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Verein Historisches Museum der Pfalz [Editor]; Historischer Verein der Pfalz [Editor]
Pfälzisches Museum: Monatsschrift d. Historischen Vereins der Pfalz und des Vereins Historisches Museum der Pfalz — 1.1884

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Nr.1 (1. Januar 1884)
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https://doi.org/10.11588/diglit.29786#0019
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In diesein Augenblicke schlug ein Geräusch von Schritten au ihr
Ohr. Z-rau Junker schaute in denHof und erblickte zu nicht geringer
Ueberraschnng ihren Sahn.
„Was hck das?" flüsterte die Wittwe: „der Emil komint schon
vom Bureau? Das ist außerordentlich früh! Aber mein Gott, wie
blaß er aussieht! es wird ihm doch nichts zngestoßen sein?"
Mit ängstlich klopfender Brust erhob sich Frau Funker und schritt
dem eintretendeu Sohne entgegen.
„Fehlt Dir etwas?" fragte das treue Mutterherz besorgt: „Du
kommst heute so früh vom Bureau."
„Früh genug," antwortete Gmil fast toulvs, „um Dir eine
Hiobspost zu bringen. Ich bin entlassen!"
Frau Junker sah ihren Sohn erschrocken an. „Um Gotteswillen,
Emil, was sprichst Tn?" fragte sie zitternd.
Der Sohn warf sich schluchzend in einen Stuhl, fuhr mit der
Hand über die Angen nnd erzählte.
Weinend ließ sich die Wittwc nieder. Aber kein Wort des
Vorwnris ging ans ihrem Mnnde. Der Schmerz der Mutter schnitt
dem Sohne tief ins Herz. Plötzlich sprang Emil ans, ergriff die Hand
der Mntter und sagte: „Verzage nicht! Jetzt ist der Augenblick ge-
kommen, wo ich Dir zeigen will, daß ich auch als „entlassener Schreiber"
uns vor Noth und Mangel zu schützen vermag."
Die Wittwe blickte den Sohn mit kummervollen Blicken fragend
an; dieser fuhr mit edlem Feuer fort: „Sieh? Mutter, der liebe Gott
hat mir Kenntnisse und Fähigkeiten gegeben, die, wenn ich sie recht
benütze, unS eine kummerlofe Existenz verschaffen."
„Tu meiust die Dichterei?" fiel die Mutter eiu uud fuhr danu
kopfschüttelnd fort: „Nein, Emil, das ist nichts, was uns vor dein
Hunger schützen kann. Tn lieber Himmel! Wenn Du auch im Wochen-
blatt gedruckt stehst, und wenn auch die Leute Deine Verse loben, damit
kommst Tu nicht weit. Der Prophet gilt nichts im Vaterlande. Der
selige Enkel Backler, der auch sehr schöne Verse uud Reime machte,
der sagte immer: Frau Schwägerin, wenn ich meine gute Schntstelle
nicht hätte, würde ich verhungern; von meinen Versen könnte ich nicht
leben. — Aber das darf Dich nicht betrüben," fuhr die alte Fran in
eineni zärtlichen Tone fort, da sie sah, daß ihre Worte den Sohn
schmerzlich berührten. „ Sieh, ich bin ja nur eine einfache Frau, verstehe
vielleicht die Sache nicht recht, aber ich meine —"
„Laß gut sciu, Mutter," siel der Sohu eiu; „ich weiß ja, daß
Du mir uicht wehe thun willst. Wenn ich vorhiu sagte, daß ich mit
meinen Kenntnissen uud Fähigkeiten eine sorgenfreie Existenz erringen
könne, so habe ich dabei allerdings an die „Dichterei" gedacht. Aber,
liebe Mutter, zur „Dichterei" rechnet man nicht nur das „Verse-
machen," sondern auch noch etwas Anderes. Sieh' ich habe Dir bis
jetzt nicht gesagt, daß —"
In diesen! Augenblick drang aus dem mittleren Stock des Vorder-
hauses kunstvolles Klavierspiel zu Mutter und Sohu, uud gleich darauf
fesselte Mathildens herrliche Stimme die gedrückten Herzen. Das
junge Mädchen sang mit glockenreiner Stimme das von Kücken's
reizender Melodie getragene „Dichterleben" Emanuel Geibels. Atemlos,
mit Blicken, aus denen ein heiliges Feuer, eine hohe Begeisterung sprach,
lauschte der Sohn der Wittwe. Wie eine Mahnung ans Engelsmnnde
klangen ihm die Worte ins Ohr;
„Wen einst die Muse mit denn Blick der Weihe-
Mild angelächelt, da er ward geboren,
Ter ist nnd bleibt zum Dichter auserkoren,
Ob auch erst spät der Keru zur Frucht gedeihe."
Kopfsehüttelud schaute Frau Junker, die freilich den Gesang von
Schmaling's Mathilde auch „recht hübsch" faud, aber das eigentümliche
Wesen Emils nicht zu begreifen .vermochte, ihren Sohn an. Jetzt j
kam die Schlußstrophe:
„Uud wie ein Quell, der laug ans Licht gernngen
Brichts nun hervor, gewaltig, tonreich, eigen,
Und sieh', er hat fein letztes Lied gesungen."
Nach einem effektvollen Nachspiele wurde es still da drüben in
der Wohnung des Tischlermeisters.
(Fortsetzung folgt.)

