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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 4.1911

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den im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts das
Bedürfnis nach künstlerischer und wissenschaft-
licher Illustration zu decken hatten.
Etwas anders als im deutschen Reich vollzog
sich diese Entwicklung in dem durch das Regime
der Restaurationsperiode geistig stärker unter-
bundenen Österreich. Das Leben und die Schick-
sale Blasius Höfels spiegeln sie deutlich wieder*
Seine Studienzeit fiel noch in jene späte Blüte-
periode der Wiener Akademie, in welcher die
letzten Vertreter der alten italienisch-französischen
Barocktradition, wie der Bildhauer J. B. Hagenauer,
der Kupferstecher Joh. Jak. Schmutzer, den Wan-
del zum Klassizismus durchmachen, wo die letzten
großen Barockmeister wie der Kremser Schmidt,
(f 1801) oder Maulpertsch (J- 1796) abgelöst wer-
den von dem Purismus einer christlich - romanti-
schen Richtung, die den Stil des 15. und 16. Jahr-
hunderts wieder aufzuleben vermeinte. Höfels
Lehrer, dann auch Schwiegervater, war der
Schmutzer - Schüler Quirin Mark, ein technisch
solider, künstlerisch jedoch wenig bedeutender
Akademiker, der erst kürzlich von A. Czempin in
einer Wiener Dissertation behandelt worden ist.
Höfels weitere Entwicklung, wie sie der Ver-
fasser mit liebevoller Beachtung aller biographi-
schen Details darstellt, liegt in dem Kampf dieses
Mannes für die alte Tradition des Kupferstichs,
die im Begriffe stand von der künstlerisch minder-
wertigen Lithographie verdrängt zu werden. So
ist er in Österreich zum Erneuerer des seit dem
17. Jahrhundert gänzlich in Verfall geratenen Holz-
schnitts geworden, den er aber in ganz mißverständ-
licher Weise nun bloß als Surrogat des Kupfer-
stichs und in Nachahmung seiner Technik ver-
wendet. Historische Bedeutung erlangen diese Be-
mühungen erst durch Höfels Ausbildung des Farben-
holzschnitts und des Drucks mit Tonplatten, Tech-
niken die er ebenfalls als erster in Österreich aus-
übte und neben welchen das für jene Zeit sehr
charakteristische Experimentieren mit den ver-
schiedensten anderen, jetzt zum Teil bereits ver-
gessenen Techniken — Stahlstich, Schabkunst,
Elfenbeinschnitt, „Polytypie" — keine Rolle spielt.
Neben diesem eigentlich künstlerischen Werde-
gang Höfels nehmen in der Darstellung noch seine
vom Fürsten Metternich angeregten technischen
Erfindungen eines Verfahrens zur Verkleinerung
oder Vergrößerung gestochener Platten, ferner einer
„Reliefmaschine", sowie seine Schicksale als Buch-
drucker einen breiteren Raum ein. Beigefügt ist
der Biographie außer einigen dokumentarischen
Beilagen ein musterhaft gearbeiteter Katalog seiner
sämtlichen graphischen Werke.

Da Bl. Höfel nur reproduzierender Künstler war
und kein Blatt eigener Komposition von ihm be-
kannt ist, wird vielleicht eine eigentlich kunst-
historische Behandlung seines Stils nicht vermißt
werden. Dennoch glaube ich, daß in ihrem Feh-
len ein Hauptmangel der Darstellung liegt. Das
Werk des reproduzierenden Künstlers gibt ja, viel-
leicht sogar mehr als das des originell produzie-
renden Meisters, ein universales Bild der Kunst-
absichten einer Epoche. Er ist ihr Interpret. Er
prägt das Gold der großen Geister der Kunst in
die Scheidemünze des populären Kunstbesitzes
einer Zeit um. Nun geht ja der Verfasser aller-
dings auf die historischen Zusammenhänge ein,
indem er im I. Kapitel eine kurze Geschichte des
Kupferstiches in Wien bis 1820, im IV. Kapitel
eine solche der Entwicklung des Holzschnitts in
Deutschland bis 1845 gibt. Das sind jedoch Er-
örterungen, die nur der nächsten Orientierung
dienen, und von einem tieferen Erfassen des Ge-
samtproblems sehr weit entfernt sind. Man sage
nicht, daß die bescheidene monographische Be-
handlung eines Mannes wie Höfel nicht not-
wendigerweise zum Spiegel der allgemeinen kunst-
historischen Probleme gemacht werden müsse.
Es gibt keine Darstellung, die so speziell, so nur
auf das Persönliche einer Erscheinung der Kunst-
geschichte gerichtet ist, daß sie dieser Forderung
entgehen dürfte. Die geringste Zeichnung eines
Stümpers ist eben noch bedeutend genug, um in
der Hand des Kunsthistorikers zur Erkenntnis-
quelle eines Problems zu werden. Bei einer Er-
scheinung wie Höfel liegt das Problematische nun
nicht bloß darin, daß er einen historischen Typus
repräsentiert, was der Verfasser ebenfalls gar nicht
recht zur Anschauung bringt, sondern auch rein
kunsthistorisch in seinem Stil und in dem seiner
Originale. Es genügt nicht, wenn der Verfasser
die goldenen Worte schreibt, bei welchen man
das Rauschen der Binsen hört, daß sein Held „sehr
wohl wußte, daß bei der reproduzierenden Kunst
ein vortreffliches Original den halben Erfolg be-
deute." Wir wollen auch von den Originalen
selbst hören, wir wollen den Verfasser über den
historischen Sinn, der gerade in der Wahl dieser
Originale liegt, vernehmen, wir wollen wissen, welche
stilistische Bedeutung ein bestimmter Wandel in
der Technik einer reproduzierenden Kunst hat.
Wie hat der Künstler das Original interpretiert?
Was hat er selbst darin gesehen? Es genügt auch
nicht, wenn uns mit einiger Naivetät versichert
wird (Pag. 66) die Holzschnitte zu den „Legenden
der Heiligen" seien „einheitlich im Stil der Blüte-
zeit des altdeutschen Holzschnittes" entworfen.

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