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Verein Historisches Museum der Pfalz [Editor]; Historischer Verein der Pfalz [Editor]
Pfälzisches Museum: Monatsschrift d. Historischen Vereins der Pfalz und des Vereins Historisches Museum der Pfalz — 17.1900

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Nr. 8 (1. August 1900)
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https://doi.org/10.11588/diglit.30533#0127
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abgesehen von seiner, sich mit Ausnahme der Oper auf alle Zweige der Musik
erstreckenden Komponistenthätigkeit!
Vierliug's außerordentliche Wirksamkeit konnte nach oben nicht unbemerkt
bleiben. Im Jahre 1859 wurde er zum kgl. preußischen Musikdirektor uud 1882 zum
ordentlichen Mitglied der kgl. Akademie der Künste ernannt. 1883 folgte seine
Aufnahme in den Senat und die Verleihung des Titels „Kgl. Professor der
Musik". 1876 wählte ihu die NaatLellappF tot Lovorckerin^ ckor Boonkunst in
Holland zu ihrem Ehrenmitglied- desgleichen das Mozarteum in Salzburg.
Die schönste Ehrung jedoch, die einem Künstler dargebracht werden kann, ist
ihm am 15. Juli 1877 nach der Aufführung seiner Sabinerinnen in Kaiserslauten
zu Teil geworden: Es war die Huldigung der Pfalz vor ihr,em größten Musik-
sohne. Dem nach Form und Inhalt glänzenden Toaste des kgl. Seminarinspektors
Dr. Andreae entnehme ich einige Sätze, weil man eine vortrefflich gefaßte Wahrheit
nicht genug wiederholen kann. „Erfüllt noch von dem Eindruck eines eigenartigen
Kunstwerkes, ergriffen von der Gewalt einer Musik, die uns eine alte Geschichte
erzählt hat in der packenden Sprache der Neuzeit, stolz iu dem Gedanken, daß
dieselbe dem Genie eines Mannes entstammt, der herausgewnchsen aus der Mitte
unsers Volkslebens — fühlen wir alle deutlich, daß wir heute einen Abschnitt
feiern in unserer pfälzischen Musikgeschichte Erwarten Sie nicht, daß ich
versuchen werde, eine Lobrede zu halten. Wo die berufene Kritik so deutlich geredet,
da wäre mein Lob vermessen, und wo bereits die Besten unsers Volkes Beifall
gespendet, da ist Zustimmung wohlfeil. Aber das darf, das muß ich sagen, wie es
ein Stolz, eine Ehre der Pfalz ist, daß es einem ihrer Söhne gelungen, in redlicher
Mühe sich zu jener Kunsthöhe empor zu arbeiten, wo der Gehalt geistigen Schaffens
nicht nur die Anerkennung der Gegenwart erzwingt, sondern auch die Dauer ver-
bürgt in der Zukunft."
Mit dem Jahre 1897 war von Vierlings Kompositionen das 85te opus
erschienen - wie bei dem zusammenfassenden Urteil bereits benierkt, haben von all
diesen die vier großen Vvkalwerke seine Volkstümlichkeit bewirkt. Es erübrigt mir
nun noch auf seine Kompositionen einzugehen, wöbe: ich allerdings keinen Augen-
blick vergessen darf, daß das Pfälzische Museum kein musikalisches Fachblatt ist.
Die „Köln. Ztg." verweist in ihrem erwähnten Jubilargedenken Vierliug's
auf das 32. Kapitel der Nauniann'schen illustrierten Musikgeschichte, worin über
Vierling behauptet wird, daß er sich keiner bestimmten Partei hingegeben habe, viel-
mehr zur Gruppe der „Neutralen" gehöre, und im weitern Verlaufe der Aus-
einandersetzungen wird er als ein Meister bezeichnet, der das weltliche Oratorium
modernisiert und sich auf diesem Gebiete das gleiche Verdienst erworben habe, Ivie
es Mendelssohn bezüglich des geistlichen Oratoriums zuerkaunt sei.
Diese zwei Sätze, denen man sich unbedingt anschließen kann, bedürfen jedoch
einer Erläuterung. Das gesanitc Bewußtsein der organischen Welt vom Anfang
bis zum Ende bildet eine einzige, zusammengehörige geistige Masse, die sich in
einer unausgesetzten Molekularbewegung befindet und die nian, sowie die Verände-
rungen sich zn völlig neuen Bildern verdichtet haben, mit dem Worte „Kulturepoche"
bezeichnet. Ein jeder Mensch, mag er sein wer er wolle, ist von dieser seiner Epoche
abhängig. Ein jeder gibt an sie, ein jeder nimmt von ihr, bewußt oder unbewußt,
uud auf den Proportionen zwischen dem Geben und dem Nehmen wurzelt die
Geistesgröße, die bedeutende oder geringere. Schopenhauer hat diesen Gedanken
weiter ausgeführt uud auch Göthe berührt ihn in den Gesprächen mit Eckermann.
Wenn man diesen Satz an der Musik bestätigt finden will, so darf man
sich nur das Material etiva der letzten drei Jahrhunderte näher ansehen, um zu
erkennen, wie eine Schule mit der andern zusammenhängt, ein Stil ans dem andern
hcrvorgeht, neue Prinzipien in älteren, im Keime wenigstens, bereits ausgesprochen
waren. Jnsvferne hat Bülow recht, wenn er sagt, daß man ans Bach und Beethoven
 
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