weit die oberitalienische Kunst, mit der M. Pacher
so stark Fühlung hat, nach dem Norden hin ten-
diert, und somit anders als im Cinquecento die
nordische Kunst als der einflußreichere, gebende
Faktor sich erweisen wird. Auf alle diese Fragen
erwartet man von dem Textband eine Antwort und
ist aufs höchste gespannt, und zugleich wünscht
man, daß er ebenso abschließend sein möge, als
es dieser Tafelband genannt zu werden verdient.
Dr. Richard Hamann.
HANDZEICHNUNGEN ALTER MEI-
STER IM STAEDELSCHEN KUNST-
INSTITUT. Herausgegeben von der
Direktion. Vierte bis siebente Lieferung.
Frankfurt a. M. 1909/10.
Mit Freude begleitet man das gleichmäßige Fort-
schreiten der schönen Publikation, in der die Di-
rektion, mit Geschmack und unter Berücksichtigung
der Interessen des Fachmannes wie des Amateurs,
die wichtigsten Stücke aus der reichhaltigen Samm-
lung allgemein zugänglich macht. Einigermaßen
gleichmäßig sind alle Schulen berücksichtigt; nur
die Vlamen scheinen etwas vernachlässigt, woran
der Zufall der Repräsentation in Frankfurt Schuld
tragen mag. Aus der frühen Epoche der nor-
dischen Schulen rühren ein doppelseitig mit Madon-
nenstudien bezeichnetes Blatt (Lief. IV, Taf. 2/3),
die vielfigurige Kreuzigung (VII, T. 3), deutsch,
letztes Drittel des 15. Jahrh., die wie die Kopie
nach einem ausgezeichneten Bilde aus der Gegend
des Mittelrheins aussieht, und die schöne Stift-
zeichnung auf Pergament her, unter dem Namen
des Dirk Bouts; drei Köpfe alter Männer (V, T. 6),
den Aposteln auf dem Mittelbild des Löwener
Altars verwandt, wenn auch etwas fortgeschrittener.
Man darf hier den signierten Dirk Vellert (VI,
T. 7) einen, wie gewöhnlich, sehr durchgeführten
Scheibenentwurf, und die seltsam komponierten
Szenen aus dem Marienleben von Jakob Cornelisz
van Oostsanen (IV, T. 7) anreihen.
Das deutsche 16. Jahrhundert ist durch vier
Blätter von Dürer — darunter die grandiose Kom-
position des vom Tode überfallenen Ritters (V,
T. 2) — und Arbeiten von Altdorfer, Beham und
Hans von Kulmbach vertreten.
Am stärksten an Zahl und z. T. von ausgezeich-
neter Qualität erscheinen die Holländer: Rembrandt
mit vier Blättern (prachtvoll der trunkene Loth,
voll signiert, von 1633; wie es scheint, dasselbe
Modell, wie in dem frühen Paulus in Nürnberg
(IV, T. 9), ein schöner Metsu, Halbakt einer jungen
Frau (VI, T. 9), ein ungewöhnlich skizzenhaft-freier
Ostade, in toniger Sepiatuschung (VI, T. 8), Blätter
von v. d. Neer, van Goyen, Bega und endlich die
von späterer, doch alter Hand signierte Ansicht
von Delft von Vermeer (IV, T. 10): von dem
gleichen Standpunkt aufgenommen, wie das Bild
im Haag, genau den gleichen Ausschnitt wieder-
gebend wie dieses, jedoch mit veränderter Staffage;
trotzdem kann man Zweifel an der Autorschaft
nicht ganz unterdrücken, so reizvoll das Blatt ist.
Von den Vlamen ist nur ein nicht erfreulicher
Kopf eines Mannes von van Dyck mitgeteilt (V,T.7).
