vielen noch unerkannten Landschaftsmaler dritten
und vierten Ranges, die als künstlerische Schöpfer
zumeist geringe Bedeutung besitzen, insgesamt
aber als Vermittler zwischen dem Stil Pieter
Brueghels d. Ä. und dem der Landschaften Ruis-
daels, Rembrandts und Rubens' wichtig genug sind,
erschweren durch ihre unpersönliche Art eine deut-
liche Übersicht. Dazu kommt noch, daß die Namen
der wenigen Landschafter, die sich als markantere
Künstlerindividualitäten aus der Menge heraus-
heben, in vielen Fällen nur zur Verwirrung statt
zur Klärung beitragen. Denn ihre Namen — David
Vinckbons, Matthäus und Paul Brill, Jan Brueg-
hel d. Ä. usw. — sind im Laufe der Zeiten beinahe
Gattungsbegriffe für bestimmte Richtungen inner-
halb der niederländischen Landschaftsmalerei des
XVI. und XVII. Jahrhunderts geworden, so daß
für den Betrachter allmählich ihre Eigenart und
der Wert ihrer echten Leistungen von der Fülle
der falschen Zuschreibungen verwischt und beein-
trächtigt worden ist.
Anton Mayer, der dem für sorglose Zuschrei-
bungen sehr beliebten Begriff „Brill" zu Leibe
rückt, hatte für seine Untersuchungen in den rö-
mischen Fresken des Matthäus und des Paul Brill
einen sicheren Ausgangspunkt für alle weiteren
Werke. Als erhaltenes Originalwerk des Matthäus
läßt er nur die um 1580 entstandenen Fresken
der Loggia Geographica des Vatikans gelten, die
eine Prozession unter Gregor XIII. darstellen. Von
diesen zehn Bildern interessiert vor allem das
letzte, das die Prozession auf der Piazza di S. Pietro
zeigt. Denn dieses Fresko, das auch Mayer als
das bedeutendste des ganzen Zyklus besonders
hervorhebt, läßt an zwei ähnliche Bilder denken,
die ebenfalls eine Prozession vor der Peterskirche
vor Augen führen, und die von Rembrandts erstem
Lehrer Swanenburgh stammen. Diesen beiden
befangenen Gemälden in Augsburg und in Kopen-
hagen gegenüber erweist sich das um ein halbes
Jahrhundert früher entstandene Werk des Matthäus
Brill als eine ganz respektable Leistung. In der
Behandlung der von zwei entgegengesetzten Seiten
heranströmenden Menschenmassen, die locker und
übersichtlich gruppiert sind, die mit der Archi-
tektur gut zusammengehen und deren Darstellung
sich nicht allzusehr in Einzelheiten verliert, ist
Brill dem später geborenen Künstler sogar über-
legen. Die übrigen Bilder dieser Freskenreihe
sind im allgemeinen einförmiger ausgeführt, über-
ragen aber ähnliche Darstellungen vlämischer
Künstler aus dieser Zeit — man denke nur an
die langweiligen Umzüge, die Denis van Alsloot
am Beginne des XVII. Jahrhunderts malte! —
Monatshefte für Kunstwissenschaft, IV. Jahrg. 1911, Heft 11
immerhin um ein beträchtliches. Stärker als in
diesen Fresken tritt der Zusammenhang der Kunst
des Matthäus Brill mit der Malerei seines Heimat-
landes in jenen "Werken hervor, die uns nur noch
durch Nachstiche überliefert sind. Besonders die
Blätter, die Symon Frisius nach ihm stach (der
Name dieses Stechers scheint dem Verfasser merk-
würdigerweise entgangen zu sein), weichen im
Kompositionsschema und in den Einzelformen von
den üblichen vlämischen Dorfansichten undPhan-
tasielandschaften vom Ende des XVI. Jahrhunderts
nicht ab und zeichnen sich kaum durch einen
originelleren, persönlichen Zug aus.
Der Darstellung, die der Verfasser in knapper,
klarer Weise von der künstlerischen Entwicklung
des Paul Brill entwirft, dem er den weitaus größ-
ten Teil des Buches widmet, kann man im großen
und ganzen zustimmen.
