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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 4.1911

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kapitel der „Horologographia" (1533), nachdem er die Beschreibung des Holzschnitts
wiederholt hat, ausruft: „Übrigens, um auch dies hier nebenbei zu erwähnen, gab
es bis jetzt einige, welche betreffs dieser Tafel, die ich besonders habe drucken
lassen und vom Buch getrennt habe, mich ernstlich um Auskunft darüber gebeten
haben, ob, wenn sie (d. h. die Tafel) an der Wand angebracht und der Zeiger ihr
richtig eingesteckt würde, sie die genaue Stunde und das Himmelszeichen, gemäß
ihrer Ausmessung angeben würde, . . . denen allen antworten wir dies, . . . nämlich,
daß wir jene Tafel einzig darum herausgegeben haben, damit alle Beteiligten ein
gewisses Muster hätten, welches sie beim Malen von Uhren nachahmen könnten,
wenn wir auch diese Tafel auf den Basler Breitegrad eingestellt haben. Dennoch
raten wir nicht, daß jemand dieselbe für die Sonne benutze, da nicht nur beim
Schneiden, sondern auch beim Druck derartiger astronomischer Instrumente leicht
ein Irrtum unterlaufen kann"1). Aus diesen Worten läßt sich schließen, daß das
den Münsterschen Horologienbüchern sowieso nur lose beigegebene Sonnenuhrblatt
vielfach von den Besitzern der Bücher als Sonnenuhrtafel an eine Wand im Freien
geheftet wurde. Dieser Umstand erklärt das häufige Fehlen in den Bänden.
Wir fahndeten weiter nach dem Blatte und fanden es denn auch schließlich
in den 1551 bei Heinrich Petri zu Basel edierten „Rudimenta Mathematica"
Sebastian Münsters, deren zweitem Teil „De omnium generum Horologiorum
delineatione, compositione & fabricatione" es beigeheftet war (Taf. 22); größte
Höhe ca. 27,5 cm, größte Breite ca. 40 cm). Ein eigenartiger Entwurf einer Sonnen-
uhr und recht abweichend vom gewohnten Schema. Ein langes breites Band legt
sich erst in kühnem Schwünge querüber, schießt sodann beidseitig zweimal in die
Höhe und läuft nach der Mitte zu in langausgezogene, ineinanderwirbelnde Wimpel
aus. Eine zweite kleinere Bandrolle umflattert die vom Datum 1531 und dem
Sonntagsbuchstaben a überhöhte Scheibe, deren geflammtes Sonnenhaupt in der
Mitte den Zeiger aufnehmen soll. Auf dem großen Bande sind die Stundenziffern
und die Tierkreiszeichen angebracht. Aber die Bewegung der Bänder hat sich den
Figuren mitgeteilt, Band und Bilder scheinen die oben mahnende Sentenz illustrieren
zu wollen: „Vt vita sic fugit hora."
Wenn man die virtuos behandelte Bandrolle mit den flott geschwungenen Bändern
auf gewissen Schmuckstücken aus Holbeins englischer Zeit vergleicht2), wenn man
das geflammte Sonnenhaupt neben die Bekrönung der Uhr für Heinrich VIII.3)
hält, wenn man im xylographischen Texte die mehrfach erwähnte Handschrift
wiedererkennt und die Verwandtschaft unserer Figuren mit denen des „Instruments
beider Lichter" berücksichtigt4), so wird die Autorschaft Holbeins zur Gewißheit.
Eine bereits von Passavant vorgenommene5), von Woltmann aber wieder fallen

(1) „Caeterum ut & hoc hic obiter commemorem, fuerunt hactenus nonnulli, qui nie propter hanc
tabulam, quam seorsum excudendam curaui, & a libro se iunxi, adierunt sollicite conuenientes, num
si parieti adhiberetur, & stilus illi iuste infigeretur, diei certam horam atque signum coeleste pro
modulo suo demonstraret, .... quibus omnibus hoc respondemus, . . . nempe nos tabulam illam
solum ob id aedisse, ut studiosi quique formam quandam haberent, quam in pingendis horologiis
imitarentur, tarn & si eandem tabulam ad parallelum Basiliensem iustificauerimus. Non tamen sua-
demus, ut quisquam ea ad solem utatur, cum nedum in sculptura, uerum & in impressura facile
huiusmodi astronomicis instrumentis error accidere possit."

(2) Vgl. etwa His, Dessins d'Ornements Taf. XXXIV und XLI.

(3) Vgl. His, Taf. XLVII.

(4) Vgl. Seite 77, Anmerkung 2.

(5) Peintre-Graveur Nr. 41. — Interessant ist, daß auch Passavant das Blatt erstmalig nur in den
„Rudimenta Mathematica" von 1551 aufgefunden hat.

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