Die Italiener, obschon nicht imposant an Zahl,
stellen lauter gute Kämpen ins Feld. Die um-
brische Trias Perugino, Pinturicchio und Raphael
kann man an den wohlbekannten, sehr typischen
Federzeichnungen untereinander vergleichen. Der
Madonna mit dem hl. Nikolaus von Tolentin von
Raphael (VII, T. 6) gebührt in der Diskussion über
die Jugendentwicklung des Urbinaten eine wichtige
Stelle. Aus dem späten Florentiner Quattrocento
kann man weniges sehen von so hinreißender
Anmut, wie den Jünglingskopf in Silberstiftzeich-
nung (V, T. 4) unter Filippinos Namen, obwohl die
ruhige Vortragsweise eher an Credis Gleichmaß,
als an Filippinos nervöse Art denken läßt; und
dasselbe Lob, in einer andern Epoche, gilt von dem
Blatt mit Studienköpfen von Guercino (VII, T. 5).
Daß das Städelsche Museum sich eines kost-
baren Schatzes französischer Zeichnungen rühmen
darf, tat eine Ausstellung im vergangenen Jahr
dar. Aus dieser Abteilung sind Blätter von Millet
(sehr interessant durch die Anlehnung an die
römische Schule), Boucher und Le Prince mitge-
teilt. Georg Gronau.
W. H. v. d. MÜLBE, Die Darstellung
des jüngsten Gerichtes an den roma-
nischen und gotischen Kirchenpor-
talen Frankreichs. Leipzig 1911. Klink-
hardt & Biermann.
Nimmt man das Buch als eine Sammlung der
plastischen Darstellungen des jüngsten Gerichtes
französischer Kirchen, als ihre Beschreibung und
Vergleichung, so kann man es als eine sorgfältige
und nützliche Arbeit bezeichnen. Auch die zu-
sammenfassende Schlußübersicht orientiert gut über
das gegenständliche Bildmaterial, das in diesen
Portalszenen eine Rolle spielt, und über das räum-
liche Verhältnis in dem die einzelnen Bestandteile
zueinander stehen.
Aber der Anspruch des Verfassers geht doch
weiter. Er gibt im ersten Kapitel eine Übersicht
über diejenigen Darstellungen des jüngsten Ge-
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so stark Fühlung hat, nach dem Norden hin ten-
diert, und somit anders als im Cinquecento die
nordische Kunst als der einflußreichere, gebende
Faktor sich erweisen wird. Auf alle diese Fragen
erwartet man von dem Textband eine Antwort und
ist aufs höchste gespannt, und zugleich wünscht
man, daß er ebenso abschließend sein möge, als
es dieser Tafelband genannt zu werden verdient.
Dr. Richard Hamann.
HANDZEICHNUNGEN ALTER MEI-
STER IM STAEDELSCHEN KUNST-
INSTITUT. Herausgegeben von der
Direktion. Vierte bis siebente Lieferung.
Frankfurt a. M. 1909/10.
Mit Freude begleitet man das gleichmäßige Fort-
schreiten der schönen Publikation, in der die Di-
rektion, mit Geschmack und unter Berücksichtigung
der Interessen des Fachmannes wie des Amateurs,
die wichtigsten Stücke aus der reichhaltigen Samm-
lung allgemein zugänglich macht. Einigermaßen
gleichmäßig sind alle Schulen berücksichtigt; nur
die Vlamen scheinen etwas vernachlässigt, woran
der Zufall der Repräsentation in Frankfurt Schuld
tragen mag. Aus der frühen Epoche der nor-
dischen Schulen rühren ein doppelseitig mit Madon-
nenstudien bezeichnetes Blatt (Lief. IV, Taf. 2/3),
die vielfigurige Kreuzigung (VII, T. 3), deutsch,
letztes Drittel des 15. Jahrh., die wie die Kopie
nach einem ausgezeichneten Bilde aus der Gegend
des Mittelrheins aussieht, und die schöne Stift-
zeichnung auf Pergament her, unter dem Namen
des Dirk Bouts; drei Köpfe alter Männer (V, T. 6),
den Aposteln auf dem Mittelbild des Löwener
Altars verwandt, wenn auch etwas fortgeschrittener.
