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Schwarzmaier, Hansmartin [Hrsg.]; Krüger, Jürgen [Hrsg.]; Krimm, Konrad [Hrsg.]
Das Mittelalterbild des 19. Jahrhunderts am Oberrhein — Oberrheinische Studien, Band 22: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2004

DOI Artikel:
Meier, Nikolaus: Das Mittelalter im Phantasiehaushalt der Stadt Basel
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https://doi.org/10.11588/diglit.52739#0206
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NIKOLAUS MEIER

1675 in Basel und unternahm auch eine Edition von Erasmus’ Lob der Torheit mit Hol-
beins Randzeichnungen, die 1676 erschien; darin publizierte er zum ersten Mal ein Ver-
zeichnis der Werke Hans Holbeins d. J., das erste Werkverzeichnis eines Künstlers über-
haupt2 3.
Aber wohl ist es Carl Friedrich Drollinger, Hofrat und Konservator der markgräflich
Baden-Durlachschen Kunstsammlung und seinem Freundeskreis, der Basler Deutschen
Gesellschaft zu danken, daß der Sinn für bildliche Merkwürdigkeiten in der Stadt wuchs,
denn dieser Gesellschaft widmete Daniel Bruckner (1707-1781) seinen Versuch einer Be-
schreibung historischer und natürlicher Merkwürdigkeiten der Landschaft Basel, die zwi-
schen 1748 und 1763 in 23 Lieferungen erschien.
Öffentlich anerkannte man antiquarischen Objekten einen eigenen Wert in der städ-
tischen Vorstellungswelt zu, als die Ratsherren 1772 dem Bäckermeister und Malerdi-
lettanten Emanuel Büchel (1705-1775), begabt für wissenschaftliches Zeichnen und ge-
prägt von akkuratem Sinn zur Genauigkeit, den Auftrag erteilten, die Monumente des
Münsters und Fresken und Grabsteine des Katharinenklosters zeichnerisch zu erfassen
(Abb. 83 f. Auch wenn Büchel aus eigener Initiative und in der Tradition Daniel Bruck-
ners die Denkmäler aufzunehmen begann, so waren die Ratsherren doch stolz geworden
auf dieses Besitztum aus einer Zeit, die man als eigenständige Epoche wahrzunehmen
begann; die archäologischen Stücke wurden immer mehr zum Symbol vergangener Zeit.
1777 übergab der Kleine Rat Hans Holbeins d.J. Passionsaltar, bis anhin als Zeichen
protestantischer Staatsfrömmigkeit in der Ratsstube im Rathaus geborgen, der Öffentli-
chen Bibliothek im Haus zur Mücke, denn dort sollte der Altar neben den anderen Wer-
ken Hans Holbeins jetzt als ein Werk der Kunst Beachtung und Anerkennung finden.
Wohl während der reformatorischen Unruhen aus dem religiösen Funktionszusammen-
hang gerettet und dann im Rathaus aufgestellt als Zeichen religiöser, die politischen
Handlungen bestimmende Mahnung neu eingesetzt, wurde nun das Altargemälde Ende
des 18. Jahrhunderts endlich, nachdem noch 1713 ein Gesuch um Transferierung in das
Haus zur Mücke abgelehnt worden war, kunsthistorischer Kennerschaft und Kunst-
frömmigkeit hingestellt4. Holbeins Gemälde wurde nach dem Dienst in Religion und
Staat jetzt in den Dienst der Kultur genommen; erst jetzt anerkannten die reformierten
bilderfeindlichen Ratsherren der Bildenden Kunst Bedeutung und Rang für eine ihrer
staatlichen Kultureinrichtungen zu5.

2 Vgl. F. Meyer, Geschichte der öffentlichen Kunstsammlung zu Basel (1. Teil), in: Basler Jahrbuch
1891, S. 147-176; O. Fischer, Geschichte der Öffentlichen Kunstsammlung, in: Festschrift zur
Eröffnung des Kunstmuseums, Basel 1936, S. 32-34; für den weiteren Zusammenhang A. Momig-
liano, Ancient History and the Antiquarian, (Journal of the Warburg and Courtauld Institutes 13),
London 1950, S. 285-315; A. Schnapper, Raphael, Vasari, Pierre Daret: A l’aube des catalogues, in:
II se rendit en Italie. Festschrift Andre Chastel, Rom 1987.
3 B. Trachsler, Der Basler Zeichner Emanuel Büchel, Basel 1973.
4 Vgl. M. Burckhardt, Europäische Nobilitäten auf der Durchreise in Basel, in: Basler Zeitschrift
für Geschichte und Altertumskunde 71 (1971), S. 203-250.
5 Fischer (wie Anm. 2), S. 41 und 46.
 
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