Pfingstdienstag, vormittag? zwischeit 11 linb lck Eltr im Rathaufe zu
Deidesheim zu erscheinen, wurden hier von den Rat?herreu, gleichfalls
in schwarzen Mänteln, empfangen, und gaben diesen, nachdem der nach-
gesuchte Weidgang auf ein weitere? Jahr bewilligt worden, ein solenne?
Gastmahl zum besten. Die altherkömmlichen Formalitäten bei Be-
willigung des Weidstrichs wurden jedes Jahr mit ängstlicher Gewissen-
haftigkeit beobachtet. Erst durch Vertrag vom Jahre 1755 wurde den
Gemeinden Neustadt, Haardt und Gimmeldingen die fragliche Weide-
berechtigung ein für allemal gestattet und das Gastmahl in eine jähr-
lich an Deidesheim zu leistende Geldentschädigung von 40 Gulden
umgewandelt. G
Die eigentliche Entstehuug?geschichte dieses lächerlichen Tribut?
lässt iich nicht ermitteln.
Mit der Überlieferung de? Bockiribul? wurde in Lambrecht stet?
der jüngste Bürger betraut. Bei Ankunft de?selben, die stets vor
Souueuaufgaug erfolgen mußte, war der Stadtrat iu Stumpshosen,
stchwarzeu Mänteln und Strümpfen, Schnallenschuhen und dreieckigen
Hiiten am Stadthause, um den gehörnten Gast iu Empfang zu nehmen;
der anwesende Notär nahm Akt davon. Selbstverständlich fand sich
stets eine Menge Neugieriger eiu, die den „Löwen de? Tages" be-
gafften und ihre Glossen machten. Dem Führer wurde da? bedungene
Käsebrod mit einer Flasche Wein verabreicht, während die versammelten
Ratsherreu sich bei dein regelmäßig stattfindenden Festessen gütlich
thaten. Der Bock aber wurde ini Driumpf durch die Straßen ge-
führt und schließlich einer öffentlichen Versteigerung ausgesetzt.
Au diesem sonderbaren Vertrag scheint nun Lambrecht während
der französischen Revolution gerüttelt zu haben l es entstanden mehr-
jährige Streitigkeiten. Deidesheim drang darum auf Erneuerung des
Bockvertrags. Derselbe kam auch wirklich zu Staude und wurde durch
eigenhändige Unterschrift 'Napoleon? I. <1. 4. Truinlu «io Otttzvo.
Provinz Burgv? in Spanien sanktioniert mit der früheren au?drücklichen
Beifügung ..80ti5 iu eonclltüm eestuuiEemt äp lomMr
ummchchureM <eonnti6 stwcsu'ü prstskust im dann? stimt cawmi 6t
Kien empukIE:
Die Bocklieferung ging nun wieder regelmäßig vonstatken. Jn-
-desseu gab das Jahr 1851 neuerdiug? Veranlassung zu einem diesmal
7jährigen Bocstwozeß. In genanntem Jahre nahm der Tributbock un-
terwegs ein besonders störriges Wesen an — er wollte nicht gehen.
Gute Worte, 'Schimpf- und Scheltwortc, Schieben und Ziehen, Hiebe
- alle? nützte nichts. Der Geleitsmann brachte ihn nicht von der
Stelle. Was thun? Nicht ohne viele Mühe verschaffte er sich end-
' lieh einen Schiebkarren, legte den gefesselten Bösewicht daraus und hielt
so seinen Einzug in Deidesheim, nachdem die liebe Sonne schon längst
ihre Strahlen über Berg und Thal gesendet hatte. Zudem soll das
Tier auch die vertragsmäßige Körperbeschaffenheit nicht gehabt haben.
Deidesheim erkannte hierin eine bedenkliche Vertragsverletzung und
nahm den gehörnten Vierfüßler nicht an. Sofort wnrde dem Führer für
, diesen Frevel der vertragsmäßige Jmbis entzogen und es kam zu dem bekann-
ten 7jährigen Bockprozeß, der erst i. I. 1858 gerichtlich durch Erteil des kgl.
Appellationsgerichts in Zweibrücken nnd zwar zugunsten Lambrechts
j entschieden wurde, jedoch mit der wichtigen Klausel, daß Lambrecht alle
. Böcke von 1851 an nachliefern müße.