Man darf hier den signierten Dirk Vellert (VI,
T. 7) einen, wie gewöhnlich, sehr durchgeführten
Scheibenentwurf, und die seltsam komponierten
Szenen aus dem Marienleben von Jakob Cornelisz
van Oostsanen (IV, T. 7) anreihen.
Das deutsche 16. Jahrhundert ist durch vier
Blätter von Dürer — darunter die grandiose Kom-
position des vom Tode überfallenen Ritters (V,
T. 2) — und Arbeiten von Altdorfer, Beham und
Hans von Kulmbach vertreten.
Am stärksten an Zahl und z. T. von ausgezeich-
neter Qualität erscheinen die Holländer: Rembrandt
mit vier Blättern (prachtvoll der trunkene Loth,
voll signiert, von 1633; wie es scheint, dasselbe
Modell, wie in dem frühen Paulus in Nürnberg
(IV, T. 9), ein schöner Metsu, Halbakt einer jungen
Frau (VI, T. 9), ein ungewöhnlich skizzenhaft-freier
Ostade, in toniger Sepiatuschung (VI, T. 8), Blätter
von v. d. Neer, van Goyen, Bega und endlich die
von späterer, doch alter Hand signierte Ansicht
von Delft von Vermeer (IV, T. 10): von dem
gleichen Standpunkt aufgenommen, wie das Bild
im Haag, genau den gleichen Ausschnitt wieder-
gebend wie dieses, jedoch mit veränderter Staffage;
trotzdem kann man Zweifel an der Autorschaft
nicht ganz unterdrücken, so reizvoll das Blatt ist.
Von den Vlamen ist nur ein nicht erfreulicher
Kopf eines Mannes von van Dyck mitgeteilt (V,T.7).
Die Italiener, obschon nicht imposant an Zahl,
stellen lauter gute Kämpen ins Feld. Die um-
brische Trias Perugino, Pinturicchio und Raphael
kann man an den wohlbekannten, sehr typischen
Federzeichnungen untereinander vergleichen. Der
Madonna mit dem hl. Nikolaus von Tolentin von
Raphael (VII, T. 6) gebührt in der Diskussion über
die Jugendentwicklung des Urbinaten eine wichtige
Stelle. Aus dem späten Florentiner Quattrocento
kann man weniges sehen von so hinreißender
Anmut, wie den Jünglingskopf in Silberstiftzeich-
nung (V, T. 4) unter Filippinos Namen, obwohl die
ruhige Vortragsweise eher an Credis Gleichmaß,
als an Filippinos nervöse Art denken läßt; und
dasselbe Lob, in einer andern Epoche, gilt von dem
Blatt mit Studienköpfen von Guercino (VII, T. 5).
Daß das Städelsche Museum sich eines kost-
baren Schatzes französischer Zeichnungen rühmen
darf, tat eine Ausstellung im vergangenen Jahr
dar. Aus dieser Abteilung sind Blätter von Millet
(sehr interessant durch die Anlehnung an die
römische Schule), Boucher und Le Prince mitge-
teilt. Georg Gronau.
W. H. v. d. MÜLBE, Die Darstellung
des jüngsten Gerichtes an den roma-
nischen und gotischen Kirchenpor-
talen Frankreichs. Leipzig 1911. Klink-
hardt & Biermann.
Nimmt man das Buch als eine Sammlung der
plastischen Darstellungen des jüngsten Gerichtes
französischer Kirchen, als ihre Beschreibung und
Vergleichung, so kann man es als eine sorgfältige
und nützliche Arbeit bezeichnen. Auch die zu-
sammenfassende Schlußübersicht orientiert gut über
das gegenständliche Bildmaterial, das in diesen
Portalszenen eine Rolle spielt, und über das räum-
liche Verhältnis in dem die einzelnen Bestandteile
zueinander stehen.
Aber der Anspruch des Verfassers geht doch
weiter. Er gibt im ersten Kapitel eine Übersicht
über diejenigen Darstellungen des jüngsten Ge-
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