Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
dunkel gegen den hellen Himmel steht. Auf dem Bilde „Zürich“ bildet die
aufsteigende warme Luft an den Türmen blaue Streifen, die im Bilde
die Höhe der Türme steigern. So könnte ich noch viele Fälle anführen, wo
Naturgesetze im Dienste der Gestaltung stehen und neue Formen erzeugen.
Oft kommen auch frei erfundene Zeichen vor, die in der Art der Signal-
zeichen bei der Bahn, auf den Landstraßen etc. zu lesen sind. Auch der
reine Empfindungswert der Linien wird als Gestaltungsmittel verwendet.
Wie alle anderen optischen Erscheinungen, nutze ich auch Licht und Schatten
rein formal und flächig, sie verlieren dabei ihre gegenständliche Funktion
und werden zu Trägern der Bildabsicht. So ziehen sich durch das Licht in
dem Bilde der Tanzenden die beiden Köpfe in eine Form zusammen.

Das moderne Licht der Städte, in Verbindung mit der Bewegung der Straßen,
gibt mir immer neue Anregungen. Es breitet eine neue Schönheit über die
Welt, die nicht in der Einzelheit des Gegenständlichen liegt. Durch die Schulung
an diesen so reichen Problemen bekam auch die freie Natur draußen ein
anderes Gesicht für mein Auge. Neben dem Auge hilft der Tastsinn zur
Gestaltung mit.

Ich hoffe, mit diesen kurzen, sehr lückenhaften Betrachtungen dem Kunst-
freund den Zugang zu meinen Bildern ein wenig zu erleichtern. Wert und
Kraft eines Bildes sind unabhängig von seiner größeren oder geringeren
Naturnähe. Realistisch oder abstrakt sind Eigenschaften, nicht Qualitäts-
begriffe. Wichtig ist, daß ein Erlebnis des Lebens oder der Phantasie mit
reinen, eigenen Mitteln gestaltet wird, nur so entsteht ein Kunstwerk. Traum
und Leben, Liebe und Erkenntnis gehören zum Schaffen. Der letzte eigent-
liche Kern und Ursprung der Kunst aber ist Geheimnis.

Holzschnitt
Hirte mit Kalb

<

&


. —


—— s

94
 
Annotationen