So kam es denn, daß am Pfingstdienstage 1859 acht Gaisböcke,
die, nachdem sie sämtlich znvor vom kgl. Bezirkstierarzt für ver-
tragsmäßig befunden wurden, in Deidescheim ihren Einzug an der
Seite ihrer acht Führer hielten. Allein der 8. Bock wurde nicht an-
genommen , weil die Böcke erst nach Sonnenaufgang zur
vorgeführt wurden. Man sah nun einem neuen Prozeß entgegen;
allein derselbe unterblieb, da nach obigem gerichtlichen Erteil Lambrecht
an die Zeitbestimmung „vor Ausgang der Sonne" nicht gebunden ist.
Seit dieser Zeit hat der Tributbock die Ehre, bei seinem Einzuge in
D. werth zu sein, von der Sonne beschienen zu werden.
Der zur Zeit der Bvckkriege nach Lambrecht znrückgeschickte Bock
wnrde regelmäßig auf dem Markte in L. durch den Huisfier versteigert
und der gewöhnlich sich ergebende Mindererlös der Gemeinde Deides-
heim in Rechnung gesetzt. Daß genannte Gemeinde Deidesheim so fest
G Chronik der Stadt Deidesheim von Heinrich Seel. Deidesheim,
Selbstverlag 1880. — Pag. 73. 127. 145.
an der Bocklieferung mit all ihren Formalitäten hält, kann nur darin
seinen Grund finden, daß sie glaubt, bei lässiger Erfüllung dieser
Tributverbindlichkeiten einen erwünschten Vorwand zu finden, der Ge-
meinde Lambrecht das Weiderecht zu entziehen. Es ist dies um so
glaublicher, als Lambrecht schon mehrmals annehmbare Anträge stellte,
diese Naturallieserung in eine entsprechende Geldentschädigung umzu-
wandeln. Allein Lambrecht erklärt sich nur bereit zu einer jährlichen
Entschädigung vom einfachen Werte eines Gaisbocks, oder einfüralle-
mal zu einer Abfindungssumme vom 20fachen Wert eines solchen. Da-
gegen verlangt Deidesheim von Lambrecht eine viel höhere Jahres-
summe, als der Bock Wert hat, woraus letzteres eben nicht eingeht,
weil da? inrede stehende Tier um den halben Preis käuflich zu
haben ist.
E? erübrigt un? nun noch, ein solche? Bockfest, wie es bis
zur Stunde in Deidesheim gehalten wird, iu kurzen Zügen zu be-
schreiben. Der vielgenannte Gaisbock wird am Tage der Ankunft vor
dem Stadthause 'Nachmittags von "Z6—6 Ehr zur Versteigerung aus-
geboten. Während der Versteigerung, Stunde lang, wird eine
Glocke auf dem Kirchturme geläutet und als Steigerer resp. Eigen-
tümer des Bocks gilt der, welcher bei Aufhöreu des Läutens das letzte
Gebot gethan. Der Steigerer hat zugleich den Preis des dem Bringer
zu verabreichenden Käsebrodes nnd eines Liter Weines zu entrichten.
Der Bock wird iu der Regel von hiesigen oder auswärtigen Wirten
ersteigert, um daun ausgekegelk zu werden; deshalb wird auch oft ein
Preis erzielt, der den Wert des Tieres weit übersteigt. Nach der
Auktion gibt es in den verschiedenen Wirtschaften Bockbier, Bock-
würstchen und Bvckmusik, eine Festlichkeit, die viele Fremde anzieht, was
wohl auch mit ein Grund fein dürfte, warum Deidesheim nicht leichten
Kaufs zu einer Umwandlung der Bocklieferung in Geld zu bewegen ist.
' Lambrecht, Mai 1884. Haegr.
Kmmveli.
Ich wandle tief in dem Walde
So mutterseelen allein,
Weit über Matten und Halde,
Auf hohem Felseugeftein.
Ich seh' hinaus iu das Weite,
Hinein in das blühende Land,
End Sehnsucht steht mir zur Seite,
Gehüllt ins Trauergewand.
Zur Heimat läßt sie mich blicken
Wohl über Berge und Höhn;
Nur Grüße darf ich ihr schicken
Hier von der felsigen Rhön.
Ich seh' im Geiste die Wälder,
Die Berge, burgengekrönt:
Wie find durch üppige Felder
Die stillen Thäler verschönt'.
Ich grüß' euch, herrliche Laude,
End ist es nur aus der Zern',
Uns knüpfen ewige Bande —;
Könnt' ich, ich käme so gern,
Zu Euch, Ihr goldenen Auen,
Zu Dir, Du fröhliche Pfalz;
Könnt' ich dich wiederum schauen, »
Wie glücklich wär ich! — Gott wa-lt's: ö
Rotenburg a/Fulda, 23. April 1884. C. C'Mich. H
Deidesheim zu erscheinen, wurden hier von den Rat?herreu, gleichfalls
in schwarzen Mänteln, empfangen, und gaben diesen, nachdem der nach-
gesuchte Weidgang auf ein weitere? Jahr bewilligt worden, ein solenne?
