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Ohnefalsch-Richter, Max
Kypros, Die Bibel und Homer: Beiträge zur Cultur-, Kunst- u. Religionsgeschichte des Orients im Alterthume, m. bes. Beruecks. eigener zwoelfjaehrigen Forschungen u. Ausgrabungen auf d. Insel Cypern (Text) — Berlin, 1893

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https://doi.org/10.11588/diglit.5181#0183
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Max Ohnefalsch-Richter. Kypros, die Bibel und Homer.

und doch zugleich ein Pfahl.*) Wenn Jeremias (III, 9) sagt: „denn sie trieb Ehebruch mit dem
Stein und mit dem Holze", so ist eben damit gemeint, dass diese obscönen aldola und ihr Cultus in
der That den Ehebruch sanetionirten, wie sie von den Jungfrauen die Scham, das Opfern der
Jungfernschaft verlangten.

Auch glaube ich bewiesen zu haben, wie der sechs- oder achteckige Stern vielfach das männ-
liche Geschlecht und die Sonne, die Sichel das weibliche Geschlecht und den Mond bedeutet."'*) Das
Doppelzeichen, der Sonnenstern oder die Sonnenscheibe, um welche sich bald oben, bald unten die
Mondsichel legt (Taf. LXXX 1 u. 7, LXXXII, 7, LXXXIII, 21 u. s. w.) ist ein echt phönizisches Symbol, das
auf die mannweibliche Astarte-Aphrodite Cypern's vortrefflich passt und denn auch in Phönizien,
besonders aber auf Kypros überaus häufig ist***) (In Karthago z. B. Taf. LXXXV, 9). Das Viereck
zeigt ferner wiederum das weibliche Wesen und die Fruchtbarkeit an. Ein ähnlicher Sinn scheint
dem ebenfalls häufig eingeführten Fischbildef) gegeben zu sein. In irgend welchem causalen Zu-
sammenhange müssen besonders auch auf cypri-
schen (S. 97, Fig. 132) und karthagischen (Fig. 157),
also phönizisch beeinflussten Alterthümern Hand
und Fisch gestanden haben. Wir werden auch
gleich sehen, wie und warum. Doch zuerst von der
menschlichen Hand. W. R. Smith hat nämlich für
eine weitere Abart heiliger Masseben, Cippi, Stelen
oder Pfeiler die menschliche Hand als Krönung
durch die Alterthümer nachgewiesen und den bib-
lischen Belegdafür durch die richtige Interpretation
einer Jesaiastelle (57,8) ff) gebracht.fff) Ich bilde

Fig. 157-

Fig. 15

•) Mit R. Smith (Religion of the Semits, S. 437—438) glaube ich dagegen, dass die zwei hohen Säulen
am Tempel von Jerusalem wie am Tempel von Paphos keine Phalloi, keine v-vdqoc aldola waren. Anderer-
seits hoffe ich, Movers Ansichten über die obseöne Form gewisser Ascheren und Masseben bestätigt und
erweitert zu haben im Gegensatz zu Smith (Additional note Ep. 195. The supposed phallors significience of
salved posts and pillars = Perrot III, S. 458, Fig. 328) und im Einklang mit Perrot (IV, Index, S. 385).

**) Menant bezeichnet in verschiedenen seiner Publikationen stets den Sonnenstern als Symbol des
Samas und die Mondsichel als Symbol des Gottes Sin. In manchen Fällen mag er Recht haben. Dass aber
in vielen Fällen der Sonnenstern die männliche Gottheit (mag sie nun Samas, Baal, Merodach u. s. w. heissen),
die Mondsichel die weibliche (Istar, Beeltis, Astorct u s. w.) bezeichnet, dürfte ebenfalls jetzt als erwiesen
gelten. Das ist auch die Ansicht von Baudissin, Semitische Religionsgeschichte IL, S. 219. Eb. Schrader sagt
ferner in seinem Aufsatz „Die Abstammung der Chaldäer und die Ursitze der Semiten". Lstar-Astarte wurde
nach Eliminirung der babylonischen Mondgottheit Sin — zu der ernsten strengen Mondgottheit. Ebenda
zeigt Schrader mit Hilfe eines Syllabar's (III. Rawl. 53. No. 2, Z 3 u. ff.), wie sich Istar und Baaltis aus dem
Venusstern differenciren, Istar ist der Venusstern bei aufgehender, Baaltis bei untergehender Sonne.

***) Man kann aus Cypern viele Hunderte von Beispiele beibringen. In Aegypten als Kopfschmuck der
aus der Fremde eingeführten Göttin von Kadcsch ob. S. 79 Fig. 100.

t) Oben S. 97 Fig. 133, Taf. XXVIII, 1, 13 u. XXIX, 6, 8, XXX, 1, LXXX, 3. Beim Dagon- und Fisch-
cultus bringe ich noch andere Fischbilder zur Sprache und zur Darstellung.

ff) Und hinter der Thür und dem Pfosten brachtest Du dein Merkzeichen an; denn abtrünnig von mir
hast Du dein Lager aufgedeckt und bestiegen, hast es weit gemacht . . . Du liebtest ihr Beilager, schautest
nach [jeder winkenden Hand] aus. (Kautzsch).

tft) Religion of the Semits, S. 437. Nur ist, wie wir sehen, Smith im Irrthume, wenn er aus der richtigen
Deutung einer Gruppe von heiligen Masseben oder Stelen mit der menschlichen Hand den Beweis für die
Nichtexistenz der Phallus als Massebenkrönung beigebracht zu haben glaubt.
 
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