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Verein Historisches Museum der Pfalz [Hrsg.]; Historischer Verein der Pfalz [Hrsg.]
Pfälzisches Museum: Monatsschrift d. Historischen Vereins der Pfalz und des Vereins Historisches Museum der Pfalz — 1.1884

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Nr. 10 (15. Oktober 1884)
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https://doi.org/10.11588/diglit.29786#0088
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scheidet (von der Kaiserslauterer Hochebene geht auch das untere,
aber viel niedrigere Hartgebirge aus). Dieser Gebirgszug (nach Becker,
die Pfalz nnd die Pfalzer 1858, S. 6 „der pfälzische Gotthard") bildet
die Hauptwasferfcheide der Pfalz: nach dem Nordwesten fließt die Lauter,
an welcher Kaiserslautern nnd Lauterecken liegen, eine südwestliche
Richtung nimmt die Steinalb mit dem Schwarzbach, welcher durch
Zweibrücken strömt, der Wellbach wendet sich nach Süden znr Qneich,
welche über Landau nnd Germersheim dem Rhein zneilt, nnd nach Osten,
bezw. Nordosten laufen die beiden Speierbäche an Neustadt und Speier
vorüber. Der Knotenpunkt des ganzen Gebirges ist das aus der
Kriegszeit genugsam bekannte Schänzel, hier treffen 5 Gebirgszüge
zusammen, der südöstliche gabelt sich abermals in den Rietberg
und den etwas höheren Bl ätt er s b er g, ans welchem seit 1883 der
Lugwigstnrm sich erhebt, nnd der nordöstliche endet mit dem H o eh berg,
welcher zur Ebene steil absüllt; zwischen den beiden Gebirgszügen
tief eingeschnitten fließt der am Schänzel entspringende Edenkobener
oder Mühlbach, auch Tiefenbach genannt. In der Nähe liegt die
681 in hohe Kalmit, der höchste Punkt des ganzen Hartgebirges;
aber gewaltiger an Umfang ist der Hochberg nnd bedeutsamer durch
seine Lage am Eingänge des Edenkobener Thales. Schwer zugänglich
von allen Seiten nnd deshalb von wenigen bestiegen erweckt er
an nnd für sich schon ein geheimnisvolles Interesse. Aber noch ge-
heimnisvoller macht ihn die Sage des Volkes, welches wunderbare
Dinge über den „Hochberg" zu berichten weiß.
Derselbe soll nämlich bis oben ganz voll Wasser sein nnd nur
eine dicke Kruste Erde befinde sich darüber; ein Bergknappe aus Böhmen
habe den Berg untersucht und gefunden, daß dies wirklich so sei; be-
sonders zur Winterszeit brause es furchtbar im Innern des Berges,
was zugleich den nahen Witterungswechsel anzeige. Breche die Kruste
des Berges einstmals durch irgend ein Ereignis, dann werde die ge-
waltige Wassermasse die ganze Rheinebene überschwemmen nnd ans-
süllen bis zu den Bergen hinan. Weiter erzählt das Volk, daß in
dem nahen Dorfe Rhodt ein sehr tiefer Brnnnen sei, nnter dem
eine unterirdische Strömung deutlich vernehmbar dahinbrause. Einst
habe jemand im dem Brunnen gegraben, da sei denn das Wasser
mit mächtiger Gewalt hervorgebrochen nnd schnell habe man alles
was man znr Hand hatte hineingeworsen und so sei es gelungen die
Wassermassen in ihrem unterirdischen Bette wieder zu fesseln. Da
Rhodt ans der anderen Seite des Thales liegt, so kann die unter-
irdische Strömung des Wassers dort nicht mit dem Hochberg zusammen-
hängen, sondern sie muß mit dem gerade vorliegenden Rietberg —
denn auch von diesem sagt das Volk: „Der Hackst braust" — oder
mit dem nahe liegenden Blättersberg in Verbindung gebracht
werden; von diesem nämlich erzählten mir Bewohner von Weyher nnd
Burrweiler dieselbe Geschichte wie vom Hochberg, ja noch mehr;
darnach sei das Wasser im Blättersberg früher schon einmal dnrchge-
brochen und habe die ganze Rheinebene überschwemmt. (Diese Sage
gründet sich darauf, daß in der Vorzeit die Gegend von Basel bis
Bingen von einem großen See ausgesüllt war und das Volk Anhalts-
punkte hiesür in der Beschaffenheit des Bodens sand.) Auch vom
weiter südlich gelegenen Teufels berg hörte ich einmal, daß er voll
Wasser sei.?)
