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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 4.1911

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knienden Heilandes dargestellt war. Auf der Rückseite einer fehlenden oberen
Tafel muß das übrige Haupt Christi, und auf der Rückseite von vier weiteren
Tafeln, unter denen sich, nach Langes Ermittlungen, die Darstellung im Tempel
befand, müssen die schlafenden Jünger dargestellt gewesen sein. Daß nicht vier,
sondern in der Tat acht Tafeln in Frage kommen, geht mit Gewißheit daraus
hervor, daß das Fragment mit dem schlafenden Petrus in Ulm 0.75 m breit und
1.37 m hoch, also viel größer wie eine der Tafeln mit den Darstellungen aus der
Kindheitsgeschichte Christi usw. ist.
Aus diesem Befunde ergibt sich folgendes. Der Wengenaltar muß größer und
und einfacher konstruiert gewesen sein, als Lange annahm. Es war ein Wandel-
altar von ähnlicher Gestalt wie der Altar zu Blaubeuren. Im Schreine wahrschein-
lich stehende Heiligenfiguren. Auf den Innenseiten der Innenflügel weitere stehende
Heilige, doch nicht in Relief, wie die entsprechenden Stellen in Blaubeuren, sondern
gemalt. Hiervon sind leider nur geringe Reste erhalten; vom linken Flügel Jacobus
und Bartholomäus, vom rechten Margaretha. Über ihren Häuptern befand sich
jeweils geschnitztes Laubwerk, wie noch 1511 am Adelberger Altar. Waren die
Außenflügel geöffnet, die Innenflügel aber geschlossen, so hatte man, wie in Blau-
beuren, 16 Darstellungen vor sich. Von ihnen sind leider nur acht erhalten, und
zwar in der oberen Reihe Verkündigung (Ulm), Geburt Christi (Stuttgart), Be-
schneidung (Ulm), in der unteren Darstellung im Tempel (Ulm), Himmelfahrt
Christi (Ulm), Hostienwunder (Karlsruhe) Versammlung weiblicher Heiliger (Ulm),
Versammlung männlicher Heiliger (Ulm). Schloß man die beiden Außenflügel, so
hatte man die riesige Darstellung des Ölberges vor sich. Und zwar befanden sich
auf dem linken Flügel, in der rechten unteren Ecke Petrus, weiter nach links
Johannes und Jacobus, auf dem rechten Flügel, Petrus den Rücken kehrend, Christus,
rechts oben der Engel. Eine Kopie des Ölberges gelangte (nach Baum-Pfeiffer,
Oberamt Biberach, Esslingen 1909, S. 130) aus Hürbel angeblich in die Sammlung
des Fürsten Waldburg-Zeil.
Die neue Rekonstruktion ist war wesentlich unvollständiger als jene Langes, doch
dafür weniger hypothetisch. Es fragt sich nur, wohin die fehlenden Teile des
Altares gekommen sind, die schon 1803 nicht mehr vorhanden gewesen sein dürften.
Die Frage nach der Predella (vgl. Lange a. a. O. S. 53of., dagegen Haack,
Kunstchronik 1908, S. 25iff.) soll hier nicht berührt werden. Die alte falsche
Datierung 1478 hat schon Lange richtiggestellt, indem er den Altar zwischen 1489
und 1497 ansetzt. Koch, Zeitbloms reifer Stil, 1909, S. 24, hält dafür daß die
Wengenbilder eine Vorstufe zu einigen der laut Inschrift 1494 vollendeten Bilder
des Blaubeurer Altares bilden. Die sehr nahe Verwandtschaft der Geburt Christi
des Wengenaltares mit der gleichen Darstellung auf den Flügeln des 1497/98
datierten Heerberger Altares und die Raumbehandlung der Wengenbilder, die un-
gefähr die Mitte einhält zwischen der stärkeren Betonung des Dreidimensionalen
in den Blaubeurer und den etwa 1493 bis 1496 gemalten Bingener Tafeln1) einer-
seits, dem flächigen Charakter der 1496 datierten Eschacher Bilder anderseits,
dürften es wohl notwendig erscheinen lassen, den Wengenaltar nicht vor 1495
anzusetzen.
(1) Gegen die Annahme der Entstehung der Bingener Altarflügel um 1493 wäre aus stilistischen
Gründen kein Einwand zu erheben. Indes dürfte der Altar kaum vor 1496 abgeliefert worden sein.
Denn zwei Statuen des erst 1496 begonnenen Ochsenhäuser Altares sind so getreue Kopien der ent-
sprechenden Figuren des Bingener Altares, daß sie jedenfalls nur nach diesen, nicht etwa nach einer
gemeinsamen Vorlage gearbeitet sein können.

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