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JÜRGEN KRÜGER
langelo und Palladio nahezu alles studieren. Italien blieb im frühen 19. Jahrhundert das
klassische Bildungsland, wenn es auch in mancher Hinsicht Konkurrenz bekam.
So hielten sich die wichtigsten badischen Architekten in Italien und speziell Rom auf,
angefangen bei Friedrich Weinbrenner (1792-1797 in Rom) über Heinrich Hübsch
(1817-19) bis hin zu Karl Joseph Berckmüller (1825 in Rom)2. Die Reise selbst wurde be-
reits zur Ausarbeitung der Zeichnungen genutzt. So fertigte Hübsch seine Ansicht des
Theseus-Tempels von Athen keineswegs in der griechischen Metropole an, sondern ar-
beitete das Blatt bei seinem längeren Aufenthalt in Rom aus (Abb. 1). Und neben den klas-
sischen Kunstwerken gerieten recht früh auch mittelalterliche Bauten ins Blickfeld der Ar-
chitekten, wenn etwa Berckmüller die mittelalterlichen Bauten Sienas skizzierte. Mit dem
Verhalten Goethes verglichen, der solche Etappenorte nur flüchtig durcheilte, um sein er-
sehntes Ziel Rom zu erreichen, bemerkt man sofort die anderen Wertungen der neuen Ge-
neration.
In der Tat suchten die jungen Architekten auch vollkommen neue Ziele. So hat Berck-
müller gleich mehrere Reisen nach Westen unternommen: 1823 weilte er in Paris (Abb. 2)
und 1837 in Manchester3. Diese anderen Länder waren mit der aufkommenden Industria-
lisierung ins Visier der Baumeister und Reisenden allgemein geraten. Mit der Industriali-
sierung hatte sich die wirtschaftliche Kraft und damit natürlich auch der Schwerpunkt der
aktuellen Architekturszene verschoben, England und Frankreich standen nun im Mittel-
punkt des Interesses.
England zeigte als erstes Land die Dynamik der neuen Wirtschaftsmethoden und die
ersten technischen Erfolge der industriellen Revolution. Synonym dafür können die Ent-
wicklung der Dampfmaschine und der Eisenindustrie gesehen werden, die erste große Er-
folge zeigte und bereits negative Auswirkungen wie Slumbildung und Proletariat erken-
nen ließ. Der gesellschaftliche Prozeß, der in England um Jahrzehnte früher als auf dem
Kontinent begonnen hatte, hatte größte Auswirkungen auf die Baukunst gehabt: neue Di-
mensionen im Fabrikbau, überhaupt neue Bauaufgaben, und daneben eine Wiederbele-
bung alter Institutionen, die für Sozialdienste dringend benötigt wurden, alles in allem also
Grund genug auch für Architekten, sich dort umzusehen. In den gleichen Jahren unter-
nahm auch Karl Friedrich Schinkel seine Reise nach England4. Wie Berckmüller faszi-
nierten auch ihn die rauchenden Schlote von Manchester.
2 Der Aufenthalt deutscher Reisender in Rom ist am sorgfältigsten dokumentiert bei F. Noack,
Das Deutschtum in Rom seit dem Ausgang des Mittelalters, 2 Bde., Stuttgart 1927, zu Weinbrenner
ebda. Bd. 2, S. 632; H. Hübsch, Die altchristlichen Kirchen nach den Baudenkmalen und älteren Be-
schreibungen und der Einfluß des altchristlichen Baustyls auf den Kirchenbau aller späteren Peri-
oden, 2 Bde., Carlsruhe 1862/63, hier Bd. 2, S. 280. - Speziell zur Reise Weinbrenners vgl. A. Val-
denaire, Friedrich Weinbrenner. Sein Leben und seine Bauten, Karlsruhe 21926, ND 1976, S. 21-55.
- Zu Heinrich Hübsch vgl. W. Schirmer (Red.), Heinrich Hübsch 1795-1863. Der große badische
Baumeister der Romantik, Karlsruhe 1983. - Zu Berckmüller vgl. E. Spitzbart, Karl Joseph Berck-
müller 1800-1879. Architekt und Zeichner (Friedrich Weinbrenner und die Weinbrenner-Schule 3),
Karlsruhe 1999, S. 67ff.
3 Spitzbart (wie Anm. 2), S. 47ff. und 119f.
4 Die Tagebücher Schinkels hg. von G. Riemann, Karl Friedrich Schinkel. Reise nach England,
Schottland und Paris im Jahre 1826, München 1986 sowie R. Wegner (Bearb.), Die Reise nach Frank-
reich und England im Jahre 1826 (Karl Friedrich Schinkel - Lebenswerk 16), München 1990.