Eine Wömcrinlrg im Westrich.
Iw. C. Mehlis.
Unter „Westrich" versteht der Pfälzer all das Land, das im
Westen der sonnigen Hänge des Hartgebirges liegt, an denen der süße
Feuerwein gedeiht. Der Volksmnnd spricht vom „Wüstreich", denn ihm
ist dort, wo nur Holz, Stein nnd Wasser gedeihen, im Gegensatz zum
reichen Rheingelände, das Bereich des Wüsten, des Oeden, des Un-
fruchtbaren. Und doch find und waren jene Gegenden, die zur Blies
und zur Saar abwäfsern, die im Westen des Vogescnfirstes gen Pirma-
sens nnd Zweibrücken, gen Kusel nnd Wolfsstein hin liegen, wohlange-
baut nnd bevölkert. Schon zur Römerzeit durchzog eine Reihe wichtiger
Straßen diese Weftabdachnng, nm von dViiomJtki Rxevcwrwmn nnd
IRvoellnunn aus, von Trier nnd Metz nach dem Rheinlande, nach
UoZonlmerurr (Mainz;, nach UoxdstomuZus Morins), nach Eivitus
FjEElum (Speier), nach Txu-saloxnlinix (Straßburg) zu gelangen. Und
ivv vormals der Legionär mit Speer nnd Schwert seine Steinftraße
zog, da zieht jetzt den schwerbeladenett Holzwagen keuchender Rosse
Kraft. Die Wege aber, die der Römer vorgezeichnet hat, sind bis zur
Gegenwart zum großen Teil in Geltung nnd Gebrauch geblieben.
Aber es gibt auch Stätten nnd Punkte, die vormals, vor langen
Jahrhunderten bewohnt nnd belebt waren, die zum Rückhalt, zur Ver-
teidigung dienten, aber jetzt verlassen nnd öde, ein Schlupfivinkel für
Füchse nnd Eulen in der Waldeinsamkeit liegen. An eine solche Stelle
wollen wir den Leser führen!
Von Biebermühle ans, wo das Dampfroß gen Westen nach Zwei-
brücken nnd an die Saar, nach Osten nach Landau nnd an den Rhein,
nach Süden zum Schuhwerk erzeugenden lRxnxnxif 86äs8, nach Pir-
masens, führt, zieht sich mnntern Laufes der Schwarzbach oder die
Burgalb nach Nordosten. Hoch am Berg entspringt er am Fuße des
Efchkopfes bei Johanneskreuz, und ein grünes, idyllisches Waldthälchen
führt sein Helles Forellenwafser über Bnrgalben znr Vereinigung mit
der Nodalb bei Biebermühle. Wir wandern am bergnmschlosfenen
Waldfischbach vorüber nnd biegen znr Rechten in das einsame Schwarz-
bachthälchen ein, das uns nach zweistündiger Wanderung gegenüber
einem kühn gebauten Felsvorsprung an den Fuß eiues dunkel bewaldeten
Kegels bringt. Es ist der Schloßberg am Waldfischbach oder wie ihn
Bellmann anno 1600 in seiner Beschreibung des Amts Waldsischbach
benennt: „Die Heidelsbnrg". Es heißt bei dem alten Topographen
wörtlich:
„Da, Ivo die Schwarzbach den Heidelsboru, einen schönen großen
Born, in sich aufnimmt, hat vor Zeiten auf dem Berge das Schloß
Heidelsbnrg gestanden (nach einer Sage ist das Schloß nicht völlig
ansgeführt worden), von ivv die Schwarzbach sich gegen Abend in das
Roßthal stürzt."
Die Situation ist damit kurz und gut gezeichnet.
Wir stehen vor einem, an den Hängen bewaldeten F-elsrücken, der
im Osten und Süden vom tiefen Thal, in dessen Mitte der Schwarzbach
mäandrische Linien beschreibt, umflossen ist, während eine steile Schlucht
im Westen die Fclsennase von den nächsten Bergen trennt. Ein müh-
samer Pfad bringt uns von der Westseite zum Felsplateau empor.
Weiter oben angekommen, bemerken wir eine verfallene Ringmauer sich
nm den Hang ziehen, ein Haufen bemooster Steine nunmehr ohne Regel
nnd ohne Band. In der Mitte des Hauges stehen gewaltige, roh
behauene, meterlange Quadern zu eiuer Art eyklvpischen Eingangsthores
geschichtet; sie erinueru mit ihrem mörtellvsen Verband und ihrer er-
drückenden Schwere an die Manersetznng am Löwenthor von Mykenae.
Der Tragbalken des drei Meter breiten Einganges fehlt, ihn stürzte
nicht die Zeit, wohl aber die Faust pietätsloser Barbaren der Neuzeit
hiuab ius Thal. Noch aber steht zur Rechten der ans vier Quader-
lagen getürmte Pfeiler, mehr als zwei Mann hoch, nnd trotzt auch in
Zuknnft allen Stürmen. Wir schreiten dnrch die gebrochene, ans vor-
römischer, gallischer Zeit herrührende Pforte nnd gelangen nach Norden
längs des zerfallenen Berings zu einem über drei Meter hohen, mit
starken Eichen nnd Buchen bestandenen Schuttkegel, der quer die Nord-
front der umfriedeten Felseunnfe versperrt. Der längere, von West
nach Ost gehende Durchmesser des eiförmigen Schuttkegels mißt 22
Meter, fein kürzerer von Nord nach Süd gehender über 13 Meter.
Von der Höhe des Schnttberges, in den die archäologische Arbeit des
 
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