Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Overbeck, Johannes
Pompeji in seinen Gebäuden, Alterthümern und Kunstwerken: für Kunst- und Alterthumsfreunde — Leipzig: Engelmann, 1856

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.73847#0039
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
14

I. Zweites Capitel.

Zweites Capitel.
Geschichtliche Notizen über Pompeji bis zur Verschüttung.
Von einer Geschichte Pompejis kann nicht die Rede sein, denn kaum ein
halbes Dutzend kurzer Notizen über die Schicksale der Stadt sind auf uns
gekommen; Pompeji hat offenbar das glücklichste Loos gehabt, welches kleinen
Landstädten fallen kann, die zu grossen Rollen in der Geschichte nicht be-
rufen sind, das Loos unbeachteten und ungestörten Daseins, bei dem Handel
und Wandel blühen, und bei dem unter Campaniens glücklichem Himmel die
Pompejaner es sich gewiss eben so wohl sein liessen wie ihre Nachbarn in
den grösseren, wegen ihres Luxus und ihrer Ueppigkeit bekannten Städten.
Nach dem was wir schon im vorigen Capitel über die wahrscheinlichste
Namensdeutung Pompejis sowie über seine Gründung bemerkt haben, erscheint
es als unnütz, hier die Gründungssagen anzuführen, die in's Gebiet der Fabel
gehören, oder die Namensableitungen zu besprechen, welche so wenig Gewähr
haben, wie jene. Wie lange Pompeji gestanden haben mag, als es uns im Jahre
310 v. Chr. Geb. zuerst genannt wird, vermögen wir nicht zu entscheiden, aber
auf ein beträchtliches Alter weist die einheimischen Baumeistern an^ehörende
Construction der Mauer in ihren unteren Partien und weisen die Ruinen des
sogenannten Herculestempels hin, welcher von griechischen Künstlern in einer
Zeit erbaut sein muss, die von der Zeit der berühmten altdorischen Tempel
von Selinus und Paestum, d. h. dem 7. Jahrhundert nicht gar weit absteht.
Heber die Verfassung, unter welcher Pompeji stand, so lange es eine freie
oskisch-samnitische Stadt war, müssen wir uns auch mit wenigen Andeutungen
genügen lassen. Zunächst ist es bemerkenswerth, dass, so wenig wir jemals
von einem einheitlichen Volke der Campaner lesen und so wenig die nach und
nach alle Städte Campaniens erobernden Samniten daheim eine staatliche Ein-
heit bildeten, was ihr endliches Unterließen ge^en Rom bedingte , dieselben
eben so wenig in Campanien zu einer Gesamintverfassung oder selbst zu einer
dauernden Eidgenossenschaft, die sich über den Heerbann im Momente der
Noth erhoben hätte, zusainmentraten. In den Inschriften ist wenigstens keine
Spur von einer Centralgewalt, welche gemeinsame Anordnungen für mehre
Städte getroffen hätte, und in ihnen sowohl wie in den Schriftstellern werden
immer nur städtische Localbehörden genannt. Der gemeinsame oskische Name
dieser ist Meddix oder in der Grundform medix von dem Stamm des lat.
Verbums mederi, welchen wir mit »walten« übersetzen können, die oskischen
Behörden hiessen also »Walter« im Sinne von »Herrscher«, aber mit dem Neben-
begriff der vorn Volke eingesetzten und einer republicanischen Gemeinde
gegenüber ausgeübten Gewalt, im Gegensätze der im Worte »Herrscher « aus-
gedrückten königlichen. Zu dieser Bezeichnung medix tritt dann ein den
Amtskreis bezeichnendes Beiwort, und der höchste Magistrat wird durch
medix-tutikus (meddiss-toutiks) als öffentlicher oder »Staatswalter« bezeichnet.
 
Annotationen