zu einer wissenschaftlichen Frage mußte er aus
Eigenem Stellung nehmen: über das Verhältnis
des Meisters J. B. zu Georg Pencz. Seitdem zu-
erst die Identität der Beiden wahrscheinlich ge-
macht wurde, ist sie dann meist als leidlich sicherer
Erwerb angenommen worden. So von Paul Kri-
steller. Unser Waldmann erörtert die Frage in
sachlicher Ruhe und mit angemessener Ausführ-
lichkeit, um schließlich die Einheit der beiden
Stecher mit starken Worten abzulehnen. Nach
meiner Überzeugung hat er falsch entschieden.
Daß äußere Umstände vortrefflich stimmen (Georg
Pencz wird in Urkunden Jörg Bens genannt, die
mit J. B. bezeichneten Stiche hören etwa zu der
Zeit auf, in der die mit G. P. bezeichneten begin-
nen), gibt Waldmann zu, wie überhaupt das Ver-
lockende der Hypothese. Aber er konstruiert eine
so auseinanderlaufende Verschiedenheit des Tem-
peraments, die die Zusammenfassung des J. B. und
des Pencz zu einem Individuum unmöglich mache.
Zur Basis dieser Konstruktion dient die aus ästhe-
tischer Bewertung gewonnene Erhöhung des J. B.
und Erniedrigung des Pencz. Aus dieser Beweis-
führung ein Beispiel: Die beiden Runde des J. B.,
der Dudelsackpfeifer und der Marktbauer, werden
als Musterstücke der Komposition im Rund aufge-
stellt. Von letzterem wird gesagt: „Es handelte
sich darum, drei stehende Figuren in das Rund
zu bringen. Durch ganz feine Komposition ist es
dem Künstler gelungen. Ein wenig Neigung der
Außenkonturen gegeneinander und ein leises Ab-
schwellen von den Seiten her, eine unmerkliche
Parallele zum Bildrand auf der rechten Seite, und
eine Anordnung der Figuren in vorn offenem
Halbkreis... Man versuche, sich die Szene in
quadratischem Rahmen übersetzt zu denken und
man begreift erst, wieviel künstlerische Weisheit
hier am Werke war". Im Gegensatz hierzu wird
Penczens Rundform so abgeurteilt: „Georg Pencz
verrät in seiner runden Folge der sieben Barm-
herzigkeiten, daß ihm das Wesen der Rundkompo-
sition nicht ganz klar geworden ist. Er kann die
Szene nicht richtig ausscheiden, nie hat man den
Eindruck des vollkommen Fertigen, sondern man
vermißt meistens an den Seiten der Komposition
noch etwas... Pencz hat den neuen Wert der
Vertikale für die Rundkomposition noch nicht be-
griffen... Wer einmal (der J. B.) Rundkompo-
sitionen von der Feinheit des Passionsmedaillons
und von der Vollendung des Marktbauern geschaf-
fen hat, der kann doch dieses ihm angeborene
Gefühl für Harmonie und Gleichgewicht nicht auf
einmal verleugnen und gegen die Fundamente der
Kompositionskunst so sündigen, wie Pencz es in
seinen Barmherzigkeiten getan hat". Es war sehr
unvorsichtig, solche Urteile in einem Buch zu
veröffentlichen, das in vorzüglichen Abbildungen
die Möglichkeit zu augenblicklicher Kontrolle bietet.
Denn der Leser, der die zitierten Stellen einge-
nommen hat, wird nun die gepriesenen Runde des
J. B. auf den Tafeln 38 und 39 mit den getadelten
des Pencz auf den Tafeln 50 und 51 in Vergleichung
stellen und muß dann, sofern er harmlos und
nicht voreingenommen ist, ausrufen: Ei der Tau-
send, das stimmt ja nicht, das ist doch bei beiden
angeblich verschiedenen Künstlern eine völlig iden-
tische Art der Rundkomposition, übrigens das ge-
läufige Schema, an dem es nichts besonderes zu
bewundern gibt. Die formale Übereinstimmung
der zwei Rundgruppen ist so groß, daß daraus nur
ein Argument für die Einheit der Künstler ge-
nommen werden kann. Nicht viel besser steht es
mit den andern Argumenten Waldmanns für die
Zweiheit, die ihm den J. B. sehr fein und voll-
kommen und den Pencz sehr mittelmäßig erscheinen
lassen. Pencz sei immer merklicher Schüler Dürers,
J. B. sei das gar nicht. Nun hat aber der J. B. einen
Stich Dürers kopiert, er hat eine Zeichnung Dürers
zu einer allegorischen Darstellung benutzt. Auf
dem Marktbauern sind die Hauptfiguren die Frau
mit der Haube und der Bauer mit dem Sack so
dürerisch, daß man meinen könnte, die exakten
Vorbilder hierzu im Werk Dürers finden zu müssen.
