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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 4.1911

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Wenn auch die urkundlichen Quellen schweigen, so ist das doch noch lange
nicht der Dinge letzter Schluß. Die Bauten reden aus den Steinen heraus eine
Sprache für sich, der bei dem Charakter der mittelalterlichen Quellen überhaupt
schon an sich mehr Beweiskraft zukommt. Und aus diesem Gesichtspunkte, durch-
drungen von dem Werte der rein baugeschichtlichen Untersuchung, hat Verfasser
nachfolgenden Versuch angestellt, größere Klarheit in die Geschichte der frühen
normännischen Rippengewölbe zu bringen.
Da ich glaube, in Lessay und in der Trinite zu Caen sehr frühe Gewölbe nach-
weisen zu können, so folgt zunächst eine Art kurzer monographischer Bearbeitung
dieser beiden bedeutenden Bauten, woran sich weiter eine vergleichende Zusammen-
fassung anschließen soll.
I. DIE ABTEIKIRCHE VON LESSAY (Manche)
Der Plan der Kirche1) bietet nichts sonderlich Interessantes. Er könnte als Typus
jener auf normännischem Boden sich fast stets wiederholenden Anlage dienen, die
als Charakteristikum der Schule genügend bekannt ist. Auch der Aufriß mit seiner
einfachen Dreiteilung zeigt als solcher nichts Außergewöhnliches. Unser Interesse
konzentriert sich vielmehr allein auf die Wölbung und ihre Entstehungsgeschichte.
Man hatte bei der Grundsteinlegung zunächst nicht auf eine solche gerechnet,
sondern eine flachgedeckte Basilika mit nur gewölbten Seitenschiffen aufführen
wollen. Tatsächlich sind nach diesem im Anfang aufgestellten Plan nur der Chor,
das Querhaus und die beiden letzten Joche des Schiffes bis zur Höhe des Licht-
gadens vollendet worden. Die übrigen Teile des Schiffes gehören offenbar einer
späteren Zeit mit neuen Ideen an. Wenn man auch nur wenig an der allgemeinen
Aufteilung der Hochschiffswände änderte, so wurde doch die innere Struktur auf
eine ganz neue Basis gestellt: Man nahm jetzt von Grund aus auf Gewölbe und
zwar, wie nicht bezweifelt werden kann, auf Rippengewölbe Rücksicht. Anstatt
der älteren % Säulen steigen von der Innenseite der Pfeiler Pilaster in die Höhe,
die zu beiden Seiten von 1/4 Säulen eingefaßt sind, so daß die nötigen Unter-
stützungen für Gurte und Rippen damit gegeben und klar voneinander geschieden
sind (Abb. i und 5). Anders als der erste Plan es wollte, ist aber die ganze Kirche
gewölbt, und hier beginnt die bisher ganz einfache Sachlage sich gefährlich zu kom-
plizieren: Es zeigen nämlich Chor, Querhaus und das letzte Joch des Schiffes primi-
tivere Rippengewölbe als die erwähnten späteren Teile des Schiffes.
Wir haben also im Unterbau und im Oberbau ältere und jüngere Teile. Ihr
gegenseitiges Verhältnis zu bestimmen ist die Aufgabe.
In der jüngsten Arbeit über die Kirche von Lessay im Congres Archeologique
von 1908 ist diese Frage nicht beantwortet worden. Lefevre-Pontalis schreibt
dort: „Man kann dem Ende des XI. Jahrhunderts die Apsis, das Querhaus, den
Unterbau des Vierungsturmes und die drei letzten (Versehen! Gemeint sind die
zwei letzten) Joche des Schiffes zuweisen. Die Fassade, die vier ersten Joche des
Schiffes und das obere Stockwerk des Vierungsturmes müssen dem zweiten Viertel
(1) Weder Erwähnung noch Abbildungen bei Dehio-Bezold. Grundriß und teilweiser Aufriß bei
Ruprich-Robert, L'architecture normande; ferner im Congres Archeologique Caen 1908, p. 244^ Der
im letztgenannten Werke gebotene Grundriß ist z. T. ungenau. Dort auch eine Abbildung der Wölbung
im nördlichen Querhaus. Cf. Die Photographien der Commission des Monuments Historiques
Nr. 1541 —1545 und 12717. Davon Nr. 1545 wiedergegeben bei Baum, Romanische Baukunst in
Frankreich, p. 199. Ganz oberflächliche Äußerungen über die Kirche bei Porter, Medieval Architecture I, 296.
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