Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
34

Signum Triciput

richtige" Formung wiederentdeckte und einführte, und seinem Sol-Apollo
einen Sockel gab, der die naturbeherrschende Planetengottheit (deren
astrale Urbedeutung nur noch der Flammen-Nimbus ahnen läßt) in eine
schöne, lebensferne Marmorstatue verwandelt.

Aber auch jene andere Haltung — die Haltung des recht eigentlich
„modernen" Genies — läßt sich an einer Aus- und Umgestaltung un-
seres Motives aufzeigen. Denn ein weit größerer und freierer Geist als
Giovanni Stradano, aber ein Geist genau der gleichen Epoche, hat
unser „Signum triciput“ einer Betrachtung gewürdigt: Giordano
Bruno. Und so entgegengesetzt die Stimmung und das Ziel dieser Be-
trachtung erscheint: es ist im Grunde dieselbe neue Freiheit (die zugleich
eine Entwurzeltheit ist), dieselbe neue Subjektivität, aus der heraus
der bildende Künstler zu einer ästhetischen Distanznahme
vom überlieferten Bildmotiv und der metaphysische Dichter
zu einer fast romantischen Vermischung des individuellen
Ich-Erlebnisses mit dem traditionellen Schilderungsinhalt
gelangt.

Im ersten Dialog des zweiten Buches der „Eroici furori" sprechen
Cesarino und Maricondo über den Rhythmus des Weltgeschehens.1) Die
kosmischen Gesetze bewirken, sagt Cesarino, daß, wie im einzelnen Jahr
so auch im „großen Weltjahr", ein Umschwung zwischen zwei diametralen
Gegensätzen (Sommer und Winter) geschieht, und daß das Ende des
einen Zeitabschnittes mit dem Anfang des nächsten zusammenfällt. So
sei denn auch zu hoffen, daß der gegenwärtige Tiefstand aller Kultur (!)
durch einen ebenso hohen Aufschwung werde abgelöst werden. Da ant-
wortet Maricondo mit einer tief pessimistischen Betrachtung, deren
ganzes Gewicht der Unterredner anscheinend gar nicht erfaßt, — mit
einer Betrachtung, die in das alte Bild des „Signum triciput" die ganze
neue Pathetik einer „heroisch liebenden" Menschenseele hineinlegt
und in dem herrlichen Schluß-Sonett die in den Tierhäuptern veran-
schaulichte Dreiheit der Zeitformen in immer neuen Wendungen mit der
Dreiheit subjektiver Gefühls- und Empfindungsinhalte weniger ver-
gleicht, als erfüllt: die bloße Begriffs-Symbolik ist zu einer großartigen
Affekt- Symbolik umgedeutet. Giordano Bruno, der j a die abstrakt -philo-
sophischen Begriffe der Zeit und des Raumes als solche mit eigentümlich
pathetischen Gefühlswerten ausgestattet hat, sieht in dem ägyptischen
Kultsymbol das Abbild seines eigenen Erlebens, das sich im Umlauf der
Zeiten in immer wechselnde Empfindungen hineingetrieben sieht, für
das die Gegenwart Qual und die Vergangenheit Reue bedeutet, und das

i) Giordano Bruno, Opere Italiane, ed. Giov. Gentile, II, 1908, S. 401 ff. Der Dialog
erschien erstmalig 1585.
 
Annotationen