NIKOLAUS VON LEYDEN UND SEINE
NACHFOLGE IN BAYERN Von K. FR. LEONHARDT
Mit fünf Abbildungen auf drei Tafeln ........
Eine der eigenartigsten Erscheinungen in der süddeutschen Kunstgeschichte ist
der unter dem Namen Nikolaus Lerch bekannte Schöpfer des Grabmals für
Kaiser Friedrich III., anscheinend ein geborener Niederländer, — er schreibt sich
von Leyden — der von 1462—1467 in Straßburg nachweisbar ist, — sein Grab-
stein nennt ihn Werkmeister am großen Bau daselbst — zwischendurch für Baden
und Konstanz arbeitet und schon 1463 vom Kaiser für die Ausführung seiner Denk-
malspläne zu gewinnen gesucht wird. Erst 1467 nimmt ihm auf erneutes Drängen
des Kaisers der Rat von Straßburg das feierliche Versprechen ab, diesem Rufe
Folge zu leisten, und seitdem finden wir ihn bis zu seinem 1487 erfolgten Tode
im Dienste Friedrichs III.
August R. Maier hat kürzlich diesem früher zu Unrecht arg unterschätzten Meister
eine Monographie1) gewidmet, deren Hauptwert wohl in der sorgfältigen Zusammen-
stellung seines Werkes beruht. Wir gewinnen daraus das Bild eines Mannes, der
über alles Raffinement burgundischer Bildhauerkunst, wie sie uns namentlich in
Dijon entgegentritt, verfügt und es in seinem für uns bis jetzt frühesten Werken
in Straßburg mit ungezügelter Freude und geistreichem Humor zur Geltung bringt,
der dann merklich ruhiger wird und schließlich zu einer wohlgemessenen stillen
Feierlichkeit der Auffassung gelangt, die wohl nur zum Teil im Gegenstände seiner
auf uns gekommenen Spätwerke, Grabdenkmäler gegenüber vorwiegend dekorativen
Schöpfungen, die der künstlerischen Fantasie und Gestaltungsfreude keinerlei Zwang
auferlegen, begründet ist.
Das Problem dieser offenbaren Stilwandlung ist von Maier nicht zu lösen ver-
sucht worden, und auch die folgenden Ausführungen wollen den noch schwebenden
Untersuchungen von anderer Seite, die daran gewiß nicht vorübergehen werden,
nicht vorgreifen. Dagegen wollen sie zur Klärung einer anderen Frage beitragen,
die von früheren Bearbeitern des Nikolaus von Leyden-Themas wohl geprüft, nie
aber weiter erörtert worden ist.
Gegenüber der großen Fruchtbarkeit, die Meister Nikolaus in seiner Straßburger
Zeit entwickelt, ist die Zahl der uns für seine letzten 20 Lebensjahre überlieferten
Werke äußerst gering. Das Denkmal für die Kaiserin Eleonore 2) muß schon 1469
ganz oder doch nahezu vollendet gewesen sein; denn in diesem Jahre beauftragt
der Kaiser seinen Kanzler Ulrich von Nußdorf, Bischof von Passau, den Meister
Nikolaus aus rückständigen Kanzleigeldern zu entlohnen. Für die ganze übrige Zeit
haben wir lediglich das Kaiserdenkmal, ein gewiß recht umfangreiches Werk, von dem
aber doch nur der wenn auch wichtigste, so doch geringste Teil vom Meister selbst
ausgeführt wurde, die Deckplatte und der unter ihr laufende Wappenfries; alles
andere geht bestenfalls auf seine Vorzeichnung und erste rohe Anlage zurück,
wurde zum Teil erst lange nach seinem Tode fertiggestellt. Nun wird aber erst
im Sommer 1479 nach einer erhaltenen Kammeramtsrechnung der „Grabstein"
von Wien nach Wiener - Neustadt dem Bestimmungsort, wo auch der Meister ein
(1) A. R. Maier, Nicolaus Gerhaert von Leyden. Ein Niederländer Plastiker des XV. Jahrhunderts.
Seine Werke am Oberrhein und in Österreich. Straßburg 1910. Rezensiert von J. Baum in Heft Q
dieser Zeitschrift.
(2) Abb. bei Maier, a. a. O., Tafel 15.
