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Verein Historisches Museum der Pfalz [Hrsg.]; Historischer Verein der Pfalz [Hrsg.]
Pfälzisches Museum: Monatsschrift d. Historischen Vereins der Pfalz und des Vereins Historisches Museum der Pfalz — 22.1905

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Nr. 10 u. 11 (Oktober u. November 1905)
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https://doi.org/10.11588/diglit.29783#0190
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— 168

verein seine allgemein bildende und knnstfördernde Aufgabe eigentlich am besten lösen. Daß er
dabei natürlich nicht jedem persönlichen Geschmack Rechnung tragen kann, ist selbstverständlich!
der Ausschuß des Kunstvereins hat sich übrigens auch nach dieser Hinsicht alle Mühe gegeben und
ein Kunstblatt als Vereinsgabe ausgewählt, das dem durchschnittlichen Geschmack entsprechen soll-
wie weit er denselben getroffen hast läßt sich vorläufig nickt sagen.

Wenn nnn manche an den Bildern die Farbe vermissen, so läßt sich dagegen einwenden,
daß es viele ausgezeichnete Kunstwerke gibt, die recht wohl die Farbe entbehren können, ganz ab-
gesehen davon, daß ja der Kupferstecher, Radierer und Lithograph selbst wieder ein Künstler ist,
der dem Stoff in seiner Art interessante Eigenschaften abzugewwnen weiß, so daß solche Leistlingen
gerade so gut als Origiualprodukte in der betreffenden graphischen Kunst anzuschen sind. Dabei
darf auch nickt übersehen werden, daß diese Techniken, insbesondere die Radierung, über eine große
Skala von Tönen, die stärksten Kontraste zwischen Licht und Schatten, eine durchsichtige klare
Wirkung auch des tiefsten Schattens verfügen und auch die Feinheiten wiedergebcn können, welche
der Künstler in die Richtung des Pinselstrichs legt! jo es kann sogar Vorkommen, daß die Schwarz-
weißbilder anziehender sind als Gemälde.

Eine große Kollektion Reproduktionen von Historienbildern hat die Ausstellung aufzuweisen,
insbesondere die, welche von der Verbindung für historische Kunst angekauft wurden und nieist
schon in den letzten Jahren im Kunslverein allsgestellt waren- z. B. die „Batterie Gnüggc bei
Gravelotte" von Röchling- „Volksopfer im Jahr 1813", „Einsegnung der Freiwilligen" von Arthur
Kampf- „Blücher zwischen Ligny und Belle Allianee" von Eichstädt! „Friedrich der Große in der
Schlacht bei Roßbach" von Warthmüller- „König Wilhelm I. nach der Schlacht bei Sedan" - „Ein
Hoch auf den König am 18. Anglist 1870"- „Angriff der Kürassiere bei Vionville" von Rochell-
„Johauua Stegen, die Heldin von Lüneburg" von L. Herterich- „Erstürmung der Hauptstraße von
Bazeilles" von Putz- „Heimkehr der Viktoria nach Berlin" von Eichstädt.

