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Verein Historisches Museum der Pfalz [Hrsg.]; Historischer Verein der Pfalz [Hrsg.]
Pfälzisches Museum: Monatsschrift d. Historischen Vereins der Pfalz und des Vereins Historisches Museum der Pfalz — 22.1905

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Nr. 9 (September 1905)
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https://doi.org/10.11588/diglit.29783#0165
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lehren, die sich vorallssichtlich nicht auf, den einen Pnnkt beschränkt, sondern eine gewisse Kultur-
und Geschmacksgeineinschaft, ja auch Überlieferungsgemeinschafr verrät. Gerade was am meisten
ins Auge fällt, gehört hierher: die Hirsch- oder Pferdeköpfe an den Firsten, die gabelförmige Ein-
fahrt bei niedersächsischen Höfen, die Lauben an bayerischen, Schwarzwälder Häusern, die Einfahrt
in den ersten Stock, die ornamentale Gestaltung des Fachwerkes, der Treppenvorbau und das
Vordach bei Stallwohnhäusern, die Walm- und Halbwalmdächer,1 die gemauerten Toreinfahrten,
die Gruppierung der Nebengebäude, zumal der Schweinestülle in Haufenhöfen, lind manches andere.

Aus äußeren Gründen scheint es sich zu empfehlen, die Fragebogen für einzelne Gebiete
besonders zu formulieren. Was tut ein oberfränkischer Gewährsmann mit den Fragen nach dem
niedersächsischen Dielenhalis, sollte inan meinen — aber bei Kronach tritt uns mit einemmal ein
Hof entgegen, bei dem Tenne und Ställe senkrecht auf dem Wohnhaus stehen! Wahrscheinlich
bringt nits ein gemeinsamer Fragebogen gerade überraschende Neuigkeiten, z. B. über die Ver-
breitung des Langhauses in bergigen Gegenden u. a.

Bei dem für die Erhebungen entworfenen Fragebogen find Namen für die Typeil, Theorien
über die Entstehung der Unterarten sowie technische Benennungen vermieden. Natürlich sind auch
nicht alle Ausgestaltungen im einzelnen berücksichtigt, was eine endlose, verwirrende Mannigfaltigkeit
ergäbe. Die Ausnützung der Räume des Wohnhauses, der Scheune, hat, obwohl in ihr auch zum
Teile feste Überlieferung gegeben ist, wegzubleiben. Nur die Lage des eigentlichen Wohnzimmers
und der Küche, ihre Lage zum Hausgang (Flur, Fletz), die Stellung des Hauptkamins und Herdes,
die Lage und Richtung der Tenne, endlich der Unterball des Wohnraumes, müssen überall erfragt
werden. Unberücksichtigte Typen müssen leicht einkorrigiert wenden können, für besondere Bemer-
kungen muß Raum seilt.

Die Erfahrungen bei den Umfragen für den Sprachatlas, bei den volkskundlichen Umfragen,
haben gelehrt, daß nicht alle Alttoren brauchbar find. Gleichgültigkeit, Oberflächlichkeit, ja Tücke
der Antwortgeber muß mail in Kauf nehmen. Erst jüngst entdeckte ich, daß ein von einem Bau-
techniker gelieferter schöner Plan eines „altbayerischen" Gehöftes eine getreue Kopie eines west-
fälischen Hofes in dem Werke des Architektenverbnndes sei. So wird man aus einem Bericht
keine Folgerungen ziehen dürfen, auch nicht aus der Angabe, die und jene Form sei an dem oder
jenem Orte vereinsamt anzutreffen.

Was die Art der statistischen Erhebung angeht, so stelle ich sie mir, wie folgt, vor. Der
Fragebogen mit seinen bestimmten Fragen wird in Tausenden von Abzügen verbreitet) zunächst
bei den sämtlichen Vereinen des Verbandes, dann bei ben außerhalb des Verbandes stehenden
Vereinen mit entsprechenden Interessen, vor allem aber bei Lehrern auf dem Lande. Letzteres
müßte von Einzelvereinen geschehen. Bayern und Sachsen wären ohne weiteres versorgt. In
den übrigen deutschen Ländern müßte erst eilt Zentralpunkt gesucht werden. Wir dürfen hoffen,
daß wir Unterstützung der Behörden finden, zunächst der Postverwaltung, die die rückkehrenden
Fragebogen als Drucksache anerkennen dürfte, dann aber der Kultusministerien und Kreisregiernngen,
die den Lehrern lind Distriktsbehörden Beachtung der Fragebogen empfehlen müßten. Empfehlen,
nicht befehlen, denn sollst würde mit Unlust, auch Wohl ungenau und flüchtig, gearbeitet werden.
Die Fragebogen müßten an verschiedene Mittelpunkte befördert und dort verarbeitet werden.
Vielleicht ist auch für diese Verarbeitung die Unterstützung der Behörden, landwirtschaftlicher Vereine
und Schulen, zu hoffen. Das letzte Ergebnis wäre dann, wie gesagt, eilte Karte der Hof- und
Hausformen in großem Maßstab.

Neben dem Fragebogen für die Statistik wird eilt weiterer verbreitet werden können. Der
bayerische, einen halben Bogen füllend, ist in Bayern in mehreren Taufenden von Abzügen ver-
breitet, aber nahezu vergriffen. Eine neue Auflage könnte nicht schwer für ganz Deutschland
brauchbar gemacht werden, wenn die niederdeutschen Vereine es wünschten. In seiner jetzigen
Gestalt ist er zunächst für Bayern und die Nachbarschaften im Westen und Norden geeignet.
Vielleicht wird mir von anderen deutschen Ländern die nötige Ergänzung aus lokaler Sachkenntnis
heraus vermittelt. Dieser Fragebogen und seine Ergänzungen sollen die eigentliche Hausforschung
weiter fördern. Wie in Bayern, und schon lange vorher in L-chleswig-Holstein, werden es ins-
besondere die Baugewerkschnlen mit ländlichen Besuchern sein, die die Einzelforschung weiterführen.
Doch können auch Laien, Lehrer, Landwirtschaftsschüler und jeder Zeichner und Photograph fördernde
Mitteillingen und Pläne liefern. Die geschichtliche Forschung wird selbst neue Fragen stellen, vor
allem aber die Zusammengehörigkeit verschiedener Formen feststellen und vielleicht zu den Urformen
fortschreiten.

Eine besondere Aufgabe bildet die Erforschung der Technik (Dachstuhl, Gewölbe, Fachwerk)
und der künstlerischen Momente im Hausbali und Hausrat. Auch sic mündet immer wieder in
die allgemeine Forschung ein, erfordert aber ihre eigene Vorbildung und Methode. Ihr dient in
erster Linie das große Architektenwerk, sie wird mit dem sichersten Erfolg von Vereinigungen wie
dem Münchener Verein für Volkskunst in Allgriff genommen werden."
 
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