offenbaren Widerspruch. Wer alle Dokumente,
die sich auf die Künstler beziehen, gelesen hat,
muss wissen, daß nur Giovanni Mro. Dosso ge-
heißen wird, der andere stets nur Battista de Dosso.
In dem schon zitierten Brief von 1520, der Battistas
Anwesenheit in Rom erweist, ist von ihm als „il
fratello del Dosso" die Rede. Danach kann die
Stelle bei Lancelotto nur so verstanden werden, daß
Battista, Bruder des berühmten Malers Dosso (d. h.
des Giovanni genannt Dosso) das Bild gemalt habe.
An der Glaubwürdigkeit des Chronisten, der sich
auch sonst hier — wie an anderen Stellen, wo er
von Werken des Malers spricht — genau unter-
richtet zeigt, zu zweifeln, liegt kein Grund vor.
Er schreibt nieder, was er als Zeitgenosse, der
sich für die Dinge interessierte, in Erfahrung ge-
bracht hat. Daß er den Vornamen ausläßt, also
nicht gewußt hat, gibt keinen Grund ab, seine
Zuverlässigkeit in Frage zu stellen: er hatte eben
nur erfahren, daß der Maler des Bildes Bruder
des in Modena durch schon aufgestellte Altarbilder
wohlbekannten Dosso war.
Daß Battistas Name in jenen Zahlungen fehlt,
ja von Dossos Arbeit an zwei Bildern, die zum
Transport nach außerhalb bestimmt waren (es sind
Bilder für Modena und Reggio) geradezu die Rede
ist, berechtigt uns nicht, Lancellottos Zeugnis ab-
zutun. Denn man sieht aus den von Venturi
publizierten Dokumenten, wie bald dieser, bald
jener der Brüder für gemeinsame Arbeiten Geld-
summen angewiesen erhält.
So muß denn die stilistische Untersuchung ent-
scheiden, und diese führt dahin, daß die Modeneser
Anbetung nicht von dem durch zahlreiche Bilder
bekannten Dosso herrühren kann. Man braucht
nur die Handform einer genauen Betrachtung zu
unterziehen; sie ist auf diesem Bild, bei allen
Figuren übereinstimmend, kraftlos und schwächlich-
klein, während auf Dossos Bildern die ungewöhn-
lich kräftigen, oft fast ungeschlachten Hände auf-
fallen. Ferner: wer einmal den Typus des Kindes
auf den Werken Dossos studiert, der sich in der
Hauptsache gleich bleibt (man vgl. das Christkind
und die Engelsköpfe des Altarbildes im Dom von
Modena mit den entsprechenden Figuren auf der
Madonna mit den H. Georg und Michael und
dem Christkind der Madonna für S. M. della
neve, beide in der Modeneser Galerie), muß zu
dem Schluß kommen, daß das Christuskind, das
auf dem Anbetungsbild am Boden liegt, unmög-
lich von demselben Meister gemalt sein kann.
Es ist vollständig andere Formauffassung, ein
ausgesprochen altertümlicher Zug darin, der etwas
an die älteren Meister von Cremona (Boccaccino,
Monatshefte für Kunstwissenschaft, IV. Jahrg. 1911, Heft 4
Gal. Campi) erinnert. Man könnte die stilistischen
Unterschiede noch an vielen Stellen hervorheben;
es mag an diesen Andeutungen genug sein. Die
vom Verf. vorgebrachten Argumente genügen also
nicht, um die Zweifel an Lancellottos Aussage zu
rechtfertigen.
Als Ausgangspunkt für die Erkenntnis der Stil-
eigentümlichkeiten Battistas nun nimmt Verf.
den „Hieronymus" in Wien, das durch Mono-
gramm beglaubigte Werk % wo das „D—osso" doch
zunächst an denjenigen der Brüder denken läßt,
der allein so geheißen hat. Seine Argumente be-
stehen in einer ungerechtfertigten Herabsetzung
der Qualität des Bildes. Was ihn aber berechtigt,
es zum Ausgangspunkt zu nehmen, ist mir
nicht klar geworden. Eine Reihe von Bildern,
die damit im Zusammenhang stehen, Gutes und
Schlechtes wild durcheinander (wie kann man die
„Ruhe auf der Flucht" im Pal. Pitti und in der
Galerie Czernin zusammenwerfen!), wird auf
das Hieronymus-Bild hin dem Battista gegeben.