Das ist kein vereinzeltes Beispiel. Vielmehr ist
bei genauer Prüfung festzustellen, daß der J. B. im
gleichen Grade wie Pencz von Dürer bestimmt
wird. Nun der Hauptgrund: Der J. B. sei italieni-
scher Renaissancegedanken voll gewesen, er gebe
italienische Formen. Der Pencz aber (dessen Stiche
ja später fallen als die J. B.-Blätter) sei nur ein
äußerlicher Nachahmer des italienischen Geistes.
Dieses Nacheinander sei für ein Künstlerleben
unmögliche Annahme. Derselbe Leser, der vor-
hin ei der Tausend! gerufen hat, wird jetzt im
Buch zurückschlagen und über die letzte Phase in
der Entwicklung Hans Sebald Behams gesagt
finden: „Er vergaß sein Bestes. Die Phantasie
verließ ihn nur zu bald. Das letzte Jahrzehnt ist
ein Versinken in die ebenen Gebiete des kalten
Virtuosentums". Hier ist also für Beham zuge-
standen, was für Pencz unmöglich erscheint.
Zwischen den frühen und den späten Arbeiten des
Beham waltet kein anderer Unterschied, als zwischen
J. B. und Pencz, Wenn der (freilich noch nie
aufgestellten) Hypothese, die frühen Stiche des
Hans Sebald und die späten seien Arbeiten ver-
schiedener Hände, ein verteidigender Waldmann
erstünde, so könnte er diese Sache mit demselben
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Eigenem Stellung nehmen: über das Verhältnis
des Meisters J. B. zu Georg Pencz. Seitdem zu-
erst die Identität der Beiden wahrscheinlich ge-
macht wurde, ist sie dann meist als leidlich sicherer
Erwerb angenommen worden. So von Paul Kri-
steller. Unser Waldmann erörtert die Frage in
sachlicher Ruhe und mit angemessener Ausführ-
lichkeit, um schließlich die Einheit der beiden
Stecher mit starken Worten abzulehnen. Nach
meiner Überzeugung hat er falsch entschieden.
Daß äußere Umstände vortrefflich stimmen (Georg
Pencz wird in Urkunden Jörg Bens genannt, die
mit J. B. bezeichneten Stiche hören etwa zu der
Zeit auf, in der die mit G. P. bezeichneten begin-
nen), gibt Waldmann zu, wie überhaupt das Ver-
lockende der Hypothese. Aber er konstruiert eine
so auseinanderlaufende Verschiedenheit des Tem-
peraments, die die Zusammenfassung des J. B. und
des Pencz zu einem Individuum unmöglich mache.
Zur Basis dieser Konstruktion dient die aus ästhe-
tischer Bewertung gewonnene Erhöhung des J. B.
