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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 4.1911

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loren (Abb. i und 2), wenn auch ein kleiner Teil der Nase fehlt, der leicht nach
vorhandenen Analogien zu ergänzen wäre.
Die Köpfe haben am Scheitel eine schematische Abflachung, dann aber quellen
nach allen Seiten Locken hervor in lebendiger Bewegung, mit unleugbar romani-
schen Erinnerungen. Am Bart rollen sie sich bei dem einen Kopf in lauter ein-
zelne Spiralen, bei dem andern, besser erhaltenen, korkzieherartig auf — eine Tracht,
die beiläufig im XIV. Jahrhundert erst eigentlich Konvention wurde. Die Falte
zwischen Oberlippe und Nase ist frei, dann setzt rechts und links, über jedem
Mundwinkel unmerklich weich eine kleine Schnurrbartlocke ein, die sich in einer
kühnen S förmigen Volute nach unten wendet.
Das sind Formen, wie sie uns in der ganzen Plastik des Münsters nur einmal
begegnen, nämlich an den beiden Tympana des nördlichen Querhausportals. Diese
Bogenfelder sind ihrem Stil nach sowie auch baugeschichtlich ums Jahr 1250 zu
datieren.
Und betrachten wir die Köpfe näher, so lassen die übereinstimmenden vorge-
triebenen Stirnen mit den ernsten Falten, die mandelförmigen, ein wenig geschlitzten
Augen, die feinmodellierten Wangen mit den vortretenden Backenknochen, sowie
die gepreßten schmalen, etwas heraustretenden Lippen (mit dem Grübchen dar-
unter) keinen Zweifel, daß sie den Skulpturen der Tympana außerordentlich nahe
stehen, daß sie möglicherweise demselben Meister zuzuschreiben sind.
Unsere Abbildungen 4 (zwei Apostel) und 6 (Kopf des Petrus) sind nach einem
Gipsabguß vom Relief des Todes Mariae im Straßburger Frauenhaus aufgenommen.
Abbildung 3 mit Abbildung 6 verglichen zeigt so recht auch die übereinstimmende
Lockenfrisur und die Abflachung des Schädels. Die Abbildungen 1 und 2 haben
in der Haarbehandlung mehr Verwandtes mit Abbildung 4. So zeigen sich auch
bei den Fragmenten zwei verschiedene Hände oder Stilphasen, die beide gemein-
sam im Tympanon zu erkennen sind, - — eine Unterscheidung, die Franck-Oberas-
pach unterlassen hat1).
Wenn wir nun auf Grund der stilistischen Übereinstimmungen mit den Tympana
unsere beiden Köpfe mit den zwölf Apostelstatuen der Portalgewände zusammen-
bringen, wie der Brunnsche Stich sie noch zeigt, so wird unsere Annahme auch
durch die örtlich vorgenommenen Messungen bestätigt. — Die jetzige Entfernung
von der Basis bis zum Kapitell ist die alte geblieben, und im übrigen bilden die
etwas über ein Meter hohen Schäfte, die ehedem den Aposteln als Sockel dienten,
noch heute einen Teil der Säulen: sie sind nach oben versetzt und an ihrer ver-
witterten Außenfläche leicht zu erkennen. Wenn wir diese Stücke nach der An-
leitung des Kupferstiches von der ganzen Höhe in Abzug bringen, ergibt sich
(Abb. 8) für die Statuen eine Größe von fast 1,60 Meter. Das stimmt sehr gut zu
dem Maß der Köpfe, die, genau den Figuren im Bogenfeld entsprechend, durch-
schnittlich noch nicht ein Sechstel der Körperhöhe betragen würden. Also noch
sehr gedrungene, im Grunde romanische Proportionen, während beispielsweise bei
der linksstehenden Ekklesia, die etwas später und von einem durchaus gotischen
Meister vorgesetzt wurde — ihr Sockel ist mit der Mauer nicht im Verband —
der Kopf nur ein Zehntel ihrer Körperhöhe beträgt2). So kommt es, daß neben

(1) Karl Franck-Oberaspach, Der Meister der Ekklesia und Synagoge am Straßburger Münster, Düssel-
dorf 1903.

(2) Eine ferner noch nicht beachtete Merkwürdigkeit ergab sich beim Messen: Die Figur der Synagoge
ist, obwohl ihr Haupt geneigt ist und keine Krone trägt, dennoch um ca. 10 cm höher als die der
Ekklesia.

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