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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 4.1911

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statt hast, hat, roit, loit statt rot, lot). Die alten langen Vokale sind in der Um-
bildung zu Diphtongen begriffen, aber die Umbildung ist noch nicht ganz durchge-
führt: das alte din steht noch neben dem neuen dein, win neben wein, riben
neben reiben, brun neben braun, luter neben lauter, uf neben auf, füyr neben feuyr
(Feuer), füycht neben feucht. Die neuen Diphtonge sind bekanntlich am Mittelrhein
erst am Ende des 15. Jahrhunderts völlig durchgedrungen.
Die Zeichnungen des Hausbuches sind in der letzten Zeit von den jüngsten
noch nicht flügge gewordenen Kunsthistorikern zu einem Tummelplatz der Kritik
gemacht worden. Wir haben das Schauspiel erleben müssen, daß sogar die fest-
geschlossene Folge der 7 Planetenbilder auseinandergezerrt und an zwei, sogar
drei Hände verteilt worden ist. Ich glaube im Sinne meiner älteren Fachgenossen
zu sprechen, wenn ich eine derartige Kritik als einen Unfug bezeichne. Mit der
größten Entschiedenheit muß ich ferner Einspruch erheben gegen die von einem
Herrn Bossert vorgenommene Deutung der auf Bl. 21 a des Hausbuchs befindlichen
Inschrift. Wenn es Bossert „mit einigen Umstellungen und mit Zuhilfenahme des
Spiegels" gelungen ist, die Buchstaben „deutlich, ungezwungen und unwiderleglich"
als HENRICH LANG F (ECIT?) zu lesen, so mag er stolz sein auf diese Interpre-
tationskunst, nur darf er nicht den Anspruch erheben, daß sie mit wissenschaft-
licher Beweisführung etwas zu tun hat. Er mag erst beweisen, daß in der zweiten
Buchstabengruppe das letzte Zeichen ein R, in der dritten Gruppe das erste
Zeichen ein G, daß vierte ein L ist. Kann er das, so hat er noch darüber Auf-
schluß zu geben, was das F, der letzte Buchstabe, an dieser Stelle der angeb-
lichen Künstlerinschrift zu suchen hat. Jedenfalls wäre eine deutsche Künstler-
inschrift mit einem fecit am Schluß in dieser Zeit, Anfang oder Mitte der 80 er
Jahre des XV. Jahrhunderts, etwas noch nicht Dagewesenes.
Nachwort. Ich habe in einer Anmerkung schon auf die Ausgabe sämtlicher Holzschnitte des
Drachschen Heilsspiegels hingewiesen, die mit einer Einleitung von Hans Naumann Anfang August
im Verlag von Heitz in Straßburg als 126. Heft der Studien zur deutschen Kunstgeschichte erschienen
ist. Da ich vorläufig der einzige bin, der den Wert der Nachbildungen genau beurteilen kann, wird
man wohl von mir erwarten, daß ich irgendwie zu dieser Ausgabe Stellung nehme. Ich tue es hier-
mit, verzichte aber von vornherein darauf, auch die Einleitung kritisch zu beleuchten.
Am 19. Oktober 1906 fragte ich bei Herrn Paul Heitz in Straßburg an, ob er vielleicht geneigt sei,
die Holzschnitte des Hausbuchmeisters im Drachschen Spiegel der menschlichen Behältnis in getreuen
Nachbildungen zu veröffentlichen. Er antwortete zustimmend. Ein Jahr darauf trat ich der Ausführung
des Planes näher. Mit den Bedingungen des Herrn Heitz konnte ich mich jedoch nicht ganz be-
freunden, besonders gegen die eine, daß die Ausgabe in seinen „Studien zur deutschen Kunst-
geschichte" erscheinen müsse, hatte ich Bedenken, die immer stärker wurden. Ich sagte mir, daß
eine Ausgabe der Holzschnitte des Hausbuchmeisters, so wie wir sie brauchen und wie ich sie mir
gedacht hatte, etwa als Gegenstück zur Ausgabe der Stiche, im Rahmen der andere Ziele verfolgenden
Heitzschen Studien zur deutschen Kunstgeschichte kaum zustande kommen könne. Deshalb setzte ich
die Verhandlungen mit Herrn Heitz nicht weiter fort und gab meinen Plan einer Neuausgabe jener
Holzschnitte in seinem Verlage endgültig auf.
Jetzt also hat Herr Heitz die Ausgabe ohne mich veranstaltet, ob auf eigene Faust oder auf Veran-
lassung jenes Herrn Hans Naumann, der die Einleitung geschrieben hat, das wird mit keinem Worte
gesagt. Die Nachbildungen beweisen, daß meine Bedenken von 1907 berechtigt waren: sie sind zum
großen Teil derart, daß sie die Originale nicht ersetzen können. Für wissenschaftliche Unter-
suchungen genügt die Ausgabe nicht, auf jeden Fall ist sie mit der größten Vorsicht zu gebrauchen.
Das einzige wirkliche Verdienst, das sie beanspruchen darf — ich will das gar nicht in Abrede
stellen — ist, daß sie überhaupt vorhanden ist. Besser etwas, als gar nichts. Die Forschung wird
jetzt viel schneller vorwärtsschreiten können.

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