JÜRGEN KRÜGER
langelo und Palladio nahezu alles studieren. Italien blieb im frühen 19. Jahrhundert das
klassische Bildungsland, wenn es auch in mancher Hinsicht Konkurrenz bekam.
So hielten sich die wichtigsten badischen Architekten in Italien und speziell Rom auf,
angefangen bei Friedrich Weinbrenner (1792-1797 in Rom) über Heinrich Hübsch
(1817-19) bis hin zu Karl Joseph Berckmüller (1825 in Rom)2. Die Reise selbst wurde be-
reits zur Ausarbeitung der Zeichnungen genutzt. So fertigte Hübsch seine Ansicht des
Theseus-Tempels von Athen keineswegs in der griechischen Metropole an, sondern ar-
beitete das Blatt bei seinem längeren Aufenthalt in Rom aus (Abb. 1). Und neben den klas-
sischen Kunstwerken gerieten recht früh auch mittelalterliche Bauten ins Blickfeld der Ar-
chitekten, wenn etwa Berckmüller die mittelalterlichen Bauten Sienas skizzierte. Mit dem
Verhalten Goethes verglichen, der solche Etappenorte nur flüchtig durcheilte, um sein er-
sehntes Ziel Rom zu erreichen, bemerkt man sofort die anderen Wertungen der neuen Ge-
neration.
In der Tat suchten die jungen Architekten auch vollkommen neue Ziele. So hat Berck-
müller gleich mehrere Reisen nach Westen unternommen: 1823 weilte er in Paris (Abb. 2)
und 1837 in Manchester3. Diese anderen Länder waren mit der aufkommenden Industria-
lisierung ins Visier der Baumeister und Reisenden allgemein geraten. Mit der Industriali-
sierung hatte sich die wirtschaftliche Kraft und damit natürlich auch der Schwerpunkt der
aktuellen Architekturszene verschoben, England und Frankreich standen nun im Mittel-
punkt des Interesses.
England zeigte als erstes Land die Dynamik der neuen Wirtschaftsmethoden und die
ersten technischen Erfolge der industriellen Revolution. Synonym dafür können die Ent-
wicklung der Dampfmaschine und der Eisenindustrie gesehen werden, die erste große Er-
folge zeigte und bereits negative Auswirkungen wie Slumbildung und Proletariat erken-
nen ließ. Der gesellschaftliche Prozeß, der in England um Jahrzehnte früher als auf dem
Kontinent begonnen hatte, hatte größte Auswirkungen auf die Baukunst gehabt: neue Di-
mensionen im Fabrikbau, überhaupt neue Bauaufgaben, und daneben eine Wiederbele-
bung alter Institutionen, die für Sozialdienste dringend benötigt wurden, alles in allem also
Grund genug auch für Architekten, sich dort umzusehen. In den gleichen Jahren unter-
nahm auch Karl Friedrich Schinkel seine Reise nach England4. Wie Berckmüller faszi-
nierten auch ihn die rauchenden Schlote von Manchester.
2 Der Aufenthalt deutscher Reisender in Rom ist am sorgfältigsten dokumentiert bei F. Noack,
Das Deutschtum in Rom seit dem Ausgang des Mittelalters, 2 Bde., Stuttgart 1927, zu Weinbrenner
ebda. Bd. 2, S. 632; H. Hübsch, Die altchristlichen Kirchen nach den Baudenkmalen und älteren Be-
schreibungen und der Einfluß des altchristlichen Baustyls auf den Kirchenbau aller späteren Peri-
oden, 2 Bde., Carlsruhe 1862/63, hier Bd. 2, S. 280. - Speziell zur Reise Weinbrenners vgl. A. Val-
denaire, Friedrich Weinbrenner. Sein Leben und seine Bauten, Karlsruhe 21926, ND 1976, S. 21-55.
- Zu Heinrich Hübsch vgl. W. Schirmer (Red.), Heinrich Hübsch 1795-1863. Der große badische
Baumeister der Romantik, Karlsruhe 1983. - Zu Berckmüller vgl. E. Spitzbart, Karl Joseph Berck-
müller 1800-1879. Architekt und Zeichner (Friedrich Weinbrenner und die Weinbrenner-Schule 3),
Karlsruhe 1999, S. 67ff.
3 Spitzbart (wie Anm. 2), S. 47ff. und 119f.
4 Die Tagebücher Schinkels hg. von G. Riemann, Karl Friedrich Schinkel. Reise nach England,
Schottland und Paris im Jahre 1826, München 1986 sowie R. Wegner (Bearb.), Die Reise nach Frank-
reich und England im Jahre 1826 (Karl Friedrich Schinkel - Lebenswerk 16), München 1990.