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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 4.1911

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Kopfschütteln der Fachgenossen gefaßt. Es ist die Enthauptung Johannes des
Täufers in der Karlsruher Galerie (Nr. 35, der Ulmer Schule zugeschrieben).
Von meinen früheren Besuchen der Galerie her kann ich mich auf das Bild selbst
nicht mehr besinnen. Meine Überzeugung gründet sich auf den Bruckmannschen
Pigmentdruck, den ich spätestens im Frühjahr 1902 zum ersten Mal zu Gesicht
bekam. Damals stand mein Urteil sofort fest, seitdem ist es noch nicht ein ein-
ziges Mal ins Wanken geraten.
Es ist also meine Überzeugung, um alles noch einmal kurz zusammenzufassen,
daß der Hausbuchmeister, vielleicht ein Ulmer Kind, von 1472 bis mindestens
1475 in Ulm tätig gewesen ist, hauptsächlich als Zeichner für den Verlag von
Johannes Zainer. Dann verschwindet er aus Ulm, taucht um 1480 am Mittelrhein,
in Speier, auf und beschließt dort nach 1505 sein Leben. Es ist möglich, daß der
Weg von Ulm nach Speier über Eßlingen geführt hat, indessen soll das nichts
weiter als eine Vermutung sein.
Sind meine Beobachtungen und die daraus gezogenen Schlußfolgerungen alle
richtig, ist also der Hausbuchmeister der Zeichner der Speierer Holzschnitte, und
sind die Holzschnitte zum Äsop und zu andern Drucken Johann Zainers in Ulm
Jugendwerke von ihm, so ist auch Aussicht vorhanden, daß wir seinen Namen
erfahren werden. Läßt sich in Speirer Urkunden und Akten von etwa 1480 an ein
Maler nachweisen, an dessen Namen die Herkunftsbezeichnung „von Ulm" angehängt
ist, und findet sich im Ulmer Stadtarchiv von 1472 an bis 1475 oder sogar noch bis 1479
(aber keinesfalls mehr 1480!) ein Maler mit demselben Namen wie der in Speier,
so ist es sicher: dies ist der Hausbuchmeister. Zu dem Zwecke müßten erst die
Namen sämtlicher Maler, die in der angegebenen Zeit in Ulm und Speier gelebt
haben, ans Tageslicht gezogen werden. Einen Versuch habe ich gemacht, indem
ich im März 1910 in diesem Sinne eine Anfrage an das Speierer Stadtarchiv rich-
tete. Leider blieb sie ohne Antwort.
Als Anhang noch ein paar Worte über das „mittelalterliche Hausbuch",
das dem Künstler zu seinem Notnamen verhelfen hat. Den Text hat wahr-
scheinlich außer mir kein Kunsthistoriker von Anfang bis zu Ende gelesen, sonst
müßte er auf eine Stelle gestoßen sein, die wenigstens einen kleinen Fingerzeig
gibt, wann ungefähr das Buch geschrieben ist. Seite 19 der Essenweinschen
Ausgabe steht ein Rezept gegen Krebsleiden: „Vor den kreps. Nym 1 kroten
vnd 2 kreps vnd pren das zu pulver in eym hafen, sewe das pul. in den presten,
wesch den presten alwegen mit syner eigen pruntzot, dar in vitriol. roman. in ge-
sotten sy. Das ist dez hertzogen von Luthringen stück, do in sust mit
nicht geholffen kunt." Hier wird also auf die Krankheit eines lothringischen
Herzogs angespielt, die damals vermutlich viel von sich reden machte; es muß
dabei auf Leben und Tod gegangen sein. Damit kann nur die schwere Krank-
heit gemeint sein, von der der allen bekannte Besieger Karls des Kühnen von
Burgund, Herzog Reinhard (Renatus) II. von Lothringen, im Winter 1481/82 be-
fallen wurde und aus der ihn sein Arzt Johann Bonnet errettete. Von der Krank-
heit eines anderen Herzogs ist in der lothringischen Geschichte des XV. Jahr-
hunderts nichts bekannt. Diese Stelle des Hausbuchs kann also nicht vor dem
Jahre 1482 geschrieben sein. Auch der Lautstand der Mundart des ganzen
Buches weist auf die 80 er Jahre. Die Mundart selbst trägt alle Kennzeichen
des Rheinfränkischen an sich, sie gehört nach dem Mittelrhein, wie viele lautliche
Eigentümlichkeiten beweisen, so z. B. das p im Anlaut statt pf (plaster, pan, stamp
statt pflaster, pfan, stampf), das nachschlagende i nach langem a und o (häist, hält

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