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Pfisterer, Ulrich; Donatello
Donatello und die Entdeckung der Stile: 1430-1445 — München: Hirmer Verlag, 2002

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.57354#0045

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allem Staunen über die antiken Wunderwerke oder aber Verdammen der
dämonischen Produkte: Die zeitgenössischen Beschreibungen geben zumin-
dest für den Aspekt Stil fast nichts her. Sie bleiben meist bei der Pracht des
Materials und den Topoi von den lebendig scheinenden Statuen stehen.
Selbst wenn Geschichtsschreiber antike Überreste für ihre Argumentation
heranziehen, was - wenn auch selten - vorkommt, verraten sie uns kaum
etwas über ihre Erkennungskriterien.19 Das historische Differenzierungs-
vermögen scheint nach Ausweis der Schriftquellen über heidnisch und
christlich, alt und neu, antiquus und modernus, nicht wesentlich hinaus-
gekommen zu sein.20 Bei einer zweiten Art bewußter Rückgriffe mittel-
alterlicher Künstler darf man schon deshalb keine Äußerungen zur künst-
lerischen Form erwarten, da es darum ging, ein zumeist »nicht von
Menschenhand gestaltetes* Werk zu tradieren: Mit dem möglichst exakten
Kopieren verehrter Kultbilder sollte deren Wirkmacht übertragen und die
al XIV secolo, Mailand 1995; Gramaccini 1996 sowie die Beiträge in Antike Spolien in
der Architektur des Mittelalters und der Renaissance, hg. Joachim Poeschke, München
1996. - Zu Antikenrezeption als Ausweis von Alter und Authentizität s. Bruno Reuden-
bach. »Reliquiare als Heiligkeitsbeweis und Echtheitszeugnis«, in: Vorträge aus dein War-
burg-Haus, 4 (2000), 1-29, v.a. 24-28.
19 Eine der ausführlichsten mittelalterlichen Erörterungen über die stilistische Datie-
rung von Kunstwerken dürfte die Unterscheidung zwischen christlichen und antiken Sarko-
phagen bei Guibert de Nogent (Autobiographie, hg. Edmond-Rene Labande, Paris 1981,
210) sein: »Quam opinionem si nulla literalis juvaret traditio, suppeteret profecto affatim
peregrina et non, putaremus, christiani nominis sepulchrorum iuventa contextio. Circa
enim ipsam et in ipsa basilica tantam sarcophagorum copiam conjunxit antiquitas [..., es
folgen formale Beobachtungen! non possumus aliud credere, nisi quod fuerunt gentilium
[sepulcra], aut antiquissima christianorum, sed facta gentili more.« - Weitere Beispiele bei
Antonia Gransden, »Realistic observation in tweifth-century England«, in: Speculum, 47
(1972), 29-51; E. F. van der Grinten, »Efficaius docebit visio quam dictio«, in: Miscella-
nea I. Q. van Regieren Altena, Amsterdam 1969, 5-9, und Eberlein 1995, 152f. - Ein
Reisebericht schildert die Unsicherheit eines Kreuzfahrers angesichts einer goldenen Statue
im ehemaligen Tempel Salomonis, ob es sich um das Bild eines antiken Gottes, Christi oder
Mohammeds handele. Daß bei den daraus resultierenden Überlegungen nicht nur die Iko-
nographie, sondern auch der Stil bedacht wird, scheint mir aber zweifelhaft, dagegen Xenia
Muratova, »Western chronicles of the first crusade as sources for the history of art in the
Holy Land«, in: Crusader art in the twelfth Century, hg. Jaroslav Folda, Oxford 1982,
47-69.
20 Siehe für eine differenziertere Darstellung Elisabeth Gössmann, Antiqui und
Moderni im Mittelalter, München, Paderborn und Wien 1974; Coleman 1992, v.a.
274-324; Monika Otter, »>New Werke«: St. Erkenwald, St. Albans, and the medieval sense
of the past«, in: Journal of Medieval and Renaissance Studies, 24 (1994), 387-414. - Spe-
ziell zu Italien Georg Miczka, »Antike und Gegenwart in der italienischen Geschichts-
schreibung des frühen Trecento«, in: Antiqui und Moderni. Traditionsbeiuußtsein und Fort-
schrittsbeiuußtsein im späten Mittelalter, hg. Albert Zimmermann, Berlin und New York
1974,221-235; Gilbert 1977.

1. Prolegomena: Stilkategorien in Antike und Mittelalter 45
 
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