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sich an der Nähe der Lovetokapelle, um deren Wachstum sie eifrig besorgt war.
Fromme Äußerungen der katholischen Religion traten in den weit mehr noch als
heute die Straßen um Oggersheim schmückenden Heiligenstatuen Schiller hier, zum
ersten Mal seit seiner Kindheit zu Gmünd und Lorch, wieder lebhaft vor die Sinne,
er konnte eifrige Pilger zur heiligen Kapelle wallfahren sehen und wahrnehmen, wie
die Kapuzinerpater ihres Seelsorgeramtes walteten. H
Noch heute steht aus jenen Tagen das stattliche, zweistöckige Gebäude, wenn
auch nicht mehr als Gasthof, vor uns wie zu Schillers Zeiten.* *) Links von dem
Tore lag das Wirtszimmer, das Eckzimmer mit den beiden Fenstern (über der
Denktafel) diente den Freunden zur Wohnung.
Die Denktafel, die seit dem Jahre 1856 das Schillerhaus schmückt, wird ihm
hoffentlich recht lange ein Ausweis über seine Echtheit sein. In früherer Zeit
genoß es freilich seinen Ruhm nicht unumstritten. Da vermutlich das Gasthaus
zum Viehhof schon im Anfang des 19. Jahrhunderts einging, gelang es einem
anderen Hmise ihm den Rang abzulaufen und viele Jahre als Schillerhaus zu
gelten. So erwähnt P. A. Pauli in seinem verdienstvollen „Gemälde von
Rheinbaiern" (Frankenthal 1817) — zuerst, soweit ich jehe, — Schillers angebliches
Heim in Oggersheim. „Gen Frankenthal gewahrt man," so schreibt er S. 58,
„ein Häußchen, im Hintergründe gelegen. Schiller bewohnte und weihte es. In
diesem ländlichen Aufenthalte
Begrüßete Fiescos Muse ihn,
Bald war sein Flug gewaltig adlerkühn,
Und höher stets, mit immer stärkern Schwingen,
Saht ihr ihn durch des Aethers Räume dringen,
Bis er zuletzt in des Olympos Chor
Mit Thekla und Johanna sich verlor!"
Auch S. F. Gehr es, Versuch einer Geschichte von Oggersheim, Mann-
heim 1831, S. 24 spricht von „dem niedlichen Bauernhäuschen, welches an der
Straße nach Frankenthal wenig seitwärts lag, und von Schiller einst bewohnt
ward." Beide irren.
Es ist leicht zu erklären, wie diese falsche Überlieferung entstand. Das von
Pauli und Gehres genannte Häuschen gehörte nämlich dem Oggersheimer
Kaufmann Derain, von deni wir unten näheres hören werden. Daß er, wie es
tatsächlich der Fall war, viel mit Schiller verkehrte, erzählte man nicht bloß lange
nachher in Oggersheim, sondern bestätigten auch Schillers Briefe und das 1836
erschienene Buch Streichers) der persönliche Verkehr Schillers mit diesem Oggers-
heimer Original der Humanitätszeit haftete aber jedenfalls tiefer in der Lokaltradition
als der Fremdenaufenthalt in dem schon ziemlich bald nach Schillers Zeit eingegangenen
Viehhof. So bedurfte es einer Richtigstellung der falsch überlieferten Tatsachen,
die denn auch K. Geib in seinem „Reise-Handbuch durch alle Theile der Königl.
Bayerischen Pfalz in localer und historischer Beziehung" bietet. Er schreibt S, 143
seines im Jahre 1841 erschienenen Werkes von Schiller: „Er wohnte in dem Gast-
hofe zum Viehhofe, und nicht, wie gewöhnlich behauptet wird, in dem Hause des
jetzt verstorbenen Hrn. DerheinJ) welches in der Vorstadt gegen Frankenthal
Vgl. über Schillers Kenntnis des katholischen Kultes, die (ich z. B. im „Gang nach dem
Eisenhammer", in „Maria Stuart" kundgibt I. Scherr, Deutsche Kultur- und Sittengeschichte "
S. 185 und eine Bemerkung H. Düntzers in R. Picks Monatsschrift f. d. Gesch. Westdeutsch-
lands VI (1880) S. 429.
*) S. das Bild „Ehemaliges Gasthaus zum Viehhof", nach einer Originalaufnahme von
Photograph M. Klaiber u. Sohn in Ludwigshafen a. Rh.
Schiller und Streicher schreiben Derain, nach ihnen so alle Biographien bis auf
Palleske il" 210, der neben Derain fälschlich Derheim bietet. Gehres a. a. O. S. 24 hat
De Rhein, der Oggersheimer Sterbeakt (Sterberegister der Gemeinde Oggersheim vom Jahre
1813 Nr. 26) dagegen Derhin. Da dies die ursprüngliche Schreibung zu sein scheint, so
ist der Name (nach freundlicher Mitteilung des Herrn Konrektor Prof. Dr. Keiper in Regens-
sich an der Nähe der Lovetokapelle, um deren Wachstum sie eifrig besorgt war.
