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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 4.1911

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neue Gabe seiner Forschertätigkeit hinzugefügt,
sondern auch alle älteren Arbeiten in ausführlichen
Anmerkungen mit dem Stande unsrer heutigen
Kenntnis in Einklang gebracht hat. Dazu kommen
ausführliche Register, so daß das Buch einem
jeden, der sich mit der Kunst des Pacherschen
Kreises beschäftigt, zum unentbehrlichen Handbuch
werden dürfte.
Der Frage, ob ein Bedürfnis vorgelegen habe
nach der Neuherausgabe jener verstreuten Aufsätze,
die ja gelegentlich aufgeworfen werden könnte,
wird also wohl durch das Buch selbst die Berech-
tigung genommen. Der Verfasser wurde aber noch
von einem anderen Gesichtspunkt geleitet, als er
daran ging, das Buch der Öffentlichkeit vorzulegen.
Angesichts der erhöhten Aufmerksamkeit, die
der Pacherforschung in letzter Zeit gewidmet wird,
glaubte er nämlich, wie er im Vorworte seines
Buches hervorhebt, daß es sein gutes Recht sei,
„die mannigfachen und größtenteils sicheren Er-
gebnisse seiner langjährigen Forschung auf diesem
Gebiete jetzt wieder selbständig geltend zu machen,
und nicht bloß als herrenloses Gut den Nachfolgern
zu überlassen."
Der Referent kann diese etwas stärkere Betonung
des geistigen Eigentums nur gutheißen; sie ist
erstens jedenfalls zeitgemäß und zweitens ist es
nur billig, wenn sich der Verfasser, der zur Zeit,
da die Autoren der neueren großen Arbeiten über
Pacher wohl noch kaum sich mit Tiroler Kunst
werden beschäftigt haben, eine Reihe grundlegen-
der Ergebnisse der Pacherforschung bereits ver-
öffentlicht hatte, diese seine Priorität auch über
den engbegrenzten Kreis der Fachgenossen hinaus
anerkannt wissen will; ein Wunsch, der durch
das vorliegende Buch verwirklicht wird.
Ant. Reichel.
PAUL KLOPFER, Von Palladio bis
Schinkel. Eine Charakteristik der Bau-
kunst des Klassizismus. Verlag Paul Neff,
Eßlingen 1911. 264 S., 261 Abb. M. 15.—.
Ein gutes Buch, dessen Inhalt reich und durch-
arbeitet ist. Es schließt sich den Arbeiten Gurlitts
und Schuberts über den Barock an, und wird für
die weitere Forschung dauernden Wert behalten.
Eine Fülle Materials wird zusammengetragen, nach
der und jener Seite gewandt, manchmal etwas
sprunghaft, unproblematisch, die charakteirstische
Seite der Dinge in solchen raschen Griffen aber
oft erfaßt. Vollständigkeit konnte auf diesem kunst-
historischen Neuland nicht erstrebt werden, doch
hätten u. a. die Kathedrale von Arras, das Hotel

de Ville von Nantes und die Arbeiten Crucys, das
Pompejanum bei Aschaffenburg als ganz besonders
charakteristisch genannt werden können. Der Stoff
gliedert sich, nachdem ein knapper geschichtlicher
Umriß der Beteiligung der einzelnen Länder Europas
und ihrer großen Architekten vorangeschickt ist,
in Kirchenbau, Theaterbau, öffentliche Bauten und
den Wohnhausbau, der einen besonders gelungenen
Teil abgibt. Ein letztes Kapitel über Stadtbau usw.
ist ein wenig dürftig, trotzdem gerade darin, worauf
Unterzeichneter verschiedentlich hingewiesen, eine
Haupttat jener Zeit geleistet ist. Der Anhang
eines Künstlerverzeichnisses ist als erste Orien-
tierung gedacht und erlaubte die Herauslösung des
Persönlichen aus dem Text. Es fragt sich aber,
ob es in dieser teilweise recht flüchtigen Form —
namentlich die französischen Architekten kommen
schlecht weg und das sorgsame Lexikon von
Lance scheint kaum benutzt zu sein; dazu kommen
Schreibfehler, wie z. B. statt Couven stets Ceuven
— einem wissenschaftlichen Buch angehängtwerden
durfte. Zumindest legt man das Buch mit einiger
Abkühlung aus der Hand.
Während trotz dieser unangenehmen Entglei-
sung sonst das gleichsam Materielle gut ge-
bracht ist, ist die weitere Absicht des Buches, die
Kunst aus der Kultur heraus zu erklären, nicht
gleich glücklich gelungen. In der Einleitung wird,
um einen philosophischen Obersatz zu gewinnen
— und solche Einleitungen, nach Abschluß der
Arbeit geschrieben und doch wie Formulierungen
a priori wirkend, sind nie überzeugend —, Name
und Begriff des Klassizismus untersucht. Klassische
Kunst ist das Vorbild des Klassizismus, der schließ-
lich „einerseits durch den Reichtum des über-
kommenen Erbes, andrerseits durch den Druck der
Kultur, der Zeit, der Geschichte, gar zum Selbst-
schöpfer, gar zum Klassiker gemacht wird, wofern
nur Aufgaben da sind, die die ererbten Formen
zu neuen Schöpfungen umzuprägen zwingen".
Solche Sätze stimmen unbehaglich, und man darf
wohl den Mangel einer gewonnenen Einheit von
Wissen und Erkennen anmerken, da der Verfasser
sich gerade um sie bemüht, den Leser sogar zu
solchen Fragestellungen drängt, indem er den
allergrößten Teil seines Buches überschreibt: „Der
Klassizismus in seinem Verhalten zu den Kultur-
aufgaben". Auch soll auf diesen Mangel mehr
aus prinzipiellen Gründen, wie um einer wert-
vollen Leistung Abbruch zu tun, hingewiesen sein.
Man erfährt z. B. nichts von der Moralität des
Klassizismus, vom Verhältnis der Phantasieanregung
zum darstellenden Bewußtwerden. Die Kultur der
Reflexion in Frankreich, die sich so klar in den

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