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Overbeck, Johannes
Pompeji in seinen Gebäuden, Alterthümern und Kunstwerken: für Kunst- und Alterthumsfreunde — Leipzig: Engelmann, 1856

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https://doi.org/10.11588/diglit.73847#0034
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der Vesuv, Pompejis Lage, Heerstrassen in Campanien.

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Capri von einer Fruchtbarkeit und von einer landschaftlichen Schönheit zu-
gleich, welche ihr im Munde aller Reisenden den Namen eines Paradieses
verschafft und sie zum unzählige Male wiederholten Gegenstand unserer Land-
schaftsinalerei gemacht haben. Die Gegend ist eine Ebene, aber keineswegs
eine weitausgedehnte flache, wie unsere norddeutsche, sondern eine fast ganz
von Bergen umgrenzte, nur westlich nach dem Meere hin offene und deshalb
den feuchten und kühlenden Seewinden zugängliche. In ihrer Mitte steigt
nicht fern vorn Meeresstrande der gewaltige Kegel des Vesuv empor, der da-
mals vor dein ersten geschichtlich bekannten Ausbruche, der Pompeji ver-
wüstete, bis hoch an seinen Gipfel vorn herrlichsten Laubwalde bedeckt war.
Die Vulcanität des Bodens, welche bekanntlich überall die Quelle grosser
Fruchtbarkeit ist, erkannte für unsere Gegenden um den Vesuv, obgleich man
diesen für längst erloschen und ausgebrannt hielt, bereits der unter August
schreibende Geograph Strabon als den Grund des Reichthums an den edelsten
Producten der Vegetation, Getraide, Wein und Oel an; Olivenwälder be-
deckten namentlich die ansteigenden Höhen der südlichen und mittleren Ge-
gend, während aus der nördlichen zwischen dem Liris und Vulturnus, aus
dem Gebiete von Teanum, dem ager Falernus der bekannte Falernerwein und
der kaum minder ehele Massiker stammte. Wir brauchen übrigens nur an die
heutigen Tages an allen Abhängen des V esuv producirten Weine zu erinnern,
um es wahrscheinlich zu machen, dass auch iin Alterthum der uns zunächst
interessirenden südlichen Gegend manch edles Gewächs nicht gefehlt haben
wird, obgleich Plinius angiebt, der Wein Pompejis sei erst in beträchtlichem
Alter ohne unangenehme Folgen geniessbar gewesen. Reben vielleicht weniger
vorzüglicher Gattung haben sich aber unstreitig damals, wie heute, fast wild
in die Bäume emporgerankt und wie Festons von Stamm zu Stamm geschlungen.
Zu der Fruchtbarkeit der Gehend gesellt sich deren hohe landschaftliche
Schönheit, welche in dem bekannten » vedere Napoli e puoi muorir« sprich-
wörtlich geworden, aber keineswegs auf Neapels Aussichten allein beschränkt ist.
Es dürfte sehr die Frage sein, ob nicht Pompejis Lage namentlich damals,
als vielleicht das Meer seine Wellen bis nahe an die Stadtmauern rollen liess, als
ein schiffbarer Fluss, der Sarnus, dicht neben ihr ins Meer ausmündete, sich mit
der Neapels messen durfte. Auch heute noch ist die Aussicht von den freien
Höhepunkten der Stadt, von dem Podium des Jupitertempels, von dem Stein-
sitze auf dem Forum triangulare, der offenbar dort der'Aussicht zu Triebe ge-
gründet wurde, endlich von den oberen Rängen des Theaters und namentlich
des Amphitheaters eine überaus entzückende. Stellen wir uns auf dem letz-
teren Punkte so, dass wir den leichte schwarze Wolken ausstossenden, nur
} Meile entfernten Vesuv zur Rechten haben, so schweifen unsere Blicke über
die schöne, gewellte, grüne, von Pappel- und Maulbeer- und Piniengruppen
unterbrochene, mit Dörfern und Städtchen reich übersäete Ebene hinaus auf
den klarblauen Golf von Neapel, den Schiffe mit weissen Segeln wie Schwäne
 
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