Die Landschaftsfresken aus den Jahren 1587/88
im Vorzimmer der Vatikanischen Bibliothek, deren
Vordergrundsfiguren die Herstellung von Büchern
vor Augen führen, spricht Mayer dem Paul Brill
ab, ohne einen anderen vlämischen Künstler an
dessen Stelle setzen zu können. Vergleicht man
diese Gemälde mit den in den Jahren 1589 und 90
entstandenen sechs LandschaftsfreskenPaul Brills im
Lateranspalast, so muß man dem Verfasser bei-
pflichten, der diesen letzteren Fresken gegenüber
in denen des Vatikans eine unruhigere Kompo-
sition sieht und bemerkt, daß „die einzelnen Be-
standteile der Landschaft, Bäume, Berge usw.,
ohne jede Tiefenwirkung kulissenartig hinter-
einander geschoben werden, ganz anders als bei
den aus derselben Zeit stammenden Laterans-
fresken." Da diese Fehler und diese eigentüm-
lichen Formen der Berge, der phantastischen
Felsentore und der Wasserburgen, der Bäume mit
ihren wenig kompakten Kronen und des Pflanzen-
wuchses bis auf die geringsten Details mit denen
der vlämischen Landschaften jener Jahrzehnte über-
einstimmen, so müssen diese Fresken im Vatikan
unbedingt von der Hand eines vlämischen Künst-
lers herrühren, der von dem Landschaftsstil seiner
Heimat noch sehr abhängig ist. Unter den Vla-
men dieser Zeit käme aus stilistischen Gründen
neben Brill nur noch einer, Coninxloo, in Betracht.
Da dieser aber seit 1587 in Deutschland weilte,
so kommt man immer wieder auf Paul Brill zu-
rück, der auch von dem meist gut unterrichteten
Agostino Taja in seiner Beschreibung des Vati-
kans als Schöpfer dieser Fresken genannt wird.
In den sechs Gemälden des Laterans, die ein
Jahr später entstanden, ist dann Brills Freskenstil
schon origineller und freier. Immerhin zeigen auch
36
519
und vierten Ranges, die als künstlerische Schöpfer
zumeist geringe Bedeutung besitzen, insgesamt
aber als Vermittler zwischen dem Stil Pieter
Brueghels d. Ä. und dem der Landschaften Ruis-
daels, Rembrandts und Rubens' wichtig genug sind,
erschweren durch ihre unpersönliche Art eine deut-
liche Übersicht. Dazu kommt noch, daß die Namen
der wenigen Landschafter, die sich als markantere
Künstlerindividualitäten aus der Menge heraus-
heben, in vielen Fällen nur zur Verwirrung statt
zur Klärung beitragen. Denn ihre Namen — David
Vinckbons, Matthäus und Paul Brill, Jan Brueg-
hel d. Ä. usw. — sind im Laufe der Zeiten beinahe
Gattungsbegriffe für bestimmte Richtungen inner-
halb der niederländischen Landschaftsmalerei des
XVI. und XVII. Jahrhunderts geworden, so daß
für den Betrachter allmählich ihre Eigenart und
der Wert ihrer echten Leistungen von der Fülle
der falschen Zuschreibungen verwischt und beein-
trächtigt worden ist.