Wie erklären nur uns nun diese Sagen, insbesondere die über
den Hochberg? Blaul sagt: „Wir haben nicht näher untersucht noch
weiter nachgefragt, aber wenn auch gar nichts daran ist, bleibt es
immer ein hübscher Stoff zu einigen Spinnstnben-Geschichten." Der
Führer von Edenkoben bemerkt: „Thatsache ist, daß man aus dem
Gipfel des Berges ein eigentümliches weithin hörbares Rauschen ver-
nimmt, wenn im Winter bei längerem Froste Thanwetter im Anzüge
ist." lind Becker meint: „Das ist eine oft wiederkehrcnde^ Sage, und
in ihr spricht sich die Abhängigkeit dieser ganzen Gegend von den
Elementarmächten aus, da sie ganz ans den Ertrag des Bodens hiu-
st Das Volk nennt den Nietberg „Hack" oder „Hackberg" und die Riet-
burg das „Hackschloß" von dem dortigen Waldbezirk „Saühaag" oder kurz
„Haag" : in Weyher wird die Rietburg auch „das alte Schloß" und in Burr-
weiler „das Salzfaß" genannt, weil sie von dort ein solches Aussehen hat.
2) Die Sagen habe ich alle aus dem Munde des Volkes selbst ver-
nommen, teilweise sind sic bereits veröffentlicht; s. Bla ul, Träume und Schäume
vom Rhein, 2. Auflage, Gvtthold, Kaiserslautern 1882, S. 503 f.; schöpp-
ner, Sagenbuch der bayerischen Lande, 2. Band, München, Rieger 1852, S.
321; August Becker, die Pfalz und die Pfälzer, Leipzig, I. I. Weber
1858, S. 308; Führer für Edenkoben und Umgegend von 1883, S. 22.

! gewiesen ist, der ost durch die finsteren Mächte der Natur gehemmt
wird." Allem damit wird die Sage von der unerschöpflichen Wasser-
masse, welche das ganze Rheinthal bis zu den Bergen hinan aus-
füllen würde, nicht erklärt. Oder sollte etwa der Bergknappe dieselbe
erfunden nnd das Volk gedankenlos dessen Worte geglaubt haben?
Wir sind vielmehr der Ansicht, daß der Bergknappe, wenn er nicht
gleichfalls in das Reich der Sage gehört, nur den alten Glauben des
Volkes bekräftigte; denn einen neuen Glauben ausznbringen, der sich
! soviele Jahre hindurch erhielt, dürfte kaum möglich sein. Die Sache
verlangt eine andere Erklärung.
