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Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung [Editor]
Nassauische Annalen: Jahrbuch des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung — 52.1931

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Wilhelmi, Eduard: Die Zehntfrage und ihre Bedeutung in der Nassauischen Revolution im Jahre 1848-1849
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https://doi.org/10.11588/diglit.62032#0184
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Eduard Wilhelmi.

des Fürsten und brachte ihm seine Sympathien entgegen. Eine ständige Zehnt-
kommission überwachte die Ablösung.7) Die Freude über die Möglichkeit, sich
aus dem wirtschaftlichen Elend zu befreien, wurde aber getrübt. Denn der
ärmere Teil der Landbewohner war äusser stände, sich zehntfrei zu machen.
Die Kommission erkannte den Übelstand, wusste aber kein Mittel äusser der
Übernahme eines Teiles der Ablösungssumme durch den Staat. Ein solches
Ansinnen an die Stände zu richten, war zwecklos, da die Standesherren der Herren-
bank rundweg erklärten, dass sie nicht die Hand bieten könnten, private Schulden
zu bezahlen. Jeder solle sich selbst befreien.8)
Da kam das Jahr 1847 mit seiner Missernte. Die Not der Nassauer Be-
völkerung war derart, dass man vor einer Hungersnot stand. Nur durch staat-
liche Geldmittel zum Ankauf von Lebensmitteln und genaue Vorschriften über
die Verwendung der geringen Nahrungsmengen, konnte das Schlimmste abge-
wandt werden.9) In dieser bedrängten Lage war der Bevölkerung so recht klar
geworden, dass endlich Mittel und Wege gefunden werden mussten, den Zehnten
auf schnellste Art zu beseitigen. Das in ganz Deutschland sich kundmachende
V erlangen nach jBefreiung vom Zehnten, überhaupt der wirtschaftlich sozialen
Not, bewogen den Heppenheimer Kongress 1847, an dem Hergenhahn teilnahm,
in den deutschen Einzelländern Erhebungen veranstalten zu lassen, wie der
wirtschaftlichen Besserung die Wege geebnet werden könnten. Für Nassau
erhielt Hergenhahn diesen Auftrag. Die Liberalen zu Heppenheim hatten er-
kannt, dass an dieser Stelle die erste Hilfe einzusetzen habe, um die Bauers-
leute den sich immer breiter machenden Radikalen nicht in die Arme treiben
zu lassen.10)
Das Vorhaben der Liberalen wurde durch die 1848 ausbrechende Revo-
lution beschleunigt. In Nassau war es derselbe Hergenhahn, der die Revolution,
besser gesagt, die Reform in die Wege leitete. Er war Prokurator zu Wies-
baden und hatte als solcher einen tiefen Einblick in die wirtschaftliche und soziale
Not der Bevölkerung gewonnen. Als Anwalt war er stets für Besserung der
Notlage eingetreten.11) Das brachte ihm bald einen grossen Ruf in ganz Nassau.
Seine Hilfe war derart begehrt, dass man ihm ein jährliches Einkommen von
6—8000 Fl. nachrechnen konnte.12) Als dieser Mann am 2. März 1848 die
Nassauer nach Wiesbaden zusammenrief, folgte ihm das ganze Land. Alle
sahen in ihm den Mann, der endlich das Volk vom Zehnten und anderen Lasten
befreien würde. Dass Hergenhahn seine Reform auf staatspolitischer Grund-
lage aufgebaut hatte, bemerkten sie nicht.13) Als am 3. März die ersten Bauern
der Umgegend bewaffnet in Wiesbaden erschienen und vor dem herzoglichen
Schlosse für ihre wirtschaftlichen und sozialen Ansprüche demonstrierten, musste
7) Nassauisches Verordnungsblatt v. 4. Mai 1848.
8) Freie Zeitung v. 19. Juli 1848.
9) Nassauische Verordnungsblätter v. 1847.
10) Allgemeine deutsche Biographie, Band 12 S. 105.
”) Nass. Allgem. Zeitung v. 1. August 1848.
12) Ebenda.
1S) Vergl. Dr. Ed. Wilhelmi: Nassaus innere Politik vom Beginn der Revolution 1848
bis zum Rücktritt Hergenhahns.
 
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