Zweites Capitel: Die Strassen und Plätze Pompejis.
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Zweites Capitel.
Die Strassen und Plätze Pompejis.
Wenn wir nach der Betrachtung der Befestigungswerke die Stadt Pom-
peji betreten, so wird der Habitus der Strassen im Allgemeinen unsere Auf-
merksamkeit fesseln und auch die Einrichtung derselben als Wege bald unser
Interesse erregen. Eine Schilderung des Aussehns der Strassen und der Art
ihrer Herstellung und Pflasterung, an welche sich eine Darstellung der öffent-
lichen Plätze naturgemäss anlehnt, möge deshalb weiteren Betrachtungen voran-
gestellt werden.
Die Strassen Pompejis bieten keineswegs einen besonders mannigfaltigen
oder schönen Anblick dar, indem die Facaden der Häuser, weit entfernt von
dem Reichthum und der Abwechselung des mittelalterlichen oder modernen
Facadenbaus, fast nur glatte Wände mit der wenig verzierten Eingangsthür
und kleinen Fenstern im oberen und ausnahmsweise im unteren Geschoss
bilden. Es hangt dies mit der bezeichnendsten Eigenthümlichkeit des antiken
Hauses zusammen, welches wir als einen Innenbau kennen lernen werden,
der mit dem Verkehr der Strasse wesentlich nur durch die Eingangsthür zu-
sammenhing, während unsere Wohnhäuser mit ihren nach Möglichkeit zahl-
reichen Fensterreihen den steten Bezug zur Strasse darstellen. Am meisten
Mannigfaltigkeit gewähren den pompejanischen Häuserfronten die zahlreichen
Läden, welche die Häuser gewöhnlich im Erdgeschoss umgeben und, indem
sie zu Kauf und Verkauf allezeit weit geöffnet sind, die Einförmigkeit der
kahlen Facaden unterbrechen und Abwechselung von Licht und Schatten in
denselben hervorrufen. Zu einer Belebung der Strassen und Gassen tragen fer-
ner die zahlreichen Brunnen und sonstige kleinere Monumente, von denen
unten ins Besondere zu handeln sein wird, bei, während das Ganze durch die
helle Tünche und vielerlei Malerei auf den Aussenwänden wenn auch nicht
einen schönen und grossen, so doch einen überaus heiteren Eindruck macht.
Die meistens nach der Schnur gezogenen und einander rechtwinkelig
durchschneidenden Strassen und Gassen sind von verschiedener, aber niemals
von bedeutender Breite, indem man enge Strassen des reichlicheren Schattens
wegen für gesünder hielt (Tacit. Ann. 15. 43). Die grösste Breite einer Strasse
beträgt mit Einschluss der Trottoirs nicht mehr als 7 Meter, viele haben nur
4 und mehre nur 2% — 3 Meter Gesammtbreite, von der noch ein nicht Unbe-
trächtliches für die Trottoirs (margines) abgeht, so dass die Fahrstrasse (agger)
sehr eng erscheint. Ueberall aber sind die Fahrstrassen sanft gewölbt und mit
grossen Lavablöcken auf's Sorgfältigste gepflastert. Die Platten, in welche die
darüber gegangenen Wagen Rillen bis zu 1 und 1$" Tiefe eingeschliffen haben,
sind mit grosser Genauigkeit in einander gefugt und durch zwischengetriebene
Eisenkeile, kleine Steine, Granit und Marmorstücken, deren man sich nebst
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Zweites Capitel.
Die Strassen und Plätze Pompejis.
Wenn wir nach der Betrachtung der Befestigungswerke die Stadt Pom-
peji betreten, so wird der Habitus der Strassen im Allgemeinen unsere Auf-
merksamkeit fesseln und auch die Einrichtung derselben als Wege bald unser
Interesse erregen. Eine Schilderung des Aussehns der Strassen und der Art
ihrer Herstellung und Pflasterung, an welche sich eine Darstellung der öffent-
lichen Plätze naturgemäss anlehnt, möge deshalb weiteren Betrachtungen voran-
gestellt werden.
Die Strassen Pompejis bieten keineswegs einen besonders mannigfaltigen
oder schönen Anblick dar, indem die Facaden der Häuser, weit entfernt von
dem Reichthum und der Abwechselung des mittelalterlichen oder modernen
Facadenbaus, fast nur glatte Wände mit der wenig verzierten Eingangsthür
und kleinen Fenstern im oberen und ausnahmsweise im unteren Geschoss
bilden. Es hangt dies mit der bezeichnendsten Eigenthümlichkeit des antiken
Hauses zusammen, welches wir als einen Innenbau kennen lernen werden,
der mit dem Verkehr der Strasse wesentlich nur durch die Eingangsthür zu-
sammenhing, während unsere Wohnhäuser mit ihren nach Möglichkeit zahl-
reichen Fensterreihen den steten Bezug zur Strasse darstellen. Am meisten
Mannigfaltigkeit gewähren den pompejanischen Häuserfronten die zahlreichen
Läden, welche die Häuser gewöhnlich im Erdgeschoss umgeben und, indem
sie zu Kauf und Verkauf allezeit weit geöffnet sind, die Einförmigkeit der
kahlen Facaden unterbrechen und Abwechselung von Licht und Schatten in
denselben hervorrufen. Zu einer Belebung der Strassen und Gassen tragen fer-
ner die zahlreichen Brunnen und sonstige kleinere Monumente, von denen
unten ins Besondere zu handeln sein wird, bei, während das Ganze durch die
helle Tünche und vielerlei Malerei auf den Aussenwänden wenn auch nicht
einen schönen und grossen, so doch einen überaus heiteren Eindruck macht.
Die meistens nach der Schnur gezogenen und einander rechtwinkelig
durchschneidenden Strassen und Gassen sind von verschiedener, aber niemals
von bedeutender Breite, indem man enge Strassen des reichlicheren Schattens
wegen für gesünder hielt (Tacit. Ann. 15. 43). Die grösste Breite einer Strasse
beträgt mit Einschluss der Trottoirs nicht mehr als 7 Meter, viele haben nur
4 und mehre nur 2% — 3 Meter Gesammtbreite, von der noch ein nicht Unbe-
trächtliches für die Trottoirs (margines) abgeht, so dass die Fahrstrasse (agger)
sehr eng erscheint. Ueberall aber sind die Fahrstrassen sanft gewölbt und mit
grossen Lavablöcken auf's Sorgfältigste gepflastert. Die Platten, in welche die
darüber gegangenen Wagen Rillen bis zu 1 und 1$" Tiefe eingeschliffen haben,
sind mit grosser Genauigkeit in einander gefugt und durch zwischengetriebene
Eisenkeile, kleine Steine, Granit und Marmorstücken, deren man sich nebst