richtes, die seinem Gebiet voraufgehen, und da-
mit ordnet er gewissermaßen die Portaldarstellungen
in die Gesamtentwicklung ein. Er kommt hierbei
zu der hohen Schätzung, daß es die Aufgabe dieser
Plastik war, ein einheitliches Weltgerichtsbild zu
schaffen und daß die französische Gothik diese
Aufgabe nicht nur gelöst, sondern damit einen
Höhepunkt der Entwicklung geschaffen hat, der
nur von einem zweiten durch Michelangelo abge-
löst worden ist. Dem muß man entgegnen, daß
die gothischen Portalreliefs und das Fresko Michel-
angelos garnicht auf derselben Linie liegen, son-
dern, daß der mittelalterlichen Malerei, besonders
der Monumentalmalerei, eine ebenso große Bedeu-
tung, ja, wohl eine größere auf dem Wege zu
diesem Ziele zukommt, als der Plastik, jedenfalls
entwickelt sich das jüngste Gericht Michelangelos
aus seinen gemalten und nicht gemeißelten Vor-
läufern, wenn uns auch aus der gothischen Zeit
weniger gemalte Beispiele als plastische erhalten
sind. Man kann auch den Einspruch dagegen er-
heben, daß die Lösung in den gothischen Portalen
wohl eine für die Architektur zweckmäßige, aber
im Sinne einer geschlossenen Darstellung keine
befriedigende ist. Eine solche Streifenkomposition
verhindert selbst bei der Steigerung, die in der
krönenden Figur des Richters liegt, eine volle Zu-
sammenfassung, Die deutschen Portale haben sich
gegen diese scharfe Trennung gewehrt, wie ja
überhaupt die deutsche Gothik fast immer mehr
zu den gemalten und gezeichneten Ahnen und
Geschwistern hält als es die französische tut. In
den Portalfeldern von Bamberg, Rottweil, Ulm hat
man die strengen Horizontalteilungen zu vermeiden
gesucht, was dem Bildcharakter zum Vorteil diente.
Von Michelangelo geht die Entwicklung weiter zu
den Venezianern und zu Rubens, der Weltenrichter
rückte in die Ferne und der Raum wächst. Die
gothischen Tympane sind nur eine spezielle archi-
tektonische Ausgestaltung.
Merkwürdig ist es, daß der Verfasser sagt (S. 14),
daß „die byzantinische Kunst in der Entwicklung
der Bilder im Abendlande keine Rolle gespielt
hat". Gerade für die gothischen Portale hat die
byzantinische Kunst Hauptbestandteile geliefert,
wenn auch erst indirekt. Die Gruppierung Christi
zwischen Maria und Johannes dem Täufer ist ein
rein byzantinischer Faktor. Die Franzosen haben
allerdings, worauf der Verfasser aufmerksam macht,
den Evangelisten vielfach an Stelle des Täufers
gesetzt, ein Beweis mehr, daß ihnen die Zusam-
menstellung fremd war, während Maria und Jo-
hannes der Evangelist neben dem Kruzifix als
eine geläufige Gegenüberstellung galt. Auch in
Monatshefte für Kunstwissenschaft, IV. Jahrg. 19x1, Heft 6.
der Miniaturmalerei wird gerade um die Zeit der
starken Byzantinismen um 1200 die Einführung
der Jungfrau und des Täufers gebräuchlich, zu-
weilen mit noch viel eindringlicheren Merkmalen
vereinigt wie dem Feuerstrom, der von Christi
Thron ausgeht. Auch der Höllenrachen, ein ziem-
lich fester Bestandteil der Portaldarstellungen, geht
in letzter Linie auf orientalische Quellen zurück,
auf die Repräsentation des Hades oder Inferus, wie
es zuerst als ganze Figur, dann als großer mensch-
licher Kopf vorkommt (wie z. B. im Utrechtpsalter
oder in dem frühen Elfenbeinrelief im Kens. Mus.
der Verfasser S. 17 beschreibt — es ist hier noch
immer ein Menschenkopf, wenn auch ein etwas
ungeheuerlicher, der schließlich zum tierischen
Rachen wird. Auch die Idee der Streifenkompo-
sition, die sich die gothische Architektur zunutze
macht, geht auf den Osten zurück. Daß diese
Quellen nicht gewürdigt werden, ist ein Mangel.