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NACHFOLGE IN BAYERN Von K. FR. LEONHARDT
Mit fünf Abbildungen auf drei Tafeln ........
Eine der eigenartigsten Erscheinungen in der süddeutschen Kunstgeschichte ist
der unter dem Namen Nikolaus Lerch bekannte Schöpfer des Grabmals für
Kaiser Friedrich III., anscheinend ein geborener Niederländer, — er schreibt sich
von Leyden — der von 1462—1467 in Straßburg nachweisbar ist, — sein Grab-
stein nennt ihn Werkmeister am großen Bau daselbst — zwischendurch für Baden
und Konstanz arbeitet und schon 1463 vom Kaiser für die Ausführung seiner Denk-
malspläne zu gewinnen gesucht wird. Erst 1467 nimmt ihm auf erneutes Drängen
des Kaisers der Rat von Straßburg das feierliche Versprechen ab, diesem Rufe
Folge zu leisten, und seitdem finden wir ihn bis zu seinem 1487 erfolgten Tode
im Dienste Friedrichs III.
August R. Maier hat kürzlich diesem früher zu Unrecht arg unterschätzten Meister
eine Monographie1) gewidmet, deren Hauptwert wohl in der sorgfältigen Zusammen-
stellung seines Werkes beruht. Wir gewinnen daraus das Bild eines Mannes, der
über alles Raffinement burgundischer Bildhauerkunst, wie sie uns namentlich in
Dijon entgegentritt, verfügt und es in seinem für uns bis jetzt frühesten Werken
in Straßburg mit ungezügelter Freude und geistreichem Humor zur Geltung bringt,
der dann merklich ruhiger wird und schließlich zu einer wohlgemessenen stillen
Feierlichkeit der Auffassung gelangt, die wohl nur zum Teil im Gegenstände seiner
auf uns gekommenen Spätwerke, Grabdenkmäler gegenüber vorwiegend dekorativen
Schöpfungen, die der künstlerischen Fantasie und Gestaltungsfreude keinerlei Zwang
auferlegen, begründet ist.
Das Problem dieser offenbaren Stilwandlung ist von Maier nicht zu lösen ver-
sucht worden, und auch die folgenden Ausführungen wollen den noch schwebenden
Untersuchungen von anderer Seite, die daran gewiß nicht vorübergehen werden,
nicht vorgreifen. Dagegen wollen sie zur Klärung einer anderen Frage beitragen,
die von früheren Bearbeitern des Nikolaus von Leyden-Themas wohl geprüft, nie
aber weiter erörtert worden ist.
Gegenüber der großen Fruchtbarkeit, die Meister Nikolaus in seiner Straßburger
Zeit entwickelt, ist die Zahl der uns für seine letzten 20 Lebensjahre überlieferten
Werke äußerst gering. Das Denkmal für die Kaiserin Eleonore 2) muß schon 1469
ganz oder doch nahezu vollendet gewesen sein; denn in diesem Jahre beauftragt
der Kaiser seinen Kanzler Ulrich von Nußdorf, Bischof von Passau, den Meister
Nikolaus aus rückständigen Kanzleigeldern zu entlohnen. Für die ganze übrige Zeit
haben wir lediglich das Kaiserdenkmal, ein gewiß recht umfangreiches Werk, von dem
aber doch nur der wenn auch wichtigste, so doch geringste Teil vom Meister selbst
ausgeführt wurde, die Deckplatte und der unter ihr laufende Wappenfries; alles
andere geht bestenfalls auf seine Vorzeichnung und erste rohe Anlage zurück,
wurde zum Teil erst lange nach seinem Tode fertiggestellt. Nun wird aber erst
im Sommer 1479 nach einer erhaltenen Kammeramtsrechnung der „Grabstein"
von Wien nach Wiener - Neustadt dem Bestimmungsort, wo auch der Meister ein
(1) A. R. Maier, Nicolaus Gerhaert von Leyden. Ein Niederländer Plastiker des XV. Jahrhunderts.
Seine Werke am Oberrhein und in Österreich. Straßburg 1910. Rezensiert von J. Baum in Heft Q
dieser Zeitschrift.
(2) Abb. bei Maier, a. a. O., Tafel 15.
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