Zustimmen kann ich dem Verf. nur darin, daß
mehrere der Bilder seiner Battista-Gruppe eng zu-
sammengehören, daß namentlich das kleinere Bild
der Kirchenväter in Dresden dem Hieronymus eng
verwandt ist. Aber seine These ist völlig will-
kürlich und absolut unbewiesen. Eine Behauptung
ist kein Beweis.
Ebensowenig kann seine Rekonstruktion der
Kunst Giovannis befriedigen. Besitzen wir auch
kein sicheres Jugendwerk, so doch vier Altarbilder,
deren Datum feststeht, und die sich auf zwei
Jahrzehnte seiner Laufbahn verteilen: nämlich das
Bild im Modeneser Dom, 1522 aufgestellt, das-
jenige im Pal. Chigi, früher im Dom von Ferrara,
für 1527 gut beglaubigt, das große Bild der Kirchen-
väter in Dresden, 1532 aufgestellt, und das für die
Confraternita della Morte 1542. Von diesen aus
müßte versucht werden, die künstlerische Entwick-
lung zu zeichnen: eine Aufgabe, deren Lösung
zwar nicht leicht, aber doch möglich wäre. Verf.
aber beginnt den Abschnitt über Giovanni mit
dem ganz willkürlichen Satz: „Das erste historisch
fixierte Bild, welches wir mit Sicherheit dem Dosso
Dossi zuschreiben können, ist die Altartafel beim
Fürsten Chigi in Rom." Warum diese? Warum
nicht das fünf Jahre früher datierte, durch den
Chronisten exakt beglaubigte Altarbild des Doms
zu Modena? Und er läßt sich das gar nicht zu
(1) Verf. selbst besitzt ein mit gleichem Zeichen signiertes
Bild. Da dieses bisher unbekannte Werk doch gewiß
interessant ist, hätte er es unbedingt abbilden sollen. —
Nach Gruyer zeigt ein Bild der Galerie Doria das-
selbe Zeichen. Verf. erwähnt das auch von Berenson in
seine Liste aufgenommene Bild nicht.
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die sich auf die Künstler beziehen, gelesen hat,
muss wissen, daß nur Giovanni Mro. Dosso ge-
heißen wird, der andere stets nur Battista de Dosso.
In dem schon zitierten Brief von 1520, der Battistas
Anwesenheit in Rom erweist, ist von ihm als „il
fratello del Dosso" die Rede. Danach kann die
Stelle bei Lancelotto nur so verstanden werden, daß
Battista, Bruder des berühmten Malers Dosso (d. h.
des Giovanni genannt Dosso) das Bild gemalt habe.
An der Glaubwürdigkeit des Chronisten, der sich
auch sonst hier — wie an anderen Stellen, wo er
von Werken des Malers spricht — genau unter-
richtet zeigt, zu zweifeln, liegt kein Grund vor.
Er schreibt nieder, was er als Zeitgenosse, der
sich für die Dinge interessierte, in Erfahrung ge-
bracht hat. Daß er den Vornamen ausläßt, also
nicht gewußt hat, gibt keinen Grund ab, seine
Zuverlässigkeit in Frage zu stellen: er hatte eben
nur erfahren, daß der Maler des Bildes Bruder
des in Modena durch schon aufgestellte Altarbilder
wohlbekannten Dosso war.
Daß Battistas Name in jenen Zahlungen fehlt,
ja von Dossos Arbeit an zwei Bildern, die zum
Transport nach außerhalb bestimmt waren (es sind
Bilder für Modena und Reggio) geradezu die Rede
ist, berechtigt uns nicht, Lancellottos Zeugnis ab-
zutun. Denn man sieht aus den von Venturi
publizierten Dokumenten, wie bald dieser, bald
jener der Brüder für gemeinsame Arbeiten Geld-
summen angewiesen erhält.