Fromme Äußerungen der katholischen Religion traten in den weit mehr noch als
heute die Straßen um Oggersheim schmückenden Heiligenstatuen Schiller hier, zum
ersten Mal seit seiner Kindheit zu Gmünd und Lorch, wieder lebhaft vor die Sinne,
er konnte eifrige Pilger zur heiligen Kapelle wallfahren sehen und wahrnehmen, wie
die Kapuzinerpater ihres Seelsorgeramtes walteten. H
Noch heute steht aus jenen Tagen das stattliche, zweistöckige Gebäude, wenn
auch nicht mehr als Gasthof, vor uns wie zu Schillers Zeiten.* *) Links von dem
Tore lag das Wirtszimmer, das Eckzimmer mit den beiden Fenstern (über der
Denktafel) diente den Freunden zur Wohnung.
Die Denktafel, die seit dem Jahre 1856 das Schillerhaus schmückt, wird ihm
hoffentlich recht lange ein Ausweis über seine Echtheit sein. In früherer Zeit
genoß es freilich seinen Ruhm nicht unumstritten. Da vermutlich das Gasthaus
zum Viehhof schon im Anfang des 19. Jahrhunderts einging, gelang es einem
anderen Hmise ihm den Rang abzulaufen und viele Jahre als Schillerhaus zu
gelten. So erwähnt P. A. Pauli in seinem verdienstvollen „Gemälde von
Rheinbaiern" (Frankenthal 1817) — zuerst, soweit ich jehe, — Schillers angebliches
Heim in Oggersheim. „Gen Frankenthal gewahrt man," so schreibt er S. 58,
„ein Häußchen, im Hintergründe gelegen. Schiller bewohnte und weihte es. In
diesem ländlichen Aufenthalte
Begrüßete Fiescos Muse ihn,
Bald war sein Flug gewaltig adlerkühn,
Und höher stets, mit immer stärkern Schwingen,
Saht ihr ihn durch des Aethers Räume dringen,
Bis er zuletzt in des Olympos Chor
Mit Thekla und Johanna sich verlor!"
Auch S. F. Gehr es, Versuch einer Geschichte von Oggersheim, Mann-
heim 1831, S. 24 spricht von „dem niedlichen Bauernhäuschen, welches an der
Straße nach Frankenthal wenig seitwärts lag, und von Schiller einst bewohnt
ward." Beide irren.
Es ist leicht zu erklären, wie diese falsche Überlieferung entstand. Das von
Pauli und Gehres genannte Häuschen gehörte nämlich dem Oggersheimer
Kaufmann Derain, von deni wir unten näheres hören werden. Daß er, wie es
tatsächlich der Fall war, viel mit Schiller verkehrte, erzählte man nicht bloß lange
nachher in Oggersheim, sondern bestätigten auch Schillers Briefe und das 1836
erschienene Buch Streichers) der persönliche Verkehr Schillers mit diesem Oggers-
heimer Original der Humanitätszeit haftete aber jedenfalls tiefer in der Lokaltradition
als der Fremdenaufenthalt in dem schon ziemlich bald nach Schillers Zeit eingegangenen
Viehhof. So bedurfte es einer Richtigstellung der falsch überlieferten Tatsachen,
die denn auch K. Geib in seinem „Reise-Handbuch durch alle Theile der Königl.
Bayerischen Pfalz in localer und historischer Beziehung" bietet. Er schreibt S, 143
seines im Jahre 1841 erschienenen Werkes von Schiller: „Er wohnte in dem Gast-
hofe zum Viehhofe, und nicht, wie gewöhnlich behauptet wird, in dem Hause des
jetzt verstorbenen Hrn. DerheinJ) welches in der Vorstadt gegen Frankenthal
Vgl. über Schillers Kenntnis des katholischen Kultes, die (ich z. B. im „Gang nach dem
Eisenhammer", in „Maria Stuart" kundgibt I. Scherr, Deutsche Kultur- und Sittengeschichte "
S. 185 und eine Bemerkung H. Düntzers in R. Picks Monatsschrift f. d. Gesch. Westdeutsch-
lands VI (1880) S. 429.
*) S. das Bild „Ehemaliges Gasthaus zum Viehhof", nach einer Originalaufnahme von
Photograph M. Klaiber u. Sohn in Ludwigshafen a. Rh.
Schiller und Streicher schreiben Derain, nach ihnen so alle Biographien bis auf
Palleske il" 210, der neben Derain fälschlich Derheim bietet. Gehres a. a. O. S. 24 hat
De Rhein, der Oggersheimer Sterbeakt (Sterberegister der Gemeinde Oggersheim vom Jahre
1813 Nr. 26) dagegen Derhin. Da dies die ursprüngliche Schreibung zu sein scheint, so
ist der Name (nach freundlicher Mitteilung des Herrn Konrektor Prof. Dr. Keiper in Regens-