Der Westwind bringt in der Regel Regen nnd verursacht,
wenn er über den hohen dichtbewaldeten Berg dahinbranst, ans der
Höhe nnd an den steilen Abhängen ein starkes Rauschen st, dazu ist
der Berg wasserreich (er versorgt die Stadt Edenkoben mit Wasserst,
und so hatte das Volk einen Ort gesunden, an welchen es seinen
alten von den Vorfahren überlieferten Glauben — mit einem solchen
nämlich haben nur es nach unserm Dafürhalten zu thun — anknüpfen
konnte. Als die Alemannen beim Zusammenbruch des Römerreiches
ans dem Schwarzwaldgebirge hervorbrachen und über den Rhein in
die gesegneten linksrheinischen Gaue einzogen, da haben sie auch den
Glauben ihrer Väter in die neuen Lande getragen und denselben an
bestimmte Örtlichkeiten angeknüpft. st Haine und. Berge waren von
den Germanen (wie den Slaven) vielfach den Göttern als heilig ge-
weiht. Z Taeitus sagt von unseren Vorfahren: „Sie halten es der
Hoheit der Himmlischen für unangemessen sie in Wände einzuschließen
oder irgend in Gestalt menschlichen Antlitzes abzubilden. Haine nnd
Gehölze weihen sie nnd rufen unter göttlichen Namen jenes nnerforsch-
liche Wesen an, das nur ihr ehrfurchtsvolles Gemüt erkennt."Z And
gerade die Gegend von Edenkoben, wo sich die höchsten Punkte des
Hartgebirges (d. i. Hochwaldgebirges) st erheben, lud vor allem
dazu ein den Göttern eine Stätte zu bereiten. So war der Orens-
b er g (—Odensberg, d -- r in der Volkssprache) bei Gleisweiler eine
Verehrnngsstätte des Odin oder Wodan «st, wie nicht minder der
Teufels berg bei Burrweiler, der gewiß früher einen anderen
Namen hatte; denn erst die christliche Zeit gab die alten Götterberge
dem Teufel preis st. Der Glaube an das wilde Heer, welches
ans dem Modenbacher Thale und über den Teufelsberg dahinzieht,
lebt heute noch nach Jahrtausenden nnvertilgt nnd unauslöschlich im
Volke fort. Als ich einst einer Fran aus der Gegend diesen Glauben
bestritt, da sagte sie: „Was ich selbst gehört habe, lasse ich mir nicht
hinwegdispntieren." Und so hat sich auch der alte deutsche Volksglaube
von einem „Wasserberge" durch die wechselvollsten Zeiten hindurch
sorterhalten bis ans den heutigen Tag. Zwar Autoritäten ans dem
Gebiete der germanischen Mythologie, wie Grimm, Müllenhofs, Simrock,
Götzinger, Holtzmann, Panzer u. a., bei welchen ich mir Rats erholte,
wissen nichts von Wasserbergen zn berichten, dagegen hat Wilhelm
Schwartz in Posen im vorigen Jahre in den „Neuen Jahrbüchern
für Philologie" ans S. 115—127 eine sehr interessante Abhandlung
über „Das Halsband der Harmonia nnd die Krone der Ariadne" ver-
öffentlicht, demzufolge Rochholz Nachstehendes schreibt: „Aus dem
Berge hinter der Heidenburg liegt um die Wurzeln einer Eiche

st Auch vam Tenfelsberg hörte ich: „Wenn der Kapbnsch (d. i. der
untere Teil des Berges, -- Kapellenbnsch von der in der Nähe sich befinden-
den St. Annakapelle) braust, so gibt es anderes Wetter."
st Auch die Bnrgundersage knüpft sich an beide Rheinseiten, an Worms,
das Hartgebirge und den Odenwald. Im Elsaß stak sich ebenfalls der alte
Götterglnube aus der Alemanenzeit^ erhalten. S. Wohlwill, Geschichte des
Elsasses, Hamburg, Meißner 1870, S. 6 f.
st S. F. Norck, Etymologisch-symbolisch-mythologisches Real-Wörterbuch,
Stuttgart, Cast 1843, S. 245.
st S. stlmmmnin, Onp. 9. — Georg Pfähler fagt in seinem^Hand-
buch deutscher Altertümer, Frankfurt a/M., Brönner 1865, ans S. 649:
„Heiliger Schauer erfüllt uns bei Eintritt in einen Wald, in dem die Art
noch nicht erklungen. Das Christentum achtete und ehrte den st>cm gernianischen
Geiste so tief eingepflanzten Schauer vorder geheimnisvollen stille des Waldes,
daß manche Kirche und Kapelle in säuselndem Dunkel ehrwürdiger Baum-
kronen sich erhob und mancher der vielhnndertjährigen Stämme noch bis auf
den heutigen Tag mit den Bildnissen des Heilandes, Mariens oder der Hei-
ligen geschmückt ist."
st Vom althochdeutschen ünrta, daher ist „Hart" nnd nicht „Haardt"
zn schreiben; Harz (Rm-ozmin silva), Spessart (Spechteshart) n. a. kommen
von demselben Worte, S. Förstemann, Deutsches Namenbuch.
st Nach Simrock nnd Müllenhoff ist Odin der „Mann vom Berge",
st S. Fü Norck a. a. O., S. 243.
 
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