II. Erstes Capitel: Die Befestigungswerke, Mauern, Thürme und Thore.
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II.
Erster oder antiquarischer Haupttheil.
Erstes Capitel.
Die Befestigungswerke, Mauern, Thürme und Thore.
Der erste Gegenstand von Bedeutung und Interesse, den wir in's Auge
zu fassen haben, sind die Befestigungswerke, die Mauern nebst den Thürmen
und den Thoren der Stadt. Die jetzt vollständig aufgegrabene Mauer Pompejis
umgiebt die Stadt nicht vollständig, sie reicht nur vom herculaner Thor nörd-
lich und westlich, dann südlich fortlaufend bis an die Theater, auf dem Stücke
vorn Forum trianguläre bis beinahe zum herculaner Thore ist die Mauer ein-
gerissen und ihre Stelle nehmen die am Abhange des Stadthügels erbauten
grossen, terrassenförmig dreistöckigen Häuser ein. Pompeji war also in der
letzten Zeit seiner Existenz eine offene Stadt, was zur Erklärung eines
lange bemerkten, aber für räthselhaft geltenden Umstandes, dessen wir bei der
Beschreibung des herculaner Thores gedenken werden, wiclitig ist. Die Mauern
sind auf ihrer ganzen Erstreckung, bedeutende Reparaturen abgerechnet, von
einer Bauart, aus grossen, wohlbehauenen Steinen (in den untersten Lagen
Travertin, nach oben Piperin), deren Verticalfugen nicht perpendiculär, son-
dern schräge abfallen, ohne Mörtel aufgeführt, was allerdings für ein beträcht-
liches Alter derselben spricht, ohne dass jedoch ein Grund vorhanden wäre,
an die Urzeit zu denken und kyklopische Mauern Griechenlands und Etruriens
zu vergleichen, wie aus der folgenden genaueren Beschreibung hervorgeht. #
Die beträchtlichen Reparaturen der wahrscheinlich durch Sulla im Bundes-
genossenkriege beschädigten und ihrer äusseren Steinlage entkleideten Mauern
bestehen wie die unten zu beschreibenden Thürme aus opus iucertum, klei-
neren Bruchsteinen, meistens Tuff und Lava, welche mit Mörtel verbunden
und nach aussen mit Stucco überkleidet sind, in welchem man die ursprüng-
lichen Hausteine nachzubilden suchte. Wenn hiernach das Alter der Reparatu-
ren und der Thürme wenigstens einigermassen bestimmt ist, so kann man
Gleiches von den älteren Theilen der Mauer nicht sagen; dass sie in der Zeit
oskischer Autonomie errichtet sind, unterliegt wohl keinem Zweifel, obgleich
diejenigen buchstabenähnlichen Zeichen, welche im Innern auf die Steine
eingehauen, und die wahrscheinlich Steinmetzzeichen sind, keineswegs, wie
auch vielfach gesagt worden ist, dem oskischen Alphabet entsprechen.
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II.
Erster oder antiquarischer Haupttheil.
Erstes Capitel.
Die Befestigungswerke, Mauern, Thürme und Thore.
Der erste Gegenstand von Bedeutung und Interesse, den wir in's Auge
zu fassen haben, sind die Befestigungswerke, die Mauern nebst den Thürmen
und den Thoren der Stadt. Die jetzt vollständig aufgegrabene Mauer Pompejis
umgiebt die Stadt nicht vollständig, sie reicht nur vom herculaner Thor nörd-
lich und westlich, dann südlich fortlaufend bis an die Theater, auf dem Stücke
vorn Forum trianguläre bis beinahe zum herculaner Thore ist die Mauer ein-
gerissen und ihre Stelle nehmen die am Abhange des Stadthügels erbauten
grossen, terrassenförmig dreistöckigen Häuser ein. Pompeji war also in der
letzten Zeit seiner Existenz eine offene Stadt, was zur Erklärung eines
lange bemerkten, aber für räthselhaft geltenden Umstandes, dessen wir bei der
Beschreibung des herculaner Thores gedenken werden, wiclitig ist. Die Mauern
sind auf ihrer ganzen Erstreckung, bedeutende Reparaturen abgerechnet, von
einer Bauart, aus grossen, wohlbehauenen Steinen (in den untersten Lagen
Travertin, nach oben Piperin), deren Verticalfugen nicht perpendiculär, son-
dern schräge abfallen, ohne Mörtel aufgeführt, was allerdings für ein beträcht-
liches Alter derselben spricht, ohne dass jedoch ein Grund vorhanden wäre,
an die Urzeit zu denken und kyklopische Mauern Griechenlands und Etruriens
zu vergleichen, wie aus der folgenden genaueren Beschreibung hervorgeht. #
Die beträchtlichen Reparaturen der wahrscheinlich durch Sulla im Bundes-
genossenkriege beschädigten und ihrer äusseren Steinlage entkleideten Mauern
bestehen wie die unten zu beschreibenden Thürme aus opus iucertum, klei-
neren Bruchsteinen, meistens Tuff und Lava, welche mit Mörtel verbunden
und nach aussen mit Stucco überkleidet sind, in welchem man die ursprüng-
lichen Hausteine nachzubilden suchte. Wenn hiernach das Alter der Reparatu-
ren und der Thürme wenigstens einigermassen bestimmt ist, so kann man
Gleiches von den älteren Theilen der Mauer nicht sagen; dass sie in der Zeit
oskischer Autonomie errichtet sind, unterliegt wohl keinem Zweifel, obgleich
diejenigen buchstabenähnlichen Zeichen, welche im Innern auf die Steine
eingehauen, und die wahrscheinlich Steinmetzzeichen sind, keineswegs, wie
auch vielfach gesagt worden ist, dem oskischen Alphabet entsprechen.