitem wahrscheinlicher.
Denn im allgemeinen entspringt die dekorative Verwendung antiker Skulpturen
den starken architektonischen Neigungen der Italiener, und speziell in unserem Falle
haben wir mehrfache Zeugnisse dafür, daß die Verwendung des Gänseknaben als
Brunnenfigur, zu der wohl die antiken Bohrungen, die sich z. B. an Exemplaren des
sitzenden Knaben finden, den ersten Anstoß gegeben haben, zuerst auf italienischem
Boden stattgefunden hat: Stiche des XVII. Jahrhunderts stellen Brunnen mit ähnlichen
Gruppen dar1), und Statuenbeschreibungen des Cinquecento berichten öfters von
„puttini con augelli aquatici, dalle cui bocche esce l'acqua“2). Möglicherweise ist
es sogar unsere Gruppe, welche der schon erwähnte Aldrovandi im Giardino Cesi
folgendermaßen beschreibt: „un putto, che preme una ansera per fargli gettar acqua
dal collo, tutto intero, et questa e una delle belle cose di Roma per stare piccola"
(Statue p. 138). Denn von vorzüglicher Erhaltung muß ja auch der Marmor aus
Casa Savelli gewesen sein, der sich zu Aldrovandis Zeit wie oben gesagt nicht mehr
an Ort und Stelle befand. Jedenfalls ist es so gut wie sicher, daß auch unser Knabe
schon in Rom als Brunnenfigur diente.
Da Teniers selbst nicht in Italien war, so kommen als Vermittler seiner Kenntnis
von unserer Gruppe nur fremde Zeichnungen oder Stiche in Betracht, welche
natürlich die Figur in ihrer architektonisch-dekorativen Funktion wiedergaben.
Solche Zeichnungen oder Stiche zu betrachten, hatte er in dem von ihm zur Zeit
der Entstehung des Bildes noch verwalteten Kunstkabinett die beste Gelegenheit ").
Doch führen dieselben Galeriebilder, welche uns Kupferwerke und Zeichnungen auf
den Tischen ausgebreitet zeigen, noch eine andere Quelle seiner Antikenkenntnis
vor Augen: nämlich die Abgüsse nach Statuen, welche der Erzherzog wie viele
andere Kunstliebhaber besaß. Der Antinous-Hermes des Belvedere, der auf bei-
nahe allen Galeriebildern zu sehen ist, findet sich denn auch im Atelier des Affen-
malers von Teniers (Prado) aufgestellt, und ebenso steht er auf unserem Bilde in
einer Nische der Hintergrundarchitektur. Dagegen lassen sich die weiblichen
Statuen in den beiden anderen Nischen ebensowenig wie unser Knabe mit der
Gans und die übrigen antikischen Figuren auf den Affenbildern im Prado auf Ab-
güsse, die wir aus der Galerie des Erzherzogs kennen, zurückführen. Doch gab
es vielleicht noch andere Räume in der Galerie, die wir auf den Prospekten nicht
zu sehen bekommen und in denen die Abgüsse, die jenen Figuren zugrunde liegen,
möglicherweise aufgestellt waren. Dagegen aber, daß erst Teniers selbst den Ge-

(1) Giov. Giac. Rossi, Nuova Raccolta di Fontane ... di Roma etc. (ca. 1640) tav. 43 3 Gruppen von
Kindern mit Vögeln als Brunnenfiguren. - — Le Brun, Recueil de divers dessins de Fontaines etc.
(nach 1683), pl. 1 und 2 jedesmal 2 Putten, die mit Gänsen oder Schwänen beschäftigt sind welche
Wasser speien; pl. 13 2 Putten, die einer Gans Wasser aus dem Hals pressen.

(2) Das Zitat aus der Beschreibung des Giardino Carpi bei Aldrovandi, Statue p. 299.

(3) Die Hochzeit mit Isabella de Fren fand am 21. Oktober 1656 statt, und erst 1657 ging der Erz-
herzog nach Wien.

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