Anton Mayer, der dem für sorglose Zuschrei-
bungen sehr beliebten Begriff „Brill" zu Leibe
rückt, hatte für seine Untersuchungen in den rö-
mischen Fresken des Matthäus und des Paul Brill
einen sicheren Ausgangspunkt für alle weiteren
Werke. Als erhaltenes Originalwerk des Matthäus
läßt er nur die um 1580 entstandenen Fresken
der Loggia Geographica des Vatikans gelten, die
eine Prozession unter Gregor XIII. darstellen. Von
diesen zehn Bildern interessiert vor allem das
letzte, das die Prozession auf der Piazza di S. Pietro
zeigt. Denn dieses Fresko, das auch Mayer als
das bedeutendste des ganzen Zyklus besonders
hervorhebt, läßt an zwei ähnliche Bilder denken,
die ebenfalls eine Prozession vor der Peterskirche
vor Augen führen, und die von Rembrandts erstem
Lehrer Swanenburgh stammen. Diesen beiden
befangenen Gemälden in Augsburg und in Kopen-
hagen gegenüber erweist sich das um ein halbes
Jahrhundert früher entstandene Werk des Matthäus
Brill als eine ganz respektable Leistung. In der
Behandlung der von zwei entgegengesetzten Seiten
heranströmenden Menschenmassen, die locker und
übersichtlich gruppiert sind, die mit der Archi-
tektur gut zusammengehen und deren Darstellung
sich nicht allzusehr in Einzelheiten verliert, ist
Brill dem später geborenen Künstler sogar über-
legen. Die übrigen Bilder dieser Freskenreihe
sind im allgemeinen einförmiger ausgeführt, über-
ragen aber ähnliche Darstellungen vlämischer
Künstler aus dieser Zeit — man denke nur an
die langweiligen Umzüge, die Denis van Alsloot
am Beginne des XVII. Jahrhunderts malte! —
Monatshefte für Kunstwissenschaft, IV. Jahrg. 1911, Heft 11
immerhin um ein beträchtliches. Stärker als in
diesen Fresken tritt der Zusammenhang der Kunst
des Matthäus Brill mit der Malerei seines Heimat-
landes in jenen "Werken hervor, die uns nur noch
durch Nachstiche überliefert sind. Besonders die
Blätter, die Symon Frisius nach ihm stach (der
Name dieses Stechers scheint dem Verfasser merk-
würdigerweise entgangen zu sein), weichen im
Kompositionsschema und in den Einzelformen von
den üblichen vlämischen Dorfansichten undPhan-
tasielandschaften vom Ende des XVI. Jahrhunderts
nicht ab und zeichnen sich kaum durch einen
originelleren, persönlichen Zug aus.
Der Darstellung, die der Verfasser in knapper,
klarer Weise von der künstlerischen Entwicklung
des Paul Brill entwirft, dem er den weitaus größ-
ten Teil des Buches widmet, kann man im großen
und ganzen zustimmen.
Die Landschaftsfresken aus den Jahren 1587/88
im Vorzimmer der Vatikanischen Bibliothek, deren
Vordergrundsfiguren die Herstellung von Büchern
vor Augen führen, spricht Mayer dem Paul Brill
ab, ohne einen anderen vlämischen Künstler an
dessen Stelle setzen zu können. Vergleicht man
diese Gemälde mit den in den Jahren 1589 und 90
entstandenen sechs LandschaftsfreskenPaul Brills im
Lateranspalast, so muß man dem Verfasser bei-
pflichten, der diesen letzteren Fresken gegenüber
in denen des Vatikans eine unruhigere Kompo-
sition sieht und bemerkt, daß „die einzelnen Be-
standteile der Landschaft, Bäume, Berge usw.,
ohne jede Tiefenwirkung kulissenartig hinter-
einander geschoben werden, ganz anders als bei
den aus derselben Zeit stammenden Laterans-
fresken." Da diese Fehler und diese eigentüm-
lichen Formen der Berge, der phantastischen
Felsentore und der Wasserburgen, der Bäume mit
ihren wenig kompakten Kronen und des Pflanzen-
wuchses bis auf die geringsten Details mit denen
der vlämischen Landschaften jener Jahrzehnte über-
einstimmen, so müssen diese Fresken im Vatikan
unbedingt von der Hand eines vlämischen Künst-
lers herrühren, der von dem Landschaftsstil seiner
Heimat noch sehr abhängig ist. Unter den Vla-
men dieser Zeit käme aus stilistischen Gründen
neben Brill nur noch einer, Coninxloo, in Betracht.
Da dieser aber seit 1587 in Deutschland weilte,
so kommt man immer wieder auf Paul Brill zu-
rück, der auch von dem meist gut unterrichteten
Agostino Taja in seiner Beschreibung des Vati-
kans als Schöpfer dieser Fresken genannt wird.
In den sechs Gemälden des Laterans, die ein
Jahr später entstanden, ist dann Brills Freskenstil
schon origineller und freier. Immerhin zeigen auch
36
519