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Petersen, Eugen
Die Burgtempel der Athenaia — Berlin, 1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.934#0056
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III. Die ältesten Kultbilder der Athenaia. 53

urteilen gewiß ein beliebiges, nur der iy.eaia wegen dargestelltes
Götterbild. Alle Deutungsversuche, auch der von Pernice
(Jahrb. 1895, S. 93. mit guter Wiedergabe der 'Carreyschen'
Zeichnungen auf Tat'. 3), scheitern an der ungenügenden Über-
lieferung der Keliefs.

Das attische Land und seine Königsfamilie ist ja endlich
auch Gegenstand des Götterstreits im Westgiebel. Auf dem
Gegensatz der beiden Tempelfronten ist der ganze Ideengang
des Parthenon-Bildwerks aufgebaut: im Fries hier Unterstadt,
dort Burg; in den Metopen hier die gegen die Amazonen ver-
teidigte Stadt, dort der zu nichte gemachte Ansturm der Giganten
auf den Olymp; in den Giebeln endlich dort Athena ihren Platz
im Olymp einnehmend, hier das geliebte Athenerland sich zu
eigen machend. Solchergestalt an den zwei Tempelstirnen ein-
ander gegenübergestellt, kommt jedes von beiden und beides zu-
sammen: Athena als Landesgöttin und als Olympische erst zur
rechten anschaulichen Geltung, aber erfaßt war dieser Gedanke
doch schon im Giebel des ersten Hekatompedon, wenn oben das
irdische Heiligtum der Göttin in der linken und ihr himmlischer
Sitz in der rechten Giebelhälfte richtig zu einem Ganzen ver-
bunden, und dies Ganze richtig dem Hekatompedon zugeteilt
wurde. Von solcher Doppelseitigkeit war bei der Göttin des
Urtempels nicht die Rede. Die hat mit dem Olymp nichts zu
schaffen, gehört ausschließlich Athen und dem attischen Lande,
ist durchaus friedlich und selbst in der späten Dichtung vom
eleusinischen Kriege nur innerhalb der Landesgrenzen wirksam.
Ohne Verkehr mit anderen Göttern, es sei denn mit Zeus, hat
sie nur mit Kekrops und dessen Töchtern, die uns Spiegelungen
ihrer eigenen Person zu sein schienen, zu tun, und mit Erech-
theus ihrem Tempelgenossen, zu dem sie ein zweideutiges Ver-
hältnis hat. Denn B 547 ist er ihr Pflegling an Kindesstatt,
dem sie Sitz und Kult in ihrem Tempel gewährt; rj 80 dagegen
wohnt sie in seinem Hause. Von Streit und Gegensatz zwischen
ihnen ist kaum eine verlorene Spur zu finden (s. unten), wofern
man ihn nicht für durchaus denselben hält, wie Poseidon, den
Athena ja im Streit um das Land besiegt. Aber dieser Sieg
Athenas über ihren Vaterbruder, den gewaltigen Meeresherrn
war überhaupt kein Stück alten Glaubens; sondern nur ein
mythischer Ausdruck für die in langer Zeit vollzogene Über-
 
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