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Petri, Grischka; Strindberg, August
Der Bildprozeß bei August Strindberg — Köln: Seltmann & Hein, 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.75392#0030

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[Kapitell] Fakten und Prozeßbeteiligte: Frühwerk und Bildkoordinaten

1. Strindberg
»Ich bin am 22.Januar 1849 geboren [...]; genau lOOJahre nach Goethes
Geburt (glauben Sie nun nicht, daß ich Goethe bin).«1 - Nein, dazu ist
Strindberg viel zu sehr Strindberg, als daß er Goethe hätte sein können.
Obwohl sein Geburtsdatum diese Arbeit eröffnet hat, soll hier keine neue
Strindberg-Biographie entstehen. Trotzdem: Sein Bildprozeß ist stets auch
Teil seines biographischen Prozesses. Deshalb wird es immer wieder notwen-
dig sein, an seine Biographie anzuknüpfen, ohne sie geht es nicht. (Ein tabel-
larischer Lebenslauf findet sich im Anhang D.) Strindbergs Vergleich mit
Goethe läßt sich jedoch zu einer Aussage über das breitgefächerte Interessen-
spektrum des schwedischen Literaturklassikers ausbauen. Carl Ludwig
Schleich, der in Berlin zum Kreis um Strindberg gehörte, erzählt,
daß Strindberg kein spielerischer Dilettant war, sondern daß er überall Kenntnisse und
Uebersichten genug hatte, um selbst sogenannte Meister und Spezialisten ihres Faches
nicht nur zu verblüffen, sondern zu lebhaften Untersuchungen anzuregen. Wenn
Strindberg ein Dilettant war, dann war es auch Goethe. Beiden gab aber diese unge-
heure Uebersicht über die allerentlegensten Gebiete solche tief bebende Resonanz ihres
Stiles. Sie wurzelten beide tief in der wohlgegründeten Erde und hatten eine Scheu
vor dem Abstrakten, »Nichts als Gedachten«. [...] Goethe und Strindberg hörten in allen
Höhen und Tiefen, überall Ideen der Natur suchend, das Echo zahlloser Erlebnisse bei
allen poetischen Gestaltungen miterklingen. Das gibt ihren Werken den Zauber der
Wirklichkeit, Echtheit und die Sonnenklarheit des stets neu erwachenden Tags.2
Dies sind - im pathetischen Vokabular des Jahrhundertbeginns - Äuße-
rungen über Strindbergs Wesen. Man könnte sich fragen, warum dies für eine
Untersuchung seines Bildprozesses wichtig ist. Eine Antwort liegt darin, daß
Strindberg die psychologische Erforschung seines Charakters zur Methode
und zum Inhalt seines künstlerischen Schaffens gemacht hat. Dazu eine cha-
rakteristische Episode: Ola Hansson hatte für einen Strindberg-Artikel im
Magazin für die Litteratur des In- und Auslandes diesen um journalistische
Hilfe gebeten. Strindberg gab ihm in einer ironischen Selbstbeschreibung
den Rat, dem Magazin zu sagen,
daß AugSg ein Sonderling ist, der denkt, daß es Spaß macht gespielt zu werden, aber es
ihn einen Dreck angeht, wie es läuft; daß er jetzt draußen ist und in Schweden herum-
wandert, per Brief nicht erreicht werden kann und sich mit Selbstmordgedanken trägt
wie gewöhnlich; ihm kann also kein Artikel entlockt werden, auch wenn Ehre oder Gold

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