Wie aus den zahlreichen und gediegenen Kunstwerken zu ersehen ist, hat die Verbindung für
historische Kunst ein verdienstvolles Werk getan, indem sie bedeutende geschichtliche Momente durch
ergreifende bildliche Darstellung den raschlebigen Epigonen jener Helden immer aufs neue wieder
ins Gedächtnis ruft. Dadurch werden diese Knnstleistungen, selbst wenn die jetzige Kunstströmuug
ihnen abhold ist, doch dauernden Wert behalten. Bilder sind eben nicht dazu da, um bloß das
Auge zu ergötzen, sondern sie sollen auch ethische Eindrücke hinterlassen! Nebermindung des Egoismus
durch Aufopferung fürs Vaterland, Kampfesmut, Siegesfreude lebendig veranschaulichen. Es ist
nun einmal nicht Jedermanns Sache, im Malerischen allein zu schwelgen. Ganz im Einverständnis
auch mit der modernen Kunst wollen wir Deutsche von Beginn der deutschen Kunst an, daß das
Bild nicht komponiert allssehen soll, wodurch das Bild etwas bühnenmäßiges, theatralisches
bekommt- aber der Schwerpunkt der Kunst liegt bei den Italienern und Franzosen
doch in der Komposition, wenn sie auch meist ganz unauffällig ist und nnr die Totalität
des Eindrucks beherrscht, nicht den Gegenstand. Die echt deutsche Kunst, wie sie z. B.
Dürer und Halbem vertreten, legt den Wert überhaupt in ein anderes Kunstmament. Das
Gesehene ist Ausdruck geistiger und idealer Werte. Hierin liegt die beispiellose Größe der Dürerscheu
Kunst und zugleich der Grund der allgemeinen Verehrung und seinerzeiligen Popularität derselben,
während die Kunst der Jetztzeit sich nur einen kleinen Kreis Kunstverehrer zu erhalten weiß. Auch
Lenbach ist dadurch groß geworden, weil er sich nicht auf die bildliche Form beschränkte, sondern
sich auf Wiedergabe des Psychischen in der Erscheinung des Lebendigen verlegte und dadurch aufs
geistige Auge des Beschauers, nicht bloß aufs Gefühl für Harmonie von Farbe und Form zu
wirken verstand. Ideen zu erwecken, ist Sache des Dichters, aber das Kunst-Bedeutsame in der
Natur ersehen, den Sehprozeß zu vergeistigen, zum Zusammenfassen der Vielheit der Erscheinungen
in eine schöne Einheit zu bilden, ist Sache des Künstlers. Wenn wir die Stiche der Sirtinischen
Madonna, der heiligen Cacilia von Rafael, das Abendmahl von Leonardo da Vinci, die Madonna
von Tizian betrachten, so sehen wir Geistigbedeutendes und Formellschönes in eilte Einheit ver-
schmolzen, was besonderes Kennzeichen der italienischen Kunst ist, bei der Kunst nnd Form sich
deckeit. Der Deutsche sieht weniger auf Schönheit der Linien, Flächen und Masseuverteilung, aber
mehr auf Wahrheit im einzelnen wie im ganzen, mehr auf das aus dem vollen Leben Heraus-
gegriffene als auf das Stilistische. In diesen Charakterzügen wird sich der Geschmack bei uns nicht
ändern, auch wenn die Künstler, wie es gegenwärtig der Fall ist, andere Wege gehen. Aber soll
man es dem Publikum verübeln, wenn es lieber Bilder ansieht, wie die „Verlassene auf dem Tanz-
boden" von Kindler, „Noahs Weinschenke" voll Oberländer, die „Verfolgung voll Wilderern"
voll Wopfner, den „Siebenschläfer" von Gabler, den „Vetter", Fanülien-szene von Vaulier
und die kartenspielenden Schusterjungen von Knaus, als die reinen Schilderungsbilderz wie „die
singenden Mädchen von Firle oder die fcingestimmte Lithographie von skabinskst „am Webstuhl"?
Freilich Stoffe wie der Bacchantenzug von Franz Stuck oder der Gang zum Baechustempel von
Böcklin besitzen mehr künstlerischen Adel, da die Persönlichkeit des Malers mehr zur Geltung kommt-
doch ist es auch kein Fehler eines Kunstwerkes, wenn man über die Darstellung den Meister ver-
gißt. So weiß Fritz August Kaulbach, von dem wir den „Maitag", radiert von Doris Raab,
ausgestellt sinden, immer durch die Lieblichkeit seiner Szene zu fesseln, Wilhelm Sohn auch einem
Verhör vor dem Advokaten eine interessante Seite abzngewinnen.

Reich und verschiedenartig ist die Landschaftskunst, welche uns in der Ausstellung vor Augen
 
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