und Erniedrigung des Pencz. Aus dieser Beweis-
führung ein Beispiel: Die beiden Runde des J. B.,
der Dudelsackpfeifer und der Marktbauer, werden
als Musterstücke der Komposition im Rund aufge-
stellt. Von letzterem wird gesagt: „Es handelte
sich darum, drei stehende Figuren in das Rund
zu bringen. Durch ganz feine Komposition ist es
dem Künstler gelungen. Ein wenig Neigung der
Außenkonturen gegeneinander und ein leises Ab-
schwellen von den Seiten her, eine unmerkliche
Parallele zum Bildrand auf der rechten Seite, und
eine Anordnung der Figuren in vorn offenem
Halbkreis... Man versuche, sich die Szene in
quadratischem Rahmen übersetzt zu denken und
man begreift erst, wieviel künstlerische Weisheit
hier am Werke war". Im Gegensatz hierzu wird
Penczens Rundform so abgeurteilt: „Georg Pencz
verrät in seiner runden Folge der sieben Barm-
herzigkeiten, daß ihm das Wesen der Rundkompo-
sition nicht ganz klar geworden ist. Er kann die
Szene nicht richtig ausscheiden, nie hat man den
Eindruck des vollkommen Fertigen, sondern man
vermißt meistens an den Seiten der Komposition
noch etwas... Pencz hat den neuen Wert der
Vertikale für die Rundkomposition noch nicht be-
griffen... Wer einmal (der J. B.) Rundkompo-
sitionen von der Feinheit des Passionsmedaillons
und von der Vollendung des Marktbauern geschaf-
fen hat, der kann doch dieses ihm angeborene
Gefühl für Harmonie und Gleichgewicht nicht auf
einmal verleugnen und gegen die Fundamente der
Kompositionskunst so sündigen, wie Pencz es in
seinen Barmherzigkeiten getan hat". Es war sehr
unvorsichtig, solche Urteile in einem Buch zu
veröffentlichen, das in vorzüglichen Abbildungen
die Möglichkeit zu augenblicklicher Kontrolle bietet.
Denn der Leser, der die zitierten Stellen einge-
nommen hat, wird nun die gepriesenen Runde des
J. B. auf den Tafeln 38 und 39 mit den getadelten
des Pencz auf den Tafeln 50 und 51 in Vergleichung
stellen und muß dann, sofern er harmlos und
nicht voreingenommen ist, ausrufen: Ei der Tau-
send, das stimmt ja nicht, das ist doch bei beiden
angeblich verschiedenen Künstlern eine völlig iden-
tische Art der Rundkomposition, übrigens das ge-
läufige Schema, an dem es nichts besonderes zu
bewundern gibt. Die formale Übereinstimmung
der zwei Rundgruppen ist so groß, daß daraus nur
ein Argument für die Einheit der Künstler ge-
nommen werden kann. Nicht viel besser steht es
mit den andern Argumenten Waldmanns für die
Zweiheit, die ihm den J. B. sehr fein und voll-
kommen und den Pencz sehr mittelmäßig erscheinen
lassen. Pencz sei immer merklicher Schüler Dürers,
J. B. sei das gar nicht. Nun hat aber der J. B. einen
Stich Dürers kopiert, er hat eine Zeichnung Dürers
zu einer allegorischen Darstellung benutzt. Auf
dem Marktbauern sind die Hauptfiguren die Frau
mit der Haube und der Bauer mit dem Sack so
dürerisch, daß man meinen könnte, die exakten
Vorbilder hierzu im Werk Dürers finden zu müssen.
Das ist kein vereinzeltes Beispiel. Vielmehr ist
bei genauer Prüfung festzustellen, daß der J. B. im
gleichen Grade wie Pencz von Dürer bestimmt
wird. Nun der Hauptgrund: Der J. B. sei italieni-
scher Renaissancegedanken voll gewesen, er gebe
italienische Formen. Der Pencz aber (dessen Stiche
ja später fallen als die J. B.-Blätter) sei nur ein
äußerlicher Nachahmer des italienischen Geistes.
Dieses Nacheinander sei für ein Künstlerleben
unmögliche Annahme. Derselbe Leser, der vor-
hin ei der Tausend! gerufen hat, wird jetzt im
Buch zurückschlagen und über die letzte Phase in
der Entwicklung Hans Sebald Behams gesagt
finden: „Er vergaß sein Bestes. Die Phantasie
verließ ihn nur zu bald. Das letzte Jahrzehnt ist
ein Versinken in die ebenen Gebiete des kalten
Virtuosentums". Hier ist also für Beham zuge-
standen, was für Pencz unmöglich erscheint.
Zwischen den frühen und den späten Arbeiten des
Beham waltet kein anderer Unterschied, als zwischen
J. B. und Pencz, Wenn der (freilich noch nie
aufgestellten) Hypothese, die frühen Stiche des
Hans Sebald und die späten seien Arbeiten ver-
schiedener Hände, ein verteidigender Waldmann
erstünde, so könnte er diese Sache mit demselben
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