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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 4.1911

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Ich werde zunächst auf Canalettos äußere Schicksale und kurz auf seine Tätig-
keit als Maler eingehen, um mich dann ausschließlich seinen Radierungen zuwenden
zu können.
II.
Canaletto ist, wie sein Lehrer Antonio Canale und sein Mitschüler Francesco
Guardi, in Venedig geboren und zwar, wie urkundlich nachgewiesen ist, am 30.Ja-
nuar 1720. Wie so viele seiner Landsleute in damaliger Zeit, verließ er in jungen
Jahren seine Heimat, um in Deutschland sein Glück zu versuchen. In allen großen
und kleinen deutschen Residenzen bestanden im XVIII. Jahrh. italienische Kolonien,
namentlich da, wo Oper und Theater gepflegt wurden. Sie hielten ihre Beziehungen
zur Heimat aufrecht und jeder Neuankömmling wurde mit größtem esprit de corps
aufgenommen, für sein Fortkommen gesorgt. Zunächst wandte sich Canaletto nach
München, wo er sich etwa von 1745 bis 1747 aufgehalten haben muß. Verschie-
dene große Münchner und Nymphenburger Ansichten sind Denkmale seiner dortigen
Tätigkeit. Schon damals war er verheiratet mit Maria Elisabeth Pizzona und hatte
einen Sohn namens Lorenzo. Von München ging er im Jahre 1747 nach Dresden,
das namentlich seit August III. vielfache Beziehungen zu Venedig hatte. Das be-
rühmte Ehepaar Hasse, il divino Sassone und Faustina Bordoni, die hochbezahlten
Zierden der Dresdner Oper, verbrachten ziemlich regelmäßig einige Monate im Jahre
in Venedig, die theatralischen Sänger, Tänzer, Dichter, Maler waren zum großen
Teil Venezianer und so wird es Canaletto an Beziehungen in Dresden nicht ge-
fehlt haben. Vielleicht hat ihn auch die bayersche Prinzessin Maria Antonia Wal-
purgis, die im Juni 1747 den sächsischen Kurprinzen heiratete, veranlaßt nach
Dresden zu gehen. Sie hatte Sinn und Begabung für die Kunst, malte selbst und
hat Canaletto persönlich gekannt.
Meist wird vermutet, daß der Minister Graf Brühl ihn für seine privaten Zwecke
nach Dresden berufen und dann bei Hofe angebracht habe. Diese Vermutung hat
viel für sich, denn sie entspricht der auch sonst vielfach von Brühl geübten Praxis,
Leute, die er selbst gebrauchen konnte, nach Dresden kommen zu lassen und ihnen
dann, um sie nicht selbst bezahlen zu müssen, vom König eine Besoldung zu ver-
schaffen.
Tatsache ist es jedenfalls, daß Canaletto bei Brühl und sehr bald auch beim König
zu hoher Gunst gelangte. Schon 1748, spätestens aber 1749 wurde er Hofmaler
(peintre Royal) und erhielt eine Pension von 1650 Taler nebst 100 Taler Hauszins.
Dieser Gehalt ist der höchste, der mir in den vielen Hofmalerdekreten, die ich
durchgesehen habe, vorgekommen ist. Selbst der berühmte Oberhofmaler und
Directeur de l'Academie, Louis de Silvestre, bald vier Jahrzehnte lang der Stolz der
Dresdner Malerei, brachte es nur auf 1450 Taler nebst 240 Taler für den Unter-
halt von zwei Equipagepferden. Den besoldeten Hofmalern wurde damals ganz
allgemein die Verpflichtung auferlegt Bilder für die Galerie zu malen: die Land-
schaftsmaler, wie z. B. Alexander Thiele, hatten gewöhlich im Jahr vier Bilder, die
Historienmaler nur eins zu liefern. Auch Canaletto, dessen Dekret leider unauf-
findbar ist, wird dieselbe Verpflichtung gehabt haben. Nach einer Aktennotiz1) hat
er im Jahre 1751 „3 Stück zur Galerie geliefert", nämlich N 4239 Prospekt vom
alten Markt zu Dresden, anzusehen, wenn man von der Schloßgasse herauskommt,
N 4240 Kompagnon, anzusehen, wenn man von der Seegasse herauskommt, N 4241
(1) loc. 18 238 Cap. Vila N 12 im Hauptstaatsarchiv zu Dresden. Im Folgenden beziehen sich alle
Quellennachweise, die mit loc beginnen, auf Akten dieses Archivs.

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