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ist, als Dinge aus verklungenen Tagen, nicht ver-
gessen, daß, wie Robert Lederer in seinem Quer-
schnittaufsatz „Amerika als Schule der Vornehmheit“
schreibt, weiland der Sonnenkönig so gerochen hat,
daß bei seinen Hofleuten Ohnmachtsanfälle an der
Tagesordnung waren, daß der Marquis des 18. Jahr-
hunderts — denn der Bankier von 1930 richtet sich
ein wie der Junker von 1750 — seinen Bedienten
ins Antlitz schneuzte und seine signierten Sessel und
Kommoden beschmutzte und daß die Marquise mit
langen Nadeln den Läusen ihrer Perrücke zuleibe
ging — — Max Osborn schreibt: „Man ist durch-
aus noch kein Kunstfreund, wenn man auf Grund
einer „Expertise“ ein gleichwohl zweifelhaftes, zehn-
mal geflicktes, üäbermaltes, gefirnißtes, gehobeltes und
gebügeltes Gemälde kauft und wenn ihm selbst
Bibliothek um 1800, Herrmann Gerson, Berlin so stolze Namen wie Dürer oder Tintoretto bei-
gelegt wurden”. — Leute, die vor dem Krieg
professional Schiwe saßen, sind empört, wenn man ihnen zumutet, sich auf nicht-
signierte Stühle zu setzen“, sagte neulich ein Bankier, der es wissen muß, da er selbt „antik“ ein-
gerichtet ist.
In Paris hat der Graf Etienne von Beaumont die Tapisserien, die er von seinen Ahnen geerbt hatte,
aus seinem Speisezimmer entfernen und verkaufen und es sich von Picasso ausmalen lassen und ein
Baron Rothschild seinen Wintergarten von de Chirico und in Stockholm der Streichholzkönig Kreuger
seine Kontore von Isaac Grünewald. Der Vicomte Charles von Noailles hat in seinem Garten bei Hyeres

Sammlungen alter. Meister in Europa aufgelöst worden sind (es ist merkwürdig, wie wenig Sammlungen moderner
Kunst dagegen zur Auflösung kamen) eine Sammlung von 500 Werken zusammengebracht hat, von den frühen Sienesen
und Kölnern bis ins 19. Jahrhundert hinein, darunter einige Stücke von unerhörter Schönheit. Jetzt hat Baron Thyssen
diese Sammlung der Stadt Düsseldorf für 20 Jahre als Leihgabe gegeben. Dr. Richard Klaphek schreibt in seinem Buch „Die
Kunstsammlungen der Staatlichen Kunstakademie zu Düsseldorf“ (Düsseldorf 1928): „In der Altstadt Düsseldorf stecken die
Bürger die Köpfe zusammen „zu des Publici besten und jedermanns deutlicher Nachricht“ herausgegebenen „Gülich Bergischen
Wödchentlichen Nachrichten“ oder die „Stadt Düsseldorfer Postzeitung“ und die Namen der in Düsseldorf letzthin angekommenen
Fremden, die in der Altstadt Nr. 17 im „Hof von Holland“ oder in der Bolkerstraße im „Zweibrücker Hof“ abgestiegen sind.
Auch draußen vor den Toren der Stadt bei Fritz Jacobi in Pempelfort, im ' heutigen Malkasten, ist wieder einmal viel Besuch.
Wer ist da nicht alles zu Gast gewesen? Diderot, Goethe Lavater, Basedow, Jung-Stilling, Förster, Heinse, Iffland, Herder,
Wilhelm und Alexander von Humboldt, die Fürstin Gallitzin mit ihrem gelehrten und münsterischen Kreis, den Hemsterhuys,
Dohm, Buchholz, Friedrich Leopold von Stolberg, Franz von
Fürstenberg, dem klugen Landesminister, u. a. m. Und was sie
nach Düsseldorf führte? Goethe notiert in seinen Lebenser-
innerungen: „Auf der Galerie — d. h. in den Kunstsammlungen
des Kurfürsten Johann Wilhelm (1690—1716) auf dem Burgplatz
— „war die gewöhnliche Zusammenkunft der Freunde, die zum
Pempelforter Zirkel gehörten“. Heinses „Briefe aus der Düssel-
dorfer Gemäldegalerie“ im „Teutschen Merkur“ 1776 und 1777
hatten weit in die Lande hinein ein hohes Lied auf die Düssel-
dorfer Kunstsammlungen gesungen“. Im Jahre 1805 verlor
Düsseldorf seine Sammlung. Das einzige, was es behielt, war
eine Kunstakademie und den Titel einer „Kunststadt am Rhein:“
Mehrmals ließ sich die Stadt Gelegenheiten entgehen, sich den
Namen wirklich zu verdienen, 1912 die Nemes-Sammlung und
nach O.E. Osthau’s Tod die des Folkwang-Museums zu Hagen,
Die eine Sammlung wurde durch eine Versteigerung aufgelöst,
die andere ging nach Essen, das früher die Hauptkonsumentin
der Düsseldorfer Kunstproduzenten gewesen war. Durch die
Thyssensche Sammlung iritt Düsseldorf wieder ein in die
Reihe europäischer Kunststädte. Wenn irgendein Mann den Titel
eines Düsseldorfer Ehrenbürgers verdient, so ist das der
Baron von Thyssen. Etagere signiert „Leleu‘“ um 1800, Herrmann Gerson, Berlin

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