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sich dieses Leben abspielte, vorsichtig zu verdeutlichen und in seiner wahrscheinlichen
Wirkung auf den Menschen Flegel zu interpretieren, — durchaus in der Art, wie es in
der Kunstgeschichtsschreibung für das Spätmittelalter üblich ist. Wir vergegenwärtigen
uns bei dieser Methode, daß Flegel als Künstler auf der Grenzsdheide zwischen Mittel-
alter und Neuzeit sein Leben begonnen hat, wieviel Anonymität noch den Künstler
umgibt, dessen Leben bis in die frühen Mannesjahre noch im 16. Jahrhundert verläuft,
und dessen Lebenswerk als durchaus „private Kunst“ außerhalb des heiligenden und
schützenden Raumes kirchlicher Tradition steht. Im privaten Charakter seiner Stilleben
liegt es begründet, daß seine Bilder so verstreut worden sind, daß sie fast als eine Art
„Gebrauchskunst“ den Wandlungen des Zeitgeschmackes unterworfen waren, und der
Vergessenheit oder Vernichtung anheimgefallen sind, wie altmodische und unbrauchbar
gewordene Geräte und Gewänder.

Keine zeitgenössische Quelle überliefert den Geburtsort und das Geburtsjahr Georg
Flegels, einzig der Gedächtnisstich des Sebastian Furck hat als ein wahrhaftiges monu-
mentum die Lebenstatsachen dieses Künstlers der Nachwelt bewahrt; Hüsgen hat aus
der ausführlichen Beschriftung dieses Stiches sein Wissen gezogen, und das Mährische
Olmütz als Geburtsort Flegels überliefert. Diese Angabe Hüsgens bzw. des Stiches ist
bisher nie angezweifelt worden, allerdings wird sie auch durch keine weitere Quelle
bekräftigt: J. Kux hat den Anteil der Deutschen an der Bevölkerung genau untersucht,
soweit sie in den Siedlungen um Olmütz ansässig waren20); hier kommt der Name Flege]
— auch in ähnlicher oder entstellter Form — niemals vor. Lediglich die Eigennamen-
endung -el tritt bei Familiennamen häufig auf. Die Olmützer Stadtgeschichte des gleichen
Verfassers21) weist leider keine entsprechende Untersuchung auf, sie erwähnt keinen
Träger dieses Namens, auch den Künstler Flegel sucht man in dieser sorgfältig und liebe-
voll gearbeiteten Darstellung der Geschichte einer ehemals deutschen Stadt umsonst, so
daß wir der Überlieferung des Stiches vertrauend, Olmütz weiterhin als Geburtsort des
Künstlers annehmen.

Bei der Angabe des Geburtsjahres ergeben sich bereits Widersprüche: der Stich be-
richtet lediglich, daß Flegel im Jahre 1638 als 75jähriger gestorben sei. Das Datum
von 1563 ist von Hüsgen offenbar nur aus dieser Angabe erschlossen worden. Erst
durdi die Entdeckungen L. Behlings (9) im Jahre 1939 ist es möglich geworden, das
Geburtsdatum Flegels genauer festzulegen: unter den im Berliner Kupferstichkabinett
entdeckten und als Werke Flegels erkannten Aquarellminiaturen befand sich auch das
Bildnis eines älteren Mannes22) in Form eines Medaillons, das an ein Stundenglas gelehnt
ist. Der Rahmen des Medaillons trägt die Inschrift aetatis svae. 64. 1630. GF. Durch
Vergleich mit dem Porträtstich des Furck konnte Behling beweisen, daß es sich um ein
Selbstbildnis des 64jährigen Georg Flegel aus dem Jahre 1630 handelt, und daß nach
diesem Selbstzeugnis Flegel erst im Jahre 1566 geboren wurde. Diese Vermutung wird
durch eine ähnliche Urkunde zur vollen Gewißheit: das Historische Museum zu Frank-
furt besitzt ein großes Stilleben23), das eigenhändig signiert und datiert ist „1637 G. Fle-
gelius pinxit aet. fac-, 70V2“; der letzte Buchstabe des Wortes „fac•“ ist unleserlich,
jedoch wahrscheinlich als ein „t“ zu ergänzen, so daß die Inschrift lauten würde „aetas
factoris 7OV2“. Wenn Flegel sich im Jahre 1637 als über 70 Jahre alt bezeichnet, so
muß er tatsächlich im Jahre 1566 geboren sein.

20) J. Kux, Die deutschen Siedlungen um Olmütz, Olmütz 1943; auf Seite 707—798 ein um-
fangreiches Register aller um Olmütz vorkommenden deutschen Familiennamen.

21) J. Kux, Geschichte der Kgl. Hauptstadt Olmütz bis 1918, Olmütz 1937.

22) L. Behling (9), Abb. S. 47, und Winkler (13), 2. Aufl. 1954, Abb. 1. Das Original ist nach
Kriegsende verbrannt.

23) Frankfurt, Historisches Museum Nr. B 1674, Katalog Nr. 14.

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