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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 4.1911

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frisch vergoldet, einige Köpfe zeigen Übermalung, etwa in der Art des genannten Meisters, z. B.
Madonna und Kind bei der Anbetung der Könige und sonst hier und da, am stärksten scheint das
Mittelbild oben über der eingefügten Statue, die Taufe Christi, solche Herstellung erfahren zu haben.
Doch der Himmel im Bogenfeld, mit Gottvater und Engeln, gehört einer älteren Periode an, und diese
müßten wir nach den guterhaltenen Bestandteilen als etwa 1380—1400 datieren, und können den Maler
nirgend anders als in Toskana suchen, vielleicht etwas mehr gegen Pisa zu, als in Florenz selbst,
aber ohne Schwierigkeit auch dort in nächster Nachbarschaft, wie Prato oder Pistoja. Es ist ein Zeit-
genosse und naher Kunstgenosse des Meisters der Petruslegende in den Uffizien, dessen Namen man
jetzt kennt, nachdem ich Cavalcaselles Taufe auf Jacopo da Casentino als irrig erwiesen, und sie für
einen Nachahmer des Masolino und Masaccio von geringer Fähigkeit in Anspruch genommen habe
(Masaccio Studien V. 1899). Von demselben Giovanni dal Ponte (1385—1437) besitzt das Musee
Royal in Brüssel noch drei Predellenstücke (Nr. 631). Doch nicht er kann es sein, der hier in Toledo,
ohnehin wohl etwas früher, arbeitet: dazu sind die Darstellungen aus der Geschichte Christi nicht be-
wegt genug, nicht hastig in ihrer Gestikulation wie bei jenem. (Vgl. über ihn Conte Gamba, Rassegna
d'Arte 1904, p. I77ff.)
Links oben sehen wir die Flucht nach Ägypten und darunter die Anbetung der Könige, rechts unten
die Darstellung im Tempel und darüber den zwölfjährigen Jesus im Tempel, in der Mitte wie gesagt
die Taufe Christi, und entbehren die Geburt, die ursprünglich wohl kaum gefehlt haben wird. In dem
Sockel sind fünf schmale Bilder zusammengedrängt: das Gebet am Ölberg, der Judaskuß, die Ver-
leugnung Petri, die Handwaschung des Pilatus und die Kreuztragung. Ob die weitere Folge der
Passion nicht dargestellt war, muß offene Frage bleiben. Die Komposition der vorhandenen Szenen
ist sehr knapp, wie etwa ein italienischer Freskomaler sich notgedrungen auf den kleinen Tafeln
spanischer Altäre behilft, und die großen Heiligenscheine beschränken die Zahl der Figuren ebenso.
Beim Judaskuß drängt sich der Ungetreue in gelbem Mantel von rechts an den Herrn heran, während
links vorn Petrus über Malchus herfällt. Bei der Verleugnung sitzt Petrus ruhig und allein in der
Ecke rechts, zwei Krieger schreiten auf ihn zu und nehmen die Magd in die Mitte, die mit ausge-
streckter Hand auf ihn hinweist. Bei der Handwaschung sitzt Pilatus im Ritterkostüm der Zeit des
Malers links, ein Diener mit Handtuch über der Schulter hält die goldene Schale und gießt aus einer
Kanne das Wasser aus, indeß Christus sich rechts bei Seite drückt. Dieser Diener hat einen Gesichts-
typus, der mit seinen schmalen zugekniffenen Augen eben auch sonst an pisanischen Altarwerken
(auch in Florenz) vorkommt. Die Kreuztragung ist wieder belanglos für die beiden Hauptpersonen
Christus und Maria, dagegen der führende Kriegsknecht von hinten gesehen in seinem rotgelben
Kittel mit Vorliebe hingestellt, obschon flüchtig durchgeführt. Die nämliche Art kennzeichnet sich in
den Hauptbildern, die sonst ihrem Zweck gemäß, sorgfältiger angeordnet sind: Genrefiguren voran,
wo der Gegenstand dies irgend erlaubt, und volkstümliche Motive bevorzugt, gegenüber dem strengen
Stil der Giottoschule. Bei der Darbringung im Tempel ist im Vordergrund ein Halbkreis von zu-
schauenden Knaben angebracht, allesamt von rückwärts gesehen, etwas plumpe Gestalten in breit-
flächigen Kitteln. Der Hohepriester mit spitzer Mitra steht in einem polygonen Ciborium und empfängt
das Kind von der links eintretenden Mutter. Der zwölfjährige Knabe sitzt dagegen zuoberst in einer
eigenen Nische, neben der ein Rundbogenfries noch romanische Erinnerungen weckt. Vor den Stufen
erscheinen von rechts her Maria und Joseph. Den Vordergrund aber nehmen auf Marmorbänken die
Schriftgelehrten ein, in deren mannigfaltig bewegten, zum Teil dunkel gefärbten Köpfen, mit weißen
Tüchern und sonstigem Aufputz, der Maler sein Genüge gefunden hat. Jesus trägt eine hellrosa
Tunica und kehrt seinen blonden Lockenkopf gerade nach vorn; zur Seite links aber steht noch ein
junger Mann von so heroischem Aussehen, daß man ihn trotz der Kopfbinde eher für einen Kriegs-
mann denn als jüdischen Fürsten ansprechen würde. Hier ist ganz die toskanische Tradition bewahrt,
wie sie nach Angelo Gaddi in den Tagen des Starnina noch geübt werden mochte. Ich erinnere
nochmals an die Nikolauslegende in der Kreuzarmkapelle von Sta Croce. Bei der Anbetung der
Könige schaut ein Roß mit so gerührten Augen herein, daß der Anklang an die menschliche Physiog-
nomie nicht größer sein könnte; das vordere dagegen kehrt uns das Hinterteil zu, und auf seinem
Sattel hängt, lässig sich aufstützend, ein Stallknecht, mit einer Grimasse, als habe der Maler versucht,
einen burlesken Zug neben die andächtigen Könige zu setzen. Bei der Flucht nach Ägypten wird die
Eselin, die hier ein Junges neben sich laufen läßt, von einem Knecht sorgsam geleitet, der uns anschaut,
während Joseph, schräg rückwärts gesehen, hinterdrein folgt, nur durch seinen Heiligenschein hervorgehoben.

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