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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 4.1911

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Evangelienbuch haltende Löwen kommen bei Markus, je Engel, Rind und Adler
gleichfalls mit Buch, aber nur in der Einzahl sonst zur Verwendung. In den
Evangelistenbildern ist die auch hier charakteristisch altsyrische Bogenarkade,
welche als engerer Abschluß in der Handschrift vom Jahre 1113 in den recht-
eckigen Rahmen gesetzt war, aufgegeben, der architektonische Hintergrund aber,
nach späterer byzantinischer Weise, abgesehen von F noch reicher als dort ge-
staltet. Der Evangelistentypus selbst hat dagegen keine wesentliche Änderung er-
fahren. Er ist dreimal derjenige des im Profil sitzenden Autors, welcher aus der
frühchristlich-hellenistischen Kunst vielleicht speziell des kleinasiatischen Nordkreises
stammt1). Nur bei Johannes wird die anscheinend nur sehr selten im armenischen
Evangelienbuchschmuck vermiedene Szene des Diktierens an Prochoros gegeben2).
Im Anschluß an eine bestimmte Spielart antiker Autorendarstellung, welche den
seiner Muse gegenübersitzenden Dichter vorführte8), wird regelmäßig, wie schon
in der Handschrift zu Tübingen, Prochoros links sitzend und der anscheinend ver-
zückte Johannes rechts stehend gegeben, indessen als Zeichen der Inspiration rechts
oben das Symbol der Gotteshand sichtbar wird. Nur in E sitzt infolge einer Typen-
mischung mit dem einfachen Autorenbild vielmehr auch Johannes und zwar links
unter der inspirierenden Hand und Prochoros ihm gegenüber in kleinerer Gestalt
rechts. Der auf byzantinischem Boden durch das Malerbuch vom Athos4) für die
Diktierszene geforderte Schauplatz einer Höhle ist im Gegensatz zu anderen jungen
Denkmälern armenischer Buchmalerei5) niemals gegeben. Was die Haltung der
übrigen Evangelisten betrifft, so ist Markus niemals wirklich schreibend eingeführt,
stützt vielmehr in der Regel nachdenklich das Kinn in die linke Hand. Nur der
Miniator von E hat eine lebendigere Variation dieses bezeichnenden Zuges gewählt,
indem er den Evangelisten eben sein Schreibrohr spitzen läßt. Der Gesichtstyp
ist bei Matthäus derjenige eines Greises mit ziemlich langem und spitz zulaufendem
Bart, bei Markus derjenige der Tübinger Handschrift, bei Lukas hingegen ein weder
mit dieser noch mit dem Evangelium der Mlke übereinstimmender, bei Johannes
der gemeinorientalische des alle anderen Apostel überlebenden, der fast hundert-
jährig sein Evangelium schreibt. Die Symbole, von denen hier F wenigstens den
Engel als Inspirator des Matthäus rechts oben im Brustbild einführt, kehren im
Rahmen des Evangelistenbildes sämtlich nur in E wieder, wobei dann der Engel
vielmehr die Aufgabe bekommt, seinem Evangelisten das Tintengefäß zu halten
(vgl. Taf. 56, Abb. i)6).
Ungleich bedeutsamer als diese Evangelistendarstellungen ist die gleich dem
ornamentalen Schmucke der Kanones auf die vier aus Jerusalem stammenden

(1) Vgl. Strzygowski, Kleinarmenische Miniaturenmalerei S. 5 f.

(2) Sie fehlt beispielshalber innerhalb des Handschriftenmaterials in Jerusalem und Bethlehem nur in
dem Evangelienbuche des Königs Lewon vom Jahre 1263.

(3) Vgl. hierüber in meinem Aufsatz über „Ostsyrisches Christentum und ostsyrischer Hellenismus"
in der Röm. Quartalschrift für christl. Altertumswissenschaft u. für Kirchengeschichte XXII (1908)
S. 17 —35, speziell S. 26 f.

(4) III, S. 384 (ed. Konstandinides Athen 1885. S. 188): ’l&dvvrß 6 Jeoldyog xai cvayyehaifc &v
anQaiw xaSfesvog ßlenet &aran%w§ d'neaSev elg zdu ov^avov usw..

(5) So z. B. einem in Konstinopel hergestellten Evangelienbuche der Jakobuskathedrale von Jahre 1649.
In dem Exemplar des Klosters in Bethlehem vom Jahre 1728 ist wenigstens der Hintergrund einer
felsigen Gebirgslandschaft gegeben.

(6) Gleichfalls alle Symbole innerhalb der Evangelistenbilder selbst weist in Jerusalem nur noch ein

aus Ispahan in Persien stammendes Evangelistar (evangelisches Perikopenbuch) vom Jahre 1721 auf.

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