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Künstler-Gesellschaft Zürich [Hrsg.]
Neujahrsblatt der Künstlergesellschaft in Zürich — 34.1874

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Aurel Robert
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II.
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III.
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https://doi.org/10.11588/diglit.43125#0017
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11

Beide auffordere, herzukommen. Man kann hier sparsam leben, ruhig arbeiten und dazu noch tausend
interessante Anregungen finden. Ich fühle mich angezogen trotz der Langeweile, die mein Befinden mir
verursacht und die Ihr wohl aus meinen Briefen herausgefühlt haben mögt. . . . Ich wünsche mir nur
einige vertraute Genossen, auf deren Rathschläge und Freundschaft ich zählen kann, und somit mag es
wohl nicht befremden, wenn ich einen Bruder dazu auffordere, mit dem ich gerne wieder zusammen
lebte, und ich es ferner wünschte, dass ein guter und talentvoller Freund ihn begleitete.“1) —Endlich,
im Februar des Jahres 1833, traf Aurel in Venedig ein, zur Freude seines Bruders, der von Neuem
aufzuleben schien.
III.
In Venedig trat Aurel eine völlig neue Welt entgegen; denn unter allen Städten Italiens ist
sie diejenige, welche nächst Rom den höchsten Zauber der Originalität besitzt. Nirgends lebt voller die
Erinnerung an eine mächtige Vergangenheit fort. Venedig hat wie Rom über Königreiche geherrscht
und seine Macht eine Zeit lang in fernen Welttheilen geübt. Glänzend in orientalischer Pracht und
wetteifernd im Edelsten, was die Kunst des Abendlandes schuf, haben sich beide Städte mit unsterblichen
Denkmälern geschmückt. Für Rom und Venedig ist endlich die Zeit gekommen, die aller Macht und
Herrlichkeit auf Erden harrt, aber unvergessen in märchenhafter Pracht ragen liier wie dort ihre Zeugen
empor. Seit Jahrhunderten sind diese Städte ein Ziel der Künstler geblieben, gleich wunderbar durch
das Erbe der Vergangenheit wie durch den Einklang, in den die Natur mit jenen Schöpfungen tritt.
Hat Rom seine Campagna, ein Wunder der Linien, so baut sich Venedig nicht minder stolz aus den
Wogen der Adria empor, lautlos und dennoch belebt, voll Ernst und melancholischer Pracht, doch
immerdar farbig verklärt durch die seltsam gebrochene Luft, welche den Lagunen entsteigt.
Kein Wunder, wenn Aurel in solcher Umgebung mit ganzer Begeisterung sich wieder der früheren
Richtung, der Architekturmalerei zuwandte; Venedig bietet hiefür eine Fülle der prächtigsten Motive dar.
Seine ersten Werke freilich zeigen noch einen starken Hang zum Genrehaften. So hat er einen venetia-
nischen Fischer mit Frau und Kind gemalt und eine jener anmuthigen Scenen, die sich täglich
stündlich an den Brunnen Venedigs wiederholen, dann aber auch eine Ansicht des Canale Grande. Von
da an siegt die alte Neigung wieder und mit der ganzen Kraft seines Willens und des ihm angebornen
Talentes wendet sich nun Robert demjenigen Denkmale zu, das seither zeitlebens sein Liebling, das
Urbild seiner gefeiertsten Schöpfungen blieb.
„Wundersame Kirche! — schreibt ein Franzose über S. Marco — düster und doch voll Glanz,
Alles ist Licht, aber ein Funkeln im Schatten. Uebergossen mit goldstrahlenden Ornamenten und geziert
mit dem seltensten Gestein, ist sie einer schmuckvollen Rüstung gleich, ihr Reichthum an Schildereien
aber gemahnt an die Bilderfülle mittelalterlicher Manuscripte. Legenden und Verse, vielsprachig und
oftmals dunkel, verbinden sich im geheimnissvollen Dämmerlichte mit symbolischen Malereien. Tausend
Erscheinungen: Apostel und Heilige, Engel und Märtyrer schauen von Wänden und Gewölben hernieder,
Gestalten von barbarischem Ansehen, doch unverkennbar an ihre hohen Vorbilder, die Schöpfungen
griechischer Plastik erinnernd.“2)

1) Brief an die Seinigen, d. d. 15. October 1832. Bibi. Univ. Bd. 41, pag. 576.
2) Bibliotheque Universelle. Bd. 45, pag. 506.
 
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