Gastmahl zum besten. Die altherkömmlichen Formalitäten bei Be-
willigung des Weidstrichs wurden jedes Jahr mit ängstlicher Gewissen-
haftigkeit beobachtet. Erst durch Vertrag vom Jahre 1755 wurde den
Gemeinden Neustadt, Haardt und Gimmeldingen die fragliche Weide-
berechtigung ein für allemal gestattet und das Gastmahl in eine jähr-
lich an Deidesheim zu leistende Geldentschädigung von 40 Gulden
umgewandelt. G
Die eigentliche Entstehuug?geschichte dieses lächerlichen Tribut?
lässt iich nicht ermitteln.
Mit der Überlieferung de? Bockiribul? wurde in Lambrecht stet?
der jüngste Bürger betraut. Bei Ankunft de?selben, die stets vor
Souueuaufgaug erfolgen mußte, war der Stadtrat iu Stumpshosen,
stchwarzeu Mänteln und Strümpfen, Schnallenschuhen und dreieckigen
Hiiten am Stadthause, um den gehörnten Gast iu Empfang zu nehmen;
der anwesende Notär nahm Akt davon. Selbstverständlich fand sich
stets eine Menge Neugieriger eiu, die den „Löwen de? Tages" be-
gafften und ihre Glossen machten. Dem Führer wurde da? bedungene
Käsebrod mit einer Flasche Wein verabreicht, während die versammelten
Ratsherreu sich bei dein regelmäßig stattfindenden Festessen gütlich
thaten. Der Bock aber wurde ini Driumpf durch die Straßen ge-
führt und schließlich einer öffentlichen Versteigerung ausgesetzt.
Au diesem sonderbaren Vertrag scheint nun Lambrecht während
der französischen Revolution gerüttelt zu haben l es entstanden mehr-
jährige Streitigkeiten. Deidesheim drang darum auf Erneuerung des
Bockvertrags. Derselbe kam auch wirklich zu Staude und wurde durch
eigenhändige Unterschrift 'Napoleon? I. <1. 4. Truinlu «io Otttzvo.
Provinz Burgv? in Spanien sanktioniert mit der früheren au?drücklichen
Beifügung ..80ti5 iu eonclltüm eestuuiEemt äp lomMr
ummchchureM <eonnti6 stwcsu'ü prstskust im dann? stimt cawmi 6t
Kien empukIE:
Die Bocklieferung ging nun wieder regelmäßig vonstatken. Jn-
-desseu gab das Jahr 1851 neuerdiug? Veranlassung zu einem diesmal
7jährigen Bocstwozeß. In genanntem Jahre nahm der Tributbock un-
terwegs ein besonders störriges Wesen an — er wollte nicht gehen.
Gute Worte, 'Schimpf- und Scheltwortc, Schieben und Ziehen, Hiebe
- alle? nützte nichts. Der Geleitsmann brachte ihn nicht von der
Stelle. Was thun? Nicht ohne viele Mühe verschaffte er sich end-
' lieh einen Schiebkarren, legte den gefesselten Bösewicht daraus und hielt
so seinen Einzug in Deidesheim, nachdem die liebe Sonne schon längst
ihre Strahlen über Berg und Thal gesendet hatte. Zudem soll das
Tier auch die vertragsmäßige Körperbeschaffenheit nicht gehabt haben.
Deidesheim erkannte hierin eine bedenkliche Vertragsverletzung und
nahm den gehörnten Vierfüßler nicht an. Sofort wnrde dem Führer für
, diesen Frevel der vertragsmäßige Jmbis entzogen und es kam zu dem bekann-
ten 7jährigen Bockprozeß, der erst i. I. 1858 gerichtlich durch Erteil des kgl.
Appellationsgerichts in Zweibrücken nnd zwar zugunsten Lambrechts
j entschieden wurde, jedoch mit der wichtigen Klausel, daß Lambrecht alle
. Böcke von 1851 an nachliefern müße.
