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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 4.1911

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des ungerechten Richters aus dem Nürnberger Rat-
hause ist jetzt von Josephi im oben zitierten Katalog
der Bildwerke des Germanischen Museums der
bayerischen Schule zugeschrieben, auf die es ja
REZENSIONEN .
FRIEDRICH WOLFF, MichaelPacher.
I. Band. , 143 Aufnahmen auf 96 Tafeln.
Berlin 1909. Verlag Dr. Franz Stoedtner.
So sehr ein Arbeiten ausschließlich nach Photo-
graphien zu falschen Schlüssen führen muß, so
sehr ist andrerseits zu betonen, daß eine ver-
gleichende kunstwissenschaftliche Analyse in den
meisten Fällen erst mit Hilfe eines ausführlichen
und genauen Abbildungsmaterials möglich ist.
Dies gilt in erster Linie von Kunstwerken, die in
Verbindung mit Architektur einen unübersicht-
lichen Reichtum ornamentaler, plastischer und
bildlicher Gestalten zu einem Gesamtaufbau ver-
einigen und vielleicht für das ästhetische Bewußt-
sein einen erschöpfenden Eindruck bieten, aber
dem wissenschaftlichen Blick oft genug Dinge
verbergen, die an sich Kleinigkeiten sind, aber für
die Erkenntnis personaler, stilistischer und lokaler
Zusammenhänge oft die sichersten Merkmale ab-
geben. Dieser erste Band der großen von
Dr. Friedrich Wolff veranstalteten Pacher - Publi-
kation ist mustergültig für die Art, wie mit Hilfe
der Photographie sowohl die Zusammenfassung
und die übersichtliche Gruppierung als auch die
Analyse des Werkes dem Auge erleichtert werden,
das an den großen Hochaltären umherirrte, bald
hierhin bald dorthin gezogen, jetzt in ruhiger
Betrachtung des Einzelnen verweilen und das Ge-
trennte zum Vergleich vereinigen kann. Abgebil-
det sind im Folio-Format in vortrefflichen —
manchmal nur etwas schwer im Ton wirkenden
Lichtdrucken der Firma Frisch — der Altar in der
alten Pfarrkirche in Gries bei Bozen, der Hoch-
altar der Kirche zu St. Wolfgang in Ober-Öster-
reich, der Kirchenväteraltar in der Kgl. Älteren
Pinakothek in München und in der Kgl. Gemälde-
galerie in Augsburg, die Madonna vom Hoch-
altar der Franziskanerkirche in Salzburg und der
Kruzifixus in der Pfarrkirche zu Bruneck. Ganz
methodisch ist der Weg von der Aufnahme des
ganzen Altares zur kleineren Tafel bis hin zum ein-
zelnen Körpergliede genommen. Ein glücklicher
Gedanke ist die isolierte Wiedergabe der aus-
drucksvollen Hände. Durch die Wiedergabe der
ornamentalen, mit Figürchen belebten Umrahmung

auch in der Faltenführung sehr stark hindeutet;
in einem Nachwort wird es dann Hans Leinberger
attribuiert; auch G. von Bezold ist dieser Ansicht.
Vöge.

in einzelnen Abschnitten wird für die Anschauung
das Werk des Künstlers geradezu bereichert. Die
plastischen Hauptstücke entfalten ihren Reichtum
und ihre plastische Energie durch Aufnahmen von
verschiedenen Standpunkten. Der Hauptnachdruck
ist naturgemäß auf die Publikation des großen
Altares von St. Wolfgang gelegt. Ihm gehören
allein 69 Tafeln. So mag es fast unbescheiden
aussehen, wenn man den Wunsch ausspricht, es
möchten auch dem Madonnenrelief der Brustschnalle
des hl. Wolfgang und der Konsole unter S. Georg
noch Detailaufnahmen gewidmet sein. Ist es der
Initiative Dr. Wolffs zu danken, daß nach bisher
unzulänglichen Wiedergaben dieser große Altar
fast restlos publiziert vorliegt, so darf man den
Verfasser und die Kunstwissenschaft beglückwün-
schen, daß Dr. Stoedtner die Ausführung in die
Hand genommen hat und sein reiches Inventar
von Photographien deutscher Plastik und Kunst
um bedeutendste Stücke vermehrt hat. Wer nicht
schon kunstgeschichtlich von Pachers bedeutender
Stellung in der Entwicklung der deutschen Kunst
überzeugt ist, dem wird nach Durchsicht dieses
Tafelbandes klar, daß es der Rechtfertigung einer
so monumentalen Publikation für einen einzelnen
Meister nicht mehr bedarf. Wie bei den größten
Künstlern und bei einem reichen Oeuvre — dessen
Reichtum bei nominell wenigen Stücken ja auch
erst durch die photographische Analyse klar wird —
drängen die Fragen an, nach dem Verhältnis von
Meister- und Schülerarbeit, nach Entwicklung und
Chronologie, nach dem Verhältnis von Architektur,
Plastik und Malerei und ihrer Schöpfer zueinander,
und ob sie dieselbe Stilstufe bezeichnen, oder die
eine Kunst der anderen in der Entwicklung voraus
ist, welche Stufe in der Entwicklung des Quattro-
cento überhaupt der Altar und die Kunst Pachers
einnimmt und in wie hoher Qualität, und schließ-
lich welchen landschaftlichen Kunstkreis er reprä-
sentiert und in welchem Gebiete er historisch wirk-
sam geworden. Denn daß sich hier die drei großen
Kunstkreise des Quattrocento, Niederlande, Deutsch-
land und Italien treffen, ist schon bedeutsam ge-
nug. Aber am aktuellsten ist doch — wie später
bei Dürer — das Verhältnis zu Italien, weil hier
an einem Beispiel entschieden werden muß, wie

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