So muß denn die stilistische Untersuchung ent-
scheiden, und diese führt dahin, daß die Modeneser
Anbetung nicht von dem durch zahlreiche Bilder
bekannten Dosso herrühren kann. Man braucht
nur die Handform einer genauen Betrachtung zu
unterziehen; sie ist auf diesem Bild, bei allen
Figuren übereinstimmend, kraftlos und schwächlich-
klein, während auf Dossos Bildern die ungewöhn-
lich kräftigen, oft fast ungeschlachten Hände auf-
fallen. Ferner: wer einmal den Typus des Kindes
auf den Werken Dossos studiert, der sich in der
Hauptsache gleich bleibt (man vgl. das Christkind
und die Engelsköpfe des Altarbildes im Dom von
Modena mit den entsprechenden Figuren auf der
Madonna mit den H. Georg und Michael und
dem Christkind der Madonna für S. M. della
neve, beide in der Modeneser Galerie), muß zu
dem Schluß kommen, daß das Christuskind, das
auf dem Anbetungsbild am Boden liegt, unmög-
lich von demselben Meister gemalt sein kann.
Es ist vollständig andere Formauffassung, ein
ausgesprochen altertümlicher Zug darin, der etwas
an die älteren Meister von Cremona (Boccaccino,
Monatshefte für Kunstwissenschaft, IV. Jahrg. 1911, Heft 4
Gal. Campi) erinnert. Man könnte die stilistischen
Unterschiede noch an vielen Stellen hervorheben;
es mag an diesen Andeutungen genug sein. Die
vom Verf. vorgebrachten Argumente genügen also
nicht, um die Zweifel an Lancellottos Aussage zu
rechtfertigen.
Als Ausgangspunkt für die Erkenntnis der Stil-
eigentümlichkeiten Battistas nun nimmt Verf.
den „Hieronymus" in Wien, das durch Mono-
gramm beglaubigte Werk % wo das „D—osso" doch
zunächst an denjenigen der Brüder denken läßt,
der allein so geheißen hat. Seine Argumente be-
stehen in einer ungerechtfertigten Herabsetzung
der Qualität des Bildes. Was ihn aber berechtigt,
es zum Ausgangspunkt zu nehmen, ist mir
nicht klar geworden. Eine Reihe von Bildern,
die damit im Zusammenhang stehen, Gutes und
Schlechtes wild durcheinander (wie kann man die
„Ruhe auf der Flucht" im Pal. Pitti und in der
Galerie Czernin zusammenwerfen!), wird auf
das Hieronymus-Bild hin dem Battista gegeben.
Zustimmen kann ich dem Verf. nur darin, daß
mehrere der Bilder seiner Battista-Gruppe eng zu-
sammengehören, daß namentlich das kleinere Bild
der Kirchenväter in Dresden dem Hieronymus eng
verwandt ist. Aber seine These ist völlig will-
kürlich und absolut unbewiesen. Eine Behauptung
ist kein Beweis.
Ebensowenig kann seine Rekonstruktion der
Kunst Giovannis befriedigen. Besitzen wir auch
kein sicheres Jugendwerk, so doch vier Altarbilder,
deren Datum feststeht, und die sich auf zwei
Jahrzehnte seiner Laufbahn verteilen: nämlich das
Bild im Modeneser Dom, 1522 aufgestellt, das-
jenige im Pal. Chigi, früher im Dom von Ferrara,
für 1527 gut beglaubigt, das große Bild der Kirchen-
väter in Dresden, 1532 aufgestellt, und das für die
Confraternita della Morte 1542. Von diesen aus
müßte versucht werden, die künstlerische Entwick-
lung zu zeichnen: eine Aufgabe, deren Lösung
zwar nicht leicht, aber doch möglich wäre. Verf.
aber beginnt den Abschnitt über Giovanni mit
dem ganz willkürlichen Satz: „Das erste historisch
fixierte Bild, welches wir mit Sicherheit dem Dosso
Dossi zuschreiben können, ist die Altartafel beim
Fürsten Chigi in Rom." Warum diese? Warum
nicht das fünf Jahre früher datierte, durch den
Chronisten exakt beglaubigte Altarbild des Doms
zu Modena? Und er läßt sich das gar nicht zu
(1) Verf. selbst besitzt ein mit gleichem Zeichen signiertes
Bild. Da dieses bisher unbekannte Werk doch gewiß
interessant ist, hätte er es unbedingt abbilden sollen. —
Nach Gruyer zeigt ein Bild der Galerie Doria das-
selbe Zeichen. Verf. erwähnt das auch von Berenson in
seine Liste aufgenommene Bild nicht.
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