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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 4.1911

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B. A. 1866, 47) selbst geschrieben, daß Giraldi um die Mitte des 16. Jahrhunderts
lebte und nur betont, daß das Zeugnis „noch dem Jahrhundert Leonardos" angehöre.
Auch Uzielli, I2, 543, heißt den Giraldi einen ferraresischen Schriftsteller aus der Mitte
des 16. Jahrhunderts. Somit besitzt dieses ganz für sich allein stehende Zeugnis
durchaus keine ausreichende Beweiskraft. Sicherlich würde ein Bacchus des gött-
lichen Vinci im Zeitalter des Humanismus noch manche anderen Feder in Bewe-
gung gesetzt haben. Will man auch dem „argumentum ex silentio" keine durch-
schlagende Bedeutung beimessen, obwohl es Personen wie Billi, den Anon. Gaddiano,
Vasari und Lomazzo betrifft, so fällt dazu sehr schwer in die Wagschale, daß sich
keine Handzeichnung des Meisters und keine Kopie einer solchen oder des Bacchus-
bildes von einem Schüler erhalten hat1).
Jedenfalls liegt denen, die künftig noch von einem Bacchus des Leonardo sprechen
wollen, die Pflicht ob, bessere Zeugnisse als man bisher kennt, beizubringen. Zu-
nächst ist der Bacchus aus den Kompositionen Leonardos zu streichen.
Damit fällt auch eine bedauerliche Anklage, die Wolynski u. a. wegen der Ver-
mischung von Heidnischem und Christlichem gerade aus diesem Bacchus konstru-
ierten, in sich zusammen.
Dagegen ist ein St. Johannes B. in der Wüste wenigstens als Entwurf des
Meisters anzunehmen, da dies Bild bezeugt ist durch das leonardeske, von Über-
malungen entstellte Werk des Louvre und durch die Kopien in der versteigerten
Sammlung Penther2) in Wien, in der Sakristei von S. Eustorgio in Mailand3) und die
feinste, etwas skizzenhafte beim Earl of Crawford (Reinach, Rep. des Peint., C. 594 x,
Lichtdruck im Cat. des Burl. F. A. Club, Milanese Exhibition 1898, pl. 16), das G.
Frizzoni (L'Arte 1906, 410) ein charakteristisches Werk des Bern. Lanino nennt.
Es wäre sogar recht wohl möglich, daß die Notizen des Antonio Billi und des Ano-
nimo Gaddiano sich auf diese Komposition beziehen, ohne daß wir dadurch genötigt
würden, hier ein eigenhändig ausgeführtes Gemälde Leonardos anzunehmen.
Kehren wir nach dieser Abschweifung zu der Halbfigur des Johannesbildes im
Louvre zurück. Pere Dan konnte 1642 das Bild schon deshalb nicht beschreiben,
weil es sich damals sicher in der Sammlung Karls I. befand. Aber auch als
del Pozzo 1625 in Fontainebleau weilte, hatte es die Galerie des Königs schon
verlassen und zwar kurz vorher, wie man aus dem Text des Autors schließen
kann4). Der glänzende Herzog von Buckingham, der 1625 den Auftrag hatte, die
französische Prinzessin Henriette als Braut seines königlichen Freundes Karls I. nach
England zu geleiten, bemühte sich damals sehr, Leonardos Gioconda für die Samm-

(1) Der weichliche Knabenkopf en face in Venedig (Corn. 47, 263 Abb. bei Rosenberg, L. d. V. S. 112)
ist eine schwache Nachzeichnung des feinen frühen Christusknaben des Beltraffio in der Sammlung
Morelli in Bergamo. Der rätselhafte Porträtkopf mit bekleideter Büste nach einem bartlosen jüngeren
Manne mit gequältem Blick, einem Weinlaubkranz auf dem Kopf und darunter, fast verdeckt, eine
Dornenkrone (!) (Turin 15587) ist jedenfalls kein Bacchus. Der Zeichner dürfte Sesto sein.

(2) Durch Th. v. Frimmel als „niederländische Kopie nach dem Johannes B. des Louvre" benannt.
Damit ist aber der sog. Bacchus gemeint! Rep. f. Kw. 1891, S. 67.

(3) Das ca. 80 cm hohe Bild ist auf Leinwand gemalt, in der Landschaft stark nachgedunkelt und be-
sitzt gelblich-warme Fleischtöne. Es wird wohl von einem Venezianer sein.

(4) II Duca di Bucchingä mandato d'Ingha per condur la sposa al nuovo Re hebbe qualche intention
d'haver q° (questo) ritratto (la Gioconda) ma essendone stato distolto il Re dall'istanze fatteli da di-
versi, che missero in considne ehe S. M. mandava fuor del Regno il piü bel quadro ehe havesse d°
Duca senti con disgusto q° intorbidamto e tra quelli con chi si dolse fu il Rubens d'Anversa Pittor
del Arciducha. Ms. Bibl. Ap. Barb. Lat. 5688, fol. I94r und v.

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