So kam es denn, daß am Pfingstdienstage 1859 acht Gaisböcke,
die, nachdem sie sämtlich znvor vom kgl. Bezirkstierarzt für ver-
tragsmäßig befunden wurden, in Deidescheim ihren Einzug an der
Seite ihrer acht Führer hielten. Allein der 8. Bock wurde nicht an-
genommen , weil die Böcke erst nach Sonnenaufgang zur
vorgeführt wurden. Man sah nun einem neuen Prozeß entgegen;
allein derselbe unterblieb, da nach obigem gerichtlichen Erteil Lambrecht
an die Zeitbestimmung „vor Ausgang der Sonne" nicht gebunden ist.
Seit dieser Zeit hat der Tributbock die Ehre, bei seinem Einzuge in
D. werth zu sein, von der Sonne beschienen zu werden.
Der zur Zeit der Bvckkriege nach Lambrecht znrückgeschickte Bock
wnrde regelmäßig auf dem Markte in L. durch den Huisfier versteigert
und der gewöhnlich sich ergebende Mindererlös der Gemeinde Deides-
heim in Rechnung gesetzt. Daß genannte Gemeinde Deidesheim so fest
G Chronik der Stadt Deidesheim von Heinrich Seel. Deidesheim,
Selbstverlag 1880. — Pag. 73. 127. 145.
an der Bocklieferung mit all ihren Formalitäten hält, kann nur darin
seinen Grund finden, daß sie glaubt, bei lässiger Erfüllung dieser
Tributverbindlichkeiten einen erwünschten Vorwand zu finden, der Ge-
meinde Lambrecht das Weiderecht zu entziehen. Es ist dies um so
glaublicher, als Lambrecht schon mehrmals annehmbare Anträge stellte,
diese Naturallieserung in eine entsprechende Geldentschädigung umzu-
wandeln. Allein Lambrecht erklärt sich nur bereit zu einer jährlichen
Entschädigung vom einfachen Werte eines Gaisbocks, oder einfüralle-
mal zu einer Abfindungssumme vom 20fachen Wert eines solchen. Da-
gegen verlangt Deidesheim von Lambrecht eine viel höhere Jahres-
summe, als der Bock Wert hat, woraus letzteres eben nicht eingeht,
weil da? inrede stehende Tier um den halben Preis käuflich zu
haben ist.
E? erübrigt un? nun noch, ein solche? Bockfest, wie es bis
zur Stunde in Deidesheim gehalten wird, iu kurzen Zügen zu be-
schreiben. Der vielgenannte Gaisbock wird am Tage der Ankunft vor
dem Stadthause 'Nachmittags von "Z6—6 Ehr zur Versteigerung aus-
geboten. Während der Versteigerung, Stunde lang, wird eine
Glocke auf dem Kirchturme geläutet und als Steigerer resp. Eigen-
tümer des Bocks gilt der, welcher bei Aufhöreu des Läutens das letzte
Gebot gethan. Der Steigerer hat zugleich den Preis des dem Bringer
zu verabreichenden Käsebrodes nnd eines Liter Weines zu entrichten.
Der Bock wird iu der Regel von hiesigen oder auswärtigen Wirten
ersteigert, um daun ausgekegelk zu werden; deshalb wird auch oft ein
Preis erzielt, der den Wert des Tieres weit übersteigt. Nach der
Auktion gibt es in den verschiedenen Wirtschaften Bockbier, Bock-
würstchen und Bvckmusik, eine Festlichkeit, die viele Fremde anzieht, was
wohl auch mit ein Grund fein dürfte, warum Deidesheim nicht leichten
Kaufs zu einer Umwandlung der Bocklieferung in Geld zu bewegen ist.
' Lambrecht, Mai 1884. Haegr.
Kmmveli.
Ich wandle tief in dem Walde
So mutterseelen allein,
Weit über Matten und Halde,
Auf hohem Felseugeftein.
Ich seh' hinaus iu das Weite,
Hinein in das blühende Land,
End Sehnsucht steht mir zur Seite,
Gehüllt ins Trauergewand.
Zur Heimat läßt sie mich blicken
Wohl über Berge und Höhn;
Nur Grüße darf ich ihr schicken
Hier von der felsigen Rhön.
Ich seh' im Geiste die Wälder,
Die Berge, burgengekrönt:
Wie find durch üppige Felder
Die stillen Thäler verschönt'.
Ich grüß' euch, herrliche Laude,
End ist es nur aus der Zern',
Uns knüpfen ewige Bande —;
Könnt' ich, ich käme so gern,
Zu Euch, Ihr goldenen Auen,
Zu Dir, Du fröhliche Pfalz;
Könnt' ich dich wiederum schauen, »
Wie glücklich wär ich! — Gott wa-lt's: ö
Rotenburg a/Fulda, 23. April 1884. C. C'Mich. H