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London Kluge Jungfrau, 1493 (W 31)


Genies, das sich in glühendem Erkenntnisdrang ins Antlitz blickt: kritisch, mißtrauisch und
beinahe verdrossen, gar nicht auf Schönheit bedacht und nicht ohne Ahnung von Tragik.
Am 18. Mai 1494 ist er, vom Vater heimgerufen, wieder in Nürnberg und heiratet, nunmehr
Meister, im Juli desselben Jahres die Tochter eines angesehenen Bürgers, Agnes Frey.
Die veraltete Vier auf dem feueranfachenden Mädchen läßt sich nur so erklären. Dürer floß die alte
Form noch einmal in die Feder, weil die Zahl so auf der Originalzeichnung gestanden hatte.
Als Dürer 1494/95 nach Mantegna, Pollajuolo und Credi kopierte, schrieb er ja nicht auf die
Kopien: das hat Mantegna usw. gemacht. Vielmehr geniert er sich keinen Augenblick, die Kopien
mit der eigenen Dürersignatur und der Jahreszahl zu versehen. Auch schreibt er auf eine
Zeichnung von Wolf Traut: »Das hat Traut gemacht«. Es ist also klar, daß es sich um Schongauer-
Zeichnungen handelt, für die der im Schatten sich verdickende Strich, reguläre und gekreuzte
Schraffen, Häufung von Häkchen typisch sind. Sie sind plastischer und bestimmter als Dürersche,
und die sicheren Striche wirken wie Schnitte im Kupfer.
Ein weiteres Blatt liefert geradezu einen Beweis für die Schongauersche, nicht Dürersche Urheber-
schaft in solchen Fällen. K. H. v. Heinecken erwähnt in seinen »Neuen Nachrichten von Künstlern
und Kunstsachen« I, 1786, p. 406 f. ein (verschollenes) Blatt in Großfolio, das Dürer folgender-

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