Dagegen zeigt der Verfasser ein ästhetisches
Feingefühl in der Beurteilung der Formen, wenn
auch das künstlerische Reinprodukt der vorge-
führten Entwicklung, das er auf S. 83 schildert,
eigentlich nur für Paris zutrifft, so daß die da-
malige Zeit sich eines ganz festen Zieles doch
wohl kaum klar bewußt gewesen zu sein scheint;
wenigstens möchte man dies daraus schließen, daß
die Variationen auch nach Paris noch stark aus-
einandergehen. Adolf Goldschmidt.
JOSEPH WÜNSCH: Blasius Höfel,
Geschichte seines Lebens und
seiner Kunst und Verzeichnis seiner
Werke. Mit 14 Tafeln, Wien 1910.
Gesellschaft für vervielfältigende Kunst.
Die großen sozialen und geistigen Revolutionen
am Ende des 18. Jahrhunderts äußern sich auch
in einer Veränderung der künstlerischen Produk-
tionsbedingungen und zwar nicht am wenigsten
in der neuen Stellung, welche die graphischen
Künste im 19. Jahrhundert einnehmen. Während
einerseits der Kupferstich und die ihm verwandten
Techniken, deren Erzeugnisse vor allem Gegen-
stand des Sammelns vornehmer Liebhaber waren,
zurücktreten und zeitweise fast den Aussterbeetat
erreichen, entstehen andererseits neue, billigere
Reproduktionsverfahren wie die Lithographie oder
der aus England importierte Stahlstich oder es
werden ältere, in Vergessenheit geratene wieder
anfgegriffen und mit neuen künstlerischen Ab-
sichten versehen, wie der Holzschnitt — lauter
Techniken die dann bis zur allgemeinen Ein-
führung der photographischen Reproduktionsmetho-
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281
mit ordnet er gewissermaßen die Portaldarstellungen
in die Gesamtentwicklung ein. Er kommt hierbei
zu der hohen Schätzung, daß es die Aufgabe dieser
Plastik war, ein einheitliches Weltgerichtsbild zu
schaffen und daß die französische Gothik diese
Aufgabe nicht nur gelöst, sondern damit einen
Höhepunkt der Entwicklung geschaffen hat, der
nur von einem zweiten durch Michelangelo abge-
löst worden ist. Dem muß man entgegnen, daß
die gothischen Portalreliefs und das Fresko Michel-
angelos garnicht auf derselben Linie liegen, son-
dern, daß der mittelalterlichen Malerei, besonders
der Monumentalmalerei, eine ebenso große Bedeu-
tung, ja, wohl eine größere auf dem Wege zu
diesem Ziele zukommt, als der Plastik, jedenfalls
entwickelt sich das jüngste Gericht Michelangelos
aus seinen gemalten und nicht gemeißelten Vor-
läufern, wenn uns auch aus der gothischen Zeit
weniger gemalte Beispiele als plastische erhalten
sind. Man kann auch den Einspruch dagegen er-
heben, daß die Lösung in den gothischen Portalen
wohl eine für die Architektur zweckmäßige, aber
im Sinne einer geschlossenen Darstellung keine
befriedigende ist. Eine solche Streifenkomposition
verhindert selbst bei der Steigerung, die in der
krönenden Figur des Richters liegt, eine volle Zu-
sammenfassung, Die deutschen Portale haben sich
gegen diese scharfe Trennung gewehrt, wie ja
überhaupt die deutsche Gothik fast immer mehr
zu den gemalten und gezeichneten Ahnen und
Geschwistern hält als es die französische tut. In
den Portalfeldern von Bamberg, Rottweil, Ulm hat
man die strengen Horizontalteilungen zu vermeiden
gesucht, was dem Bildcharakter zum Vorteil diente.
Von Michelangelo geht die Entwicklung weiter zu
den Venezianern und zu Rubens, der Weltenrichter
rückte in die Ferne und der Raum wächst. Die
gothischen Tympane sind nur eine spezielle archi-
tektonische Ausgestaltung.
Merkwürdig ist es, daß der Verfasser sagt (S. 14),
daß „die byzantinische Kunst in der Entwicklung
der Bilder im Abendlande keine Rolle gespielt
hat". Gerade für die gothischen Portale hat die
byzantinische Kunst Hauptbestandteile geliefert,
wenn auch erst indirekt. Die Gruppierung Christi
zwischen Maria und Johannes dem Täufer ist ein
rein byzantinischer Faktor. Die Franzosen haben
allerdings, worauf der Verfasser aufmerksam macht,
den Evangelisten vielfach an Stelle des Täufers
gesetzt, ein Beweis mehr, daß ihnen die Zusam-
menstellung fremd war, während Maria und Jo-
hannes der Evangelist neben dem Kruzifix als
eine geläufige Gegenüberstellung galt. Auch in
Monatshefte für Kunstwissenschaft, IV. Jahrg. 19x1, Heft 6.
der Miniaturmalerei wird gerade um die Zeit der
starken Byzantinismen um 1200 die Einführung
der Jungfrau und des Täufers gebräuchlich, zu-
weilen mit noch viel eindringlicheren Merkmalen
vereinigt wie dem Feuerstrom, der von Christi
Thron ausgeht. Auch der Höllenrachen, ein ziem-
lich fester Bestandteil der Portaldarstellungen, geht
in letzter Linie auf orientalische Quellen zurück,
auf die Repräsentation des Hades oder Inferus, wie
es zuerst als ganze Figur, dann als großer mensch-
licher Kopf vorkommt (wie z. B. im Utrechtpsalter
oder in dem frühen Elfenbeinrelief im Kens. Mus.
der Verfasser S. 17 beschreibt — es ist hier noch
immer ein Menschenkopf, wenn auch ein etwas
ungeheuerlicher, der schließlich zum tierischen
Rachen wird. Auch die Idee der Streifenkompo-
sition, die sich die gothische Architektur zunutze
macht, geht auf den Osten zurück. Daß diese
Quellen nicht gewürdigt werden, ist ein Mangel.
Dagegen zeigt der Verfasser ein ästhetisches
Feingefühl in der Beurteilung der Formen, wenn
auch das künstlerische Reinprodukt der vorge-
führten Entwicklung, das er auf S. 83 schildert,
eigentlich nur für Paris zutrifft, so daß die da-
malige Zeit sich eines ganz festen Zieles doch
wohl kaum klar bewußt gewesen zu sein scheint;
wenigstens möchte man dies daraus schließen, daß
die Variationen auch nach Paris noch stark aus-
einandergehen. Adolf Goldschmidt.
JOSEPH WÜNSCH: Blasius Höfel,
Geschichte seines Lebens und
seiner Kunst und Verzeichnis seiner
Werke. Mit 14 Tafeln, Wien 1910.
Gesellschaft für vervielfältigende Kunst.
Die großen sozialen und geistigen Revolutionen
am Ende des 18. Jahrhunderts äußern sich auch
in einer Veränderung der künstlerischen Produk-
tionsbedingungen und zwar nicht am wenigsten
in der neuen Stellung, welche die graphischen
Künste im 19. Jahrhundert einnehmen. Während
einerseits der Kupferstich und die ihm verwandten
Techniken, deren Erzeugnisse vor allem Gegen-
stand des Sammelns vornehmer Liebhaber waren,
zurücktreten und zeitweise fast den Aussterbeetat
erreichen, entstehen andererseits neue, billigere
Reproduktionsverfahren wie die Lithographie oder
der aus England importierte Stahlstich oder es
werden ältere, in Vergessenheit geratene wieder
anfgegriffen und mit neuen künstlerischen Ab-
sichten versehen, wie der Holzschnitt — lauter
Techniken die dann bis zur allgemeinen Ein-
führung der photographischen